Gerichtsprozess Psychiatrie und Haft nach Flucht mit Krankenwagen

Im Landgericht Kiel wurde das Urteil gegen einen 29 Jahre alten Mann wegen der Fahr mit einem gestohlenen Krankenwagen gefällt.
Im Landgericht Kiel wurde das Urteil gegen einen 29 Jahre alten Mann wegen der Fahr mit einem gestohlenen Krankenwagen gefällt. (Symbolfoto) Foto
© Markus Scholz/dpa
Seine gefährliche Fahrt in einem gestohlenen Krankenwagen führte von Hamburg bis nach Kiel. Jetzt ist der 29-jährige Angeklagte verurteilt worden. Das Gericht hält ihn für eingeschränkt schuldfähig.

Nach seiner halsbrecherischen Fahrt in einem gestohlenen Krankenwagen ist ein 29-Jähriger verurteilt worden - zu drei Jahren Haft und zusätzlicher Unterbringung in einer Psychiatrie. Er muss zuerst auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie, bevor er die Haftstrafe antreten kann. 

Die erste Strafkammer des Landgerichts Kiel sprach den Angeklagten einer Reihe von Taten schuldig. Dazu zählen ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Körperverletzung, tätliche Angriffe auf Vollzugsbeamte und Fahren ohne Führerschein. In das Urteil fließt auch eine Tat ein, die der Angeklagte in Sachsen-Anhalt begangen hat. Das Gericht stuft den 29-Jährigen als eingeschränkt schuldfähig ein wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung. 

Der Mann hatte demnach am 18. November 2024 gegen Mitternacht einen Rettungswagen in der Nähe des Millerntores in Hamburg gestohlenen und sei damit bis nach Kiel gefahren, zum Teil mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Im Rettungswagen habe er mit der Feuerwehr gesprochen. Er habe eine Pistole, Panzerfäuste und Handgranaten bei sich und werde diese einsetzen, habe er gesagt. 

Verfolgungsjagd mit vielen Streifenwagen

Immer mehr Streifenwagen der Polizei verfolgten ihn, um ihn zu stoppen. Nach einer Irrfahrt durch Kiel, bei der es zu Beinaheunfällen und Zusammenstößen mit Polizeiwagen kam, endete die Fahrt in einem Gitter am Straßenrand. Ein Polizeiauto habe er absichtlich gerammt, bevor er mit dem schon demolierten Rettungswagen in einen Treppenaufgang krachte.

Dort habe er aber nicht aufgegeben, sondern eine Polizeibeamtin als Geisel gefordert. Erst kurz nach vier Uhr morgens konnten ihn Einsatzkräfte der Polizei festnehmen. Sprengsätze und Waffen hatte er nicht bei sich.

Weitere Tat: Drohung bei Nato-Übung

Bereits am 10. April 2024 ist der Angeklagte, der den Prozess in Handschellen verfolgen muss, mit einem gestohlenen Traktor zu einem Flugplatz nach Stendal in Sachsen-Anhalt gefahren und hat dort während einer Nato-Übung mit der Detonation einer Sprengstoffweste gedroht. Nach einer mehrstündigen Verfolgungsfahrt hat der Mann schließlich in einem Rettungswagen einen Polizeibeamten mit einer Schere angegriffen. Später in einem Waldstück drohte er, sich in die Luft zu sprengen.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Richter beschreibt schwierige Kindheit des Angeklagten

Der Vorsitzende Richter beschrieb in seiner Urteilsbegründung auch die schwierige Kindheit des Angeklagten, der immer wieder in Heimen, bei Pflegeeltern und in psychiatrischen Einrichtungen gewesen sei. Seit April 2024 sei er ohne festen Wohnsitz in Hamburg gewesen. Noch am Tag vor der Verfolgungsfahrt habe ihn seine Mutter, zu der seit seiner Kindheit kein gutes Verhältnis habe, vor die Tür gesetzt. 

Wegen einer "erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten habe man die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschlossen, zusätzlich zur Haftstrafe, sagte der Richter. Eine Therapie sei notwendig. "Wir glauben, dass das der richtige Weg ist für sie und dass sie das schaffen, wenn sie mitmachen." Denn es bestehe die Gefahr, dass solche Straftaten immer wieder passieren.

Brief des Angeklagten ans Gericht

Der Angeklagte hatte dem Gericht noch einen Brief geschrieben, der kurz vor der Urteilsbegründung verlesen wurde. Er habe sich vorgenommen, sein Leben in die Hand zu nehmen, schrieb er. Er möchte demnach gerne den ersten Schritt in der Justizvollzugsanstalt machen.

Mit dem Urteil blieb das Gericht leicht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Unterbringung in der Psychiatrie und eine Sperre für eine mögliche Fahrerlaubnis von drei Jahren gefordert hatte. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah in dem Brief "manipulatives Verhalten" des Angeklagten. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Angeklagten kündigte gleich nach dem Urteil auf dpa-Anfrage an, in Berufung zu gehen. Dabei gehe es um die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.

dpa