Es war ein Schock für Stadtallendorf, der in ganz Hessen Mitgefühl auslöste: Ein verheerendes Feuer zerstörte vor einem Jahr die fast neue Feuerwache der Stadt im Landkreis Marburg-Biedenkopf und richtete einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe an. Das Ereignis löste eine Welle der Solidarität unter den Feuerwehren im Bundesland, aber auch eine Debatte um Schutzmaßnahmen für solch kritische Infrastrukturen aus. Was hat sich seither getan?
Nach Angaben des hessischen Innenministeriums haben nach dem folgenschweren Ereignis viele Wehren im Bundesland in Sachen Brandschutz aufgerüstet. So seien bei zahlreichen Wehren vernetzte Rauchmeldeanlagen installiert worden, die im Brandfall einen SMS-Alarm an die Wehrführung oder die Leitstelle übermittelten, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. "Dies kann im Bedarfsfall eine sinnvolle Alternative zur Installation einer kostenintensiven Brandmeldeanlage sein."
22 Millionen Euro Schaden
In der Stadt im Landkreis Marburg-Biedenkopf waren durch das Feuer am frühen Morgen des 16. Oktober vergangenen Jahres unter anderem die Gerätehalle sowie sämtliche Einsatzfahrzeuge der noch fast neuen Feuerwache vernichtet worden. Die Stadt hatte den Schaden auf rund 22 Millionen Euro geschätzt. Verletzt wurde niemand. Nach Polizeiangaben war der Brand an einem Einsatzfahrzeug ausgebrochen, in dessen Bereich sich Lithium-Ionen-Akkus und ein externer Stromanschluss befanden. Als Brandursache gilt ein technischer Defekt.
Bald wieder aus eigenen Kräften voll einsatzfähig
In Stadtallendorf zieht Stadtbrandinspektor Patrick Schulz trotz der aufwühlenden Ereignisse und des enormen Aufwands, der in Wiederaufbau und -beschaffung von Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen gesteckt werden musste, eine positive Bilanz. Zum Jahresende werde die eigene Flotte mit zehn Fahrzeugen dank tatkräftiger Unterstützung auch von Landkreis und Land sowie von Herstellern wieder komplett und die Stadtallendorfer Wehr aus eigenen Kräften wieder einsatzfähig sein, sagt Schulz. Das sei auch deshalb wichtig, weil die freiwillige Feuerwehr der mittelhessischen Stadt ein besondere ist: Als Industrie- und Bundeswehrstandort mit einer nahen Autobahn und ausgedehnten Wald- und Vegetationsflächen habe die Feuerwehr hier viele Aufgaben.
Brand hat Zusammenhalt gestärkt
Die Moral der ehrenamtlichen Einsatzkräfte sei ungebrochen - Schulz sieht sie sogar gestärkt: Bei einigen zeitweise weniger aktiven Mitgliedern habe das Feuer eine Art "Hallo-wach"-Effekt gehabt, sie seien seither wieder voll bei der Sache. Der Wiederaufbau der Feuerwache und der Umzug dorthin soll mit dem ersten Quartal kommenden Jahres abgeschlossen werden. Federführend hier ist die Stadtverwaltung mit Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi (SPD) an der Spitze.

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Feuerwehrverband: Aus Erfahrungen gelernt
Der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Hessen, Norbert Fischer, bezeichnete den Brand in Stadtallendorf als "einschneidendes Ereignis, das uns alle tief getroffen hat". Er habe auch vor Augen geführt, wie verletzlich die Feuerwehrinfrastruktur sein könne und zugleich, dass sich die Feuerwehrfamilie durch Solidarität und gegenseitige Unterstützung auszeichne - "ein eindrucksvolles Zeichen gelebter Kameradschaft", so Fischer.
Aus diesem und ähnlichen Ereignissen bei anderen Feuerwehrhäusern habe man gelernt. Landesweit seien Maßnahmen ergriffen worden, um die Sicherheit zu erhöhen und Risiken frühzeitig zu erkennen. "So rüsten viele Feuerwehren ihre Einsatzfahrzeuge inzwischen mit Rauchwarnmeldern aus, um mögliche Entstehungsbrände im Fahrzeuginnenraum frühzeitig zu detektieren." Das sei wichtig, da herkömmliche Brandmeldeanlagen oder Rauchmelder in Gerätehäusern häufig erst anschlagen, wenn sich der Rauch bereits ausgebreitet habe. "Diese technischen Verbesserungen sind entscheidend, um Schäden zu minimieren und die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren zu sichern", so Fischer.
Freiwillige Feuerwehren rüsten nach
Rauchmelder in Fahrzeugen - das gibt es mittlerweile etwa bei den Freiwilligen Feuerwehren Alsfeld, Witzenhausen und Bensheim. Die Geräte schicken im Ernstfall Nachrichten auf die Handys der Feuerwehrleute. Dafür musste in Witzenhausen erst einmal W-LAN in den Feuerwehrhäusern eingerichtet werden, wie der örtliche Stadtbrandinspektor Claus Demandt sagt.
In Alsfeld wurde bereits 2017 ein neues Feuerwehrhaus eingeweiht, das eine Brandmeldeanlage hat sowie Rauchwarnmelder in den Fahrzeugen. Nach dem Brand in Stadtallendorf seien die Anlagen und Maßnahmen kritisch überprüft und "noch mal eine kleine Sicherheitsschippe draufgelegt" worden, sagt Kevin Planz, stellvertretender Stadtbrandinspektor von Alsfeld. Dazu gehöre auch, dass die Fahrzeuge nun mit mehr Abstand geparkt werden, damit im Brandfall Flammen nicht so schnell übergreifen können.
Bei der Freiwilligen Feuerwehr Bensheim wurde schon vor dem Brand in Stadtallendorf damit begonnen, eine Brandmeldeanlage im Feuerwehrhaus einzubauen. In Gießen haben nach Angaben einer Stadtsprecherin alle Gerätehäuser der Freiwilligen Feuerwehr in den Ortsteilen ein System aus funkvernetzten Rauchmeldern erhalten. Wenn sie Rauch erkennen, löst das System einen Alarm vor Ort sowie eine Meldung an die ständig besetzte Einsatzzentrale der Berufsfeuerwehr und gegebenenfalls zusätzlich an eine verantwortliche Person der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr aus.
Brandmeldeanlagen bei Berufsfeuerwehren
Bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt sind die Räumlichkeiten bereits größtenteils mit Brandmeldeanlagen ausgestattet. Wo sie noch fehlt, soll sie in den kommenden Jahren nachgerüstet werden, wie es dort heißt. Auch in Kassel und in Gießen verfügen die Berufsfeuerwehren in ihren Wachen über Brandmeldeanlagen, wie die Pressestellen der Städte erklärten.