Das Uran-Erbe der DDR Altlastenflächen verkauft - Wismut-Gemeinden in Sorge

Besonders im Erzgebirge und Vogtland entstanden durch den Uran-Bergbau zahlreiche Bergwerke, Aufbereitungsanlagen, Halden und ko
Besonders im Erzgebirge und Vogtland entstanden durch den Uran-Bergbau zahlreiche Bergwerke, Aufbereitungsanlagen, Halden und kontaminierte Flächen. Foto
© Martin Schutt/dpa
Der Verkauf zweier Uran-Altlastenflächen in Ostthüringen an Privateigner lässt alte Sorgen neu aufflammen. In den Rathäusern fürchtet man, irgendwann auf der Verantwortung sitzenzubleiben.

Ostthüringens Wismut-Gemeinden sitzen auf einer "giftigen Praline". So formuliert es Katrin Dix, die Chefin der Verwaltungsgemeinschaft Ländereck, zu der sich zehn Kommunen im früheren Uran-Bergbaugebiet zusammengeschlossen haben. 

Mit der "giftigen Praline" ist eine der größten Uran-Altlastenflächen Thüringens gemeint, die sogenannte industrielle Absetzanlage Trünzig, gelegen unmittelbar an der sächsischen Grenze und an dem gleichnamigen Dorf in Thüringens Nachbarbundesland. In die ehemalige Halde wurden viele Jahre lang die Rückstände aus der Uranerz-Aufbereitung hineingepumpt. Nach der Wende sanierte die Wismut GmbH sie aufwendig und versiegelte sie. Doch das Auffangen und Aufbereiten von unvermeidlichem Sickerwasser, das aus der Ex-Deponie austritt, wird auch künftig nötig sein. 

Auktion gegen den Willen der Thüringer Behörden

Ob das zuverlässig geschieht und wer dafür zahlen muss, das sind Fragen, die sich die anliegenden Kommunen stellen. Hinzu kommen Sorgen um benachbarte Uran-Altstandorte, deren Gefahrenpotenzial aus Sicht der Kommunen nicht abschließend geklärt ist. Die Gemeinden fürchten, dass diese Ewigkeitsaufgabe, wie die nötigen Uran-Folgearbeiten oft genannt werden, möglicherweise irgendwann an ihnen hängen bleiben könnte. Hintergrund ist der Verkauf zweier Altlasten-Grundstücke vor Ort an Privateigentümer. 

Verantwortlich dafür ist die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in Berlin, die im Auftrag des Bundesfinanzministeriums handelt. Dort hält man die Sorgen für unbegründet: "Eine Veräußerung von Flächen hat keinen Einfluss auf die ordnungsrechtlichen Bedingungen für die Gefahrenabwehr und Gefahrenprävention", heißt es auf Anfrage. Über Rechte und Pflichten seien die Käufer bereits bei der Auktion aufgeklärt worden. Die zuständigen Thüringer Behörden seien zudem mit im Boot gewesen und vorab konsultiert worden. 

Dem allerdings widerspricht das Thüringer Landesamt für Bergbau, Umwelt und Naturschutz vehement. Man sei nicht nur nicht informiert gewesen, sondern habe sogar versucht, den Verkauf zu verhindern - erfolglos. Es sei unstrittig, dass die betroffenen Flächen radioaktiv kontaminiert seien. 

Die Frage ist, wie stark genau: Das sollen Untersuchungen vor Ort nun klären. Denn bei einer der verkauften Flächen handelt es sich um eine sogenannte Verdachtsfläche unmittelbar in Nachbarschaft zur sanierten Deponie. Dort hatte zwar Uran-Bergbau stattgefunden - allerdings war dieser schon vor dem Ende der DDR beendet und nach damaligen Standards saniert worden. Hier war die Wismut GmbH nie an einer Sanierung beteiligt. 

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Nebeneinander von saniertem und unsaniertem Uran-Erbe

Allein das ist in Thüringen seit Jahren ein Grund für Kritik durch Umweltverbände und die Wismut-Gemeinden. Unter Verweis auf die ursprünglich veranschlagten Bundesmittel für die Sanierungsaufgaben sagt Verwaltungschefin Katrin Dix: "Ich muss nicht 13 Milliarden D-Mark für eine Sanierung ausgeben, damit das Wasser im Bach wieder sauber wird, wenn daneben eine Halde liegt, die nicht saniert wird und das Wasser sickert weiter."

Der Flächenverkauf an der Landesgrenze weckt unschöne Erinnerungen an die nur wenige Kilometer entfernte Gauern-Halde. Die in dem gleichnamigen Dorf gelegene Halde im Kreis Greiz war auf gleiche Weise an Privateigner verkauft worden. 

Dann hatten Messungen den Austritt bedenklich radioaktiven Wassers ergeben. Seitdem streiten sich Land und Wismut deshalb nun vor Gericht um die Frage, wer für eine nötige Sanierung die Verantwortung tragen muss. Das Land hält die Wismut GmbH für den verantwortlichen Nachfolger des ursprünglichen Verursachers, den während der DDR-Jahre viertgrößten Uranproduzenten der Welt, die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut. 

Beim heutigen Bundesunternehmen Wismut GmbH verweist man auf das Nachbarland Sachsen. Denn dort haben Land und Bund im Zuge eines Verwaltungsabkommens vereinbart, auch die Uran-Altstandorte aus DDR-Zeiten durch die Wismut GmbH sanieren zu lassen und die Kosten gemeinsam zu tragen. 

In Thüringen kam eine solche Lösung nie zustande: Ein 1999 geschlossener Altlastenvertrag zwischen Freistaat und Bund berücksichtigte die Uran-Altstandorte nicht. Im Ergebnis gibt es bis heute 82 solcher sogenannten Verdachtsflächen, die nicht nach neuesten Standards saniert worden sind. 51 von ihnen wurden laut Landesamt für Bergbau, Umwelt und Naturschutz bislang nachuntersucht. Bis auf die nun umstrittene Gauern-Halde wurden sie als unbedenklich eingestuft. 

Thüringen und Wismut streiten vor Gericht um Verantwortung

Dass ein solches Szenario nun auch an der Trünzig-Halde drohen könnte, fürchtet Verwaltungschefin Katrin Dix. Was genau mit der Fläche geplant ist, ist nach dpa-Informationen noch unklar. Je nach Nutzungsszenario sei eine Einstufung einzelner Flächen als radioaktive Altlast nach dem Strahlenschutzgesetz möglich, erklärt das Landesamt. Die anliegenden Kommunen fragen sich, was geschieht, wenn der neue Eigentümer irgendwann insolvent ist. "Wir können nicht sagen, es geht uns nichts an, bei uns liegt es ja vor der Tür, wir müssen ja damit umgehen", so Verwaltungs-Chefin Dix. 

Die Wismut GmbH erklärt auf Anfrage, mit dem neuen Eigentümer der verkauften Fläche im Gespräch zu sein, um Fragen wie eine Zugangserlaubnis zum Grundstück zu klären. Weitere Versteigerungen von Uran-Altstandorten drohen laut den Bundes-Immobilienverwaltern nicht: Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH hat keine weiteren derartigen Flächen in Thüringen im Eigentum, heißt es auf dpa-Anfrage.

dpa

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