Eine ertragreiche Obstsaison geht ins Finale. Das lenkt den Blick auch auf die Äpfel- und Birnbäume an Straßen, auf Wiesen oder in Parks, die derzeit in voller Pracht stehen. In Thüringens Städten dürfen Äpfel, Birnen und andere Früchte von kommunalen Obstbäumen geerntet werden. Wie genau, wird dabei aber unterschiedlich gehandhabt. Das ist das Ergebnis einer dpa-Umfrage. Demnach ist es in den befragten Städten mindestens geduldet und teils sogar ausdrücklich erwünscht, die Obstbäume im kommunalen Besitz zu ernten. Eine Erlaubnis braucht es dafür in der Regel nicht. Eine Rückfrage empfehlen die meisten Kommunen aber im Zweifel, um auszuschließen, dass es sich um privat gepachtete Flächen oder geschützte Gebiete mit Betretungsbeschränkungen handelt.
Die genaue Anzahl öffentlich zugänglicher Bäume ist dabei nicht immer bekannt. Rund 3.000 sind es etwa in Mühlhausen, 2.500 sind es in Weimar, 700 in Gotha und 1.120 in Gera - die meisten davon Äpfel und Birnen, aber auch Pflaumen, Kirschen und verschiedene Nusssorten. Die Bäume finden sich an Straßen, in Parks, auf städtischen Grundstücken aber auch auf eigens angelegten Streuobstwiesen. 13 davon gibt es etwa in Gotha. Auch Weimar und Ilmenau haben Streuobstwiesen angelegt. Nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch als "als Refugium für Insekten und Kleinsäuger", teilt die Stadt Ilmenau mit. "Sie werden deshalb nur einmal im Jahr gemäht - kurz vor der Obstreife".
Zwischen Gemeingut und Privatbesitz
Weimar warnt jedoch davor, pauschal von jedem Baum pflücken zu wollen, der sich im Stadtgebiet befindet. Manche Flächen seien in Privatbesitz und dürften nur mit dem Einverständnis der Eigentümer abgeerntet werden. So ist das auch im Umfeld des Guts Sambach bei Mühlhausen, das die Flächen gepachtet hat und die Ernte zu Produkten für den eigenen Hofladen verarbeitet. Hinzu kommen Naturschutzgebiete und geschützte Landschaften, für die es Betretungsbeschränkungen gibt.
Eine explizite Erlaubnis braucht es allerdings in der Regel nicht, um kommunales Obst zu ernten. Die Bandbreite reicht von einer Duldung der erntenden Bürger in Jena bis hin zum ausdrücklichen Wunsch, dass die Bäume von ihrer Last befreit werden sollen etwa in Gotha. Alle Städte verweisen aber darauf, dass die Bäume dabei pfleglich behandelt und nicht beschädigt werden sollten. Aus Gera heißt es dabei im Gegensatz zu anderen Städten sogar, dass es für Erntewillige keinerlei vorgeschriebene Höchstmengen gibt.
Von gelben Bändern und digitalen Karten
Grit Tetzel, Geschäftsführerin der Grünen Liga Thüringen, empfiehlt aber dennoch die Rücksprache: "Wenn man nicht nur für den Eigenbedarf, sondern ich sag mal fast gewerbliche Mengen aufernten will, dann sollte man das auf jeden Fall anzeigen und zur Gemeinde gehen."
Jeden Zweifel beseitigen will die Ernteaktion "Gelbes Band" der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Dabei werden Bäume, die abgeerntet werden dürfen, entsprechend mit einem gelben Band gekennzeichnet. Zusätzliche Infotafeln weisen auf Verhaltensregeln hin. Die Aktion nahm ihren Anfang 2020 im baden-württembergischen Esslingen und fand seitdem viele Nachahmer. Thüringens Städten ist sie aber weitgehend unbekannt.

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Einzig Gera will die städtischen Obstbäume im kommenden Jahr im Rahmen eines Projekts mit Teilnehmern des Freiwilligen Ökologischen Jahres ausweisen. Aus den meisten anderen Städten heißt es, der Aufwand sei schlicht zu hoch. Die Stadt Nordhausen befürchtet gar Vandalismus aufgrund der Schilder, die über Verhaltensregeln zur Ernte informieren sollen. Stattdessen setze man auf das Online-Portal "mundraub.org", auf dem Nutzer frei zugängliche Obstbäume auf einer digitalen Karte markieren können. Denkbar sei demnach, das Portal künftig auf der Internet-Präsenz der Stadt einzubinden.
Dass sich insbesondere die Suche nach Apfelbäumen derzeit lohnt, zeigen auch die Zahlen des Thüringer Landesamtes für Statistik: Demnach schätzen die Thüringer Obstbauern den Ertrag bei Äpfeln mit 30 Tonnen je Hektar um rund ein Drittel höher ein als im langjährigen Vergleich (Jahre 2019 bis 2024). Nichts davon haben allerdings Obstfreunde in Suhl. Denn die Stadt besitzt nach eigener Aussage keinerlei Obstbäume.