Thüringen will in den kommenden beiden Jahren wieder mehr investieren – und nimmt dafür beträchtliche Schulden in Kauf. Finanzministerin Katja Wolf verteidigte diesen Kurs bei der Vorlage des Doppelhaushalts für die Jahre 2026/27 im Landtag in Erfurt. "Wir wollen umsteuern", sagte die BSW-Politikerin und verglich den Haushalt mit einem Tanker. Die Schuldenaufnahme ermögliche es dem Land, in den kommenden beiden Jahren jeweils mehr als zwei Milliarden Euro zu investieren. "Dem Kind, das vor der geschlossenen Turnhalle steht, nützt eine niedrige Pro-Kopf-Verschuldung gar nichts", sagte die Ministerin.
Der Etatentwurf sieht im kommenden Jahr Ausgaben von knapp 14,7 Milliarden Euro und neue Schulden von fast 867 Millionen Euro vor. 2027 hat der Etat ein Volumen von rund 15,0 Milliarden Euro und die Schuldenaufnahme beläuft sich auf knapp 552 Millionen Euro. Das sind die höchsten Ausgaben in Thüringen bisher. Erstmals seit der Corona-Pandemie muss das Land erhebliche Kredite aufnehmen, um den Doppeletat zu finanzieren. In diesem Jahr liegen die Landesausgaben bei knapp 14,0 Milliarden Euro.
AfD-Chef Höcke will klagen
Die Oppositionsfraktionen AfD und Linke kritisierten das Zahlenwerk und verlangten Kurskorrekturen. AfD-Fraktionschef Björn Höcke kündigte eine Klage seiner Fraktion an, weil das Land die Rückzahlung von Krediten aus der Corona-Zeit auch in den kommenden Jahren aussetzen wolle. Die Rückzahlung solcher Notfallkredite müsse Vorrang haben, so Höcke. Die AfD wolle dies juristisch klären lassen. Der Tilgungszeitraum für die Kredite, die das Land in der Corona-Zeit aufgenommen hatte, war im vergangenen Jahr zeitlich gestreckt worden.
Wolf sagte, sie sehe einer rechtlichen Überprüfung zuversichtlich entgegen. "An diesem Haushalt hat nichts auch nur den Hauch eines Schattens", sagte sie. Alle Zahlen seien nachvollziehbar und transparent. Der Etat wird in den nächsten Wochen weiter im Haushaltsausschuss des Landtags beraten.
Koalition verteidigt Rekordausgaben
"Ja, wir nehmen Kredite auf, das liegt nicht am mangelnden Sparwillen", sagte Wolf. Es gehe um Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Die Ministerin sprach von einem Investitionshaushalt. Pro Einwohner würden im kommenden Jahr 1.350 Euro investiert – nach bisher 983 Euro, ein Plus von 40 Prozent. Die Regierung erwarte sich davon steigende Steuereinnahmen und einen Wachstumsimpuls für die Wirtschaft. Dazu solle auch das bisher größte kreditfinanzierte Investitionsprogramm für die Kommunen beitragen. Sie können jährlich Darlehen in Höhe von 250 Millionen Euro bei der Thüringer Aufbaubank aufnehmen - Zins und Tilgung trage das Land.
Unterstützung für die Haushaltspolitik kam von den Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsfraktionen CDU, BSW und SPD. Sie betonten die deutliche Zunahme der Investitionen. Letztlich werde Zeit gekauft, sagte CDU-Fraktionschef Andreas Bühl. "Es ist teure Zeit", räumte er ein. Die kommenden Jahre müssten genutzt werden, "um Thüringen aus seiner strukturellen Schwäche zu bringen".

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Pattsituation im Landtag
Nach der Oppositions-Kritik wird es für die Koalition aus CDU, BSW und SPD schwierig, eine Landtagsmehrheit für den Doppeletat zu organisieren. Die Linke halte den Etatentwurf in der vorliegenden Form für nicht zustimmungsfähig, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Christian Schaft. Der Linken kann angesichts der Patt-Situation im Landtag zwischen Koalition und Opposition eine Schlüsselrolle zukommen.
Kreditfinanzierte Investitionen könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Kultur, Sozialausgaben oder bei Bildung gespart werde, monierte Schaft. Mit der hohen Neuverschuldung reiße die Regierungskoalition die in zehn Jahren aufgebaute finanzielle Stabilität des Landes ein und verbrauche alle Rücklagen des Landes. "Wir können dem so nicht zustimmen."
Ramelow eine schwäbische Hausfrau?
Höcke warf der Regierungskoalition vor, mit den geplanten Rekordausgaben Geld aus dem Fenster zu werfen. Im Vergleich zu dem, was die Regierung von CDU-Ministerpräsident Mario Voigt dem Landtag vorlege, könnte die Haushaltspolitik seines Vorgängers Bodo Ramelow (Linke) als die einer "schwäbischen Hausfrau bezeichnet werden", so Höcke.
Die Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD verfügt nur über 44 Stimmen, die beiden Oppositionsfraktionen Linke und AfD ebenfalls. Eine Zusammenarbeit mit der vom Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD schließt die Regierungskoalition aus.