Aussagen von Greta Thunberg Französischer Aktivist von Fridays for Future: "Wir haben entschieden, uns nicht öffentlich zu distanzieren"

Pablo Flye, Sprecher von Fridays for Future Frankreich, erklärt, wieso seine Organisation schweigt.
Pablo Flye, Sprecher von Fridays for Future Frankreich, erklärt, wieso seine Organisation schweigt.
© Pierre Larrieu/ / Picture Alliance
Fridays for Future Deutschland hat sich klar von den propalästinensischen Aussagen von Greta Thunberg abgegrenzt, ist damit jedoch weitgehend allein geblieben. Pablo Flye, Sprecher von Fridays for Future Frankreich, erklärt, wieso seine Organisation schweigt und wie man dort auf die Diskussion blickt. 

In der deutschen Gruppe von Fridays for Future hat Greta Thunberg mit ihrer Stellungnahme für die Palästinenser in Gaza eine große Diskussion ausgelöst. Wie ist das in Frankreich abgelaufen? Distanziert Ihr Euch von Gretas Äußerungen? 
Wir haben entschieden, dass wir uns nicht öffentlich von Greta Thunberg distanzieren und auch nicht von Fridays For Future International. Aber wir wollten auf die Diskussion reagieren, indem wir eine eigene Position formulieren.  

Wie ist die? 
Der Kampf gegen die Erderwärmung und gegen die Zerstörung des Lebens beinhaltet eine pazifistische Grundeinstellung. Darum sind wir für den Waffenstillstand von allen Seiten. Die Gewalt, die wir gesehen haben und immer noch sehen, darf durch nichts legitimiert werden. Durch keine politische Sache und von keiner Seite. Gleichzeitig ist es uns wichtig, in diesem Kontext daran zu erinnern, dass jede Form von Antisemitismus und Islamophobie inakzeptabel ist. Die aktuelle Situation darf nicht ausgenutzt werden, solche Aussagen zu verbreiten und alles miteinander zu vermischen. Denn genau das erleben wir in Frankreich. Wir wollen uns nicht in eine Debatte hineinziehen lassen, in der man sich für ein "Lager" entscheidet. Die Realität ist komplexer als das. 

Heißt das: Ihr distanziert Euch zwar nicht, aber Ihr seid anderer Meinung? 
Unsere Meinung ist, dass wir als Klimabewegung nicht dazu berufen sind, über Fragen wie Kolonialisierung und geopolitische Entwicklungen zu urteilen. Genau das hat Fridays For Future International gemacht, indem sie sich für die Ent-Kolonialisierung Palästinas aussprechen und Israel als Kolonisator bezeichnen. Wir haben entschieden, auf dieses Thema nicht einzugehen. Als Klimabewegung sollten wir uns darauf konzentrieren, unser Anliegen in der Öffentlichkeit zu halten und nicht zulassen, dass die Auseinandersetzung um Gretas Positionierung irreparable Schäden hinterlässt.   

Wie denkt Ihr über Gretas Äußerungen? 
Wenn sie eine propalästinensische Position einnimmt, ist das ihre Entscheidung. Aber man muss auch verstehen, dass sie nicht im Namen der gesamten Bewegung spricht. Sie hat eine Position bezogen, die viele Leute teilen, und das ist ihr gutes Recht. Aber vielleicht wäre es angenehmer gewesen, wenn sie das als Privatperson gemacht hätte. 

Arbeitet Ihr eng mit Fridays For Future in Deutschland zusammen? 
Ja, es gibt viele persönliche Verbindungen. Wir werden gemeinsam auch im Hinblick auf die Europawahlen zusammenarbeiten. Und natürlich sprechen wir über die aktuelle Situation. Wir sagen vielleicht etwas klarer als die Gruppe in Deutschland, dass Israel sein Recht auf Verteidigung nicht missbrauchen darf. Die politischen Entscheidungen Netanjahus und der extrem Rechten in Israel sind fragwürdig. Netanjahus Politik repräsentiert keineswegs "alle Juden", auch da sind Nuancierungen wichtig.  

Befürchtet Ihr, dass die Bewegung nun am Ende ist?  
Wir haben schon mal eine ähnliche Situation erlebt im Jahr 2021. Da hatten wir enorme Debatten über die israelisch-palästinensische Frage. Wir haben das überwunden, weil wir beschlossen haben, dass es wichtiger ist, gemeinsam die Ziele der Klimabewegung weiterzuverfolgen. Das werden wir auch jetzt machen.