Krieg statt Klima Fridays for ... Palestine? Wenn der Musterschüler der Klimabewegung mit Extremisten flirtet

Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg
Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg spricht auf einer Kundgebung in Amsterdam – mit Palästinenserschal
© Charles M. Vella / Imago Images
Neben der Letzten Generation oder Extinction Rebellion wirkte Fridays for Future wie ein Musterschüler: nicht zu aufmüpfig, immer zielstrebig und im Vergleich mit dem besten Ergebnis. Bis jetzt.

Da steht sie auf der Bühne, graue Jacke, schwarz-weiß gemusterter Schal, und spricht. Allerdings nicht übers Klima und verfehlte Klimapolitik, sondern über Solidarität mit Palästina – bis einem Zuhörer der Kragen platzt. Denkwürdig sind die Bilder der bisher größten Klimakundgebung der Niederlande. Nur, dass es nicht ums Klima, sondern um Krieg ging. Bemerkenswert ist das aus mehreren Gründen. Einer davon: Fridays for Future und Co. werfen Politik und Medien wiederholt vor, Kriege würden das Klimaproblem von der Agenda schubsen.

Viel diskutiert wird gerade aber ein ganz anderes Problem: die Art, wie Thunberg über den Krieg zwischen Israel und der militanten Hamas im Gazastreifen spricht. Nach dem blutigen Überfall am 7. Oktober schwieg die Klimaaktivistin zunächst, ehe sie sich zusammen mit dem X-Account (vormals Twitter) des internationalen Dachverbandes von Fridays for Future in pro-palästinensischen Statements verlor, mit teils antisemitischen Tendenzen. Eher halbherzig fühlte sich Thunberg zwischendurch und eher nebenbei dazu bemüßigt, die Hamas kurz zu kritisieren.

Das Massaker im Süden Israels mit aller Deutlichkeit zu verurteilen, das übernahm der deutsche Ableger der Klimagruppe, der sich auch gleich vom internationalen Dachverband distanzierte. Zuspruch von Thunberg? Fehlanzeige. Stattdessen festigte sie ihre Position auf Kundgebungen, während der internationale FFF-Account auf der Online-Plattform X ordentlich Stimmung machte und mit teils extremen Posts gegen Israel austeilte – ohne die andere Konfliktpartei auch nur zu erwähnen.

Da drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Woher rührt die teils extremistische Trendwende? Und: Wird Fridays for Futures zum Einfallstor für Menschen mit extremen Ansichten? Im Netz mutmaßen Nutzer, dass die sehr wohl medien- und öffentlichkeitsaffine Thunberg mit ihren drastischen Aussagen nur nach Aufmerksam giere. Nur: Würde sie auch soweit gehen, dafür mit der Beliebtheit in Gesellschaft und Anhängerschaft zu bezahlen?

Wie sich Linksextremisten bei Fridays for Future einschleusen wollen

Das Ziel der Fridays-for-Future-Bewegung war es bisher zumindest nicht, die Menschen zu vergraulen. Dafür waren andere zuständig, etwa die Letzte Generation, die vor allem im letzten Jahr und Anfang 2023 viel Kritik auf sich zog. Während die Gruppe Kunstwerke besudelte, Gebäude beschmierte und den Verkehr aufhielt, beschränkten die Fridays for Futures ihre Vergehen auf anfangs kritisiertes, dann aber eher wohlwollend hingenommenes Schulschwänzen. Und so scharte die Gruppe nicht nur Schüler, sondern auch Eltern (Parents for Future), Großeltern (Omas for Future) und, ja, auch Lehrer (Teachers for Future) um sich.

Doch nun hausiert ein Teil der Bewegung mit Parolen wie "From the River to the Sea", die Israel die Existenz absprechen; sehr zum Schrecken einiger Klimaaktivisten. Für Verfassungsschützer dürfte das allerdings kaum überraschend daherkommen. Im Verfassungsschutzbericht aus dem vergangenen Jahr wird einerseits das "jugendliche Alter der Protestierenden" als Grund genannt. Wer noch jung ist, lässt sich demnach wohl schneller beeinflussen – und Linksextremisten wissen das für sich zu nutzen.

So hat die Interventionistische Linke (IL) FFF Hilfe bei der Organisation von Veranstaltungen angeboten und gemeinsam mit der Gruppe für eine Klimademonstration auf einer Pressekonferenz geworben. Bei einer Veranstaltung soll die IL laut Verfassungsschutzexperten auch Mitveranstalterin und Anmelderin gewesen sein. Daneben hat sich FFF auch mit der Gruppe Ende Gelände (EG) vernetzt, die nach Angaben der IL auch von den Linksextremisten gegründet wurde.

Vom Verfassungsschutz wird die IL als linksextremistisch eingestuft und beobachtet – für FFF gilt das aber nicht. Ein steuernder Einfluss sei bisher nicht festgestellt worden. Aber: "Wie ernst die noch junge Klimaschutzbewegung und vor allem ihr Aushängeschild FFF künftig genommen werden können, hängt deshalb auch davon ab, wie erfolgreich sich ihre Protagonisten von der linksextremistischen Szene abgrenzen", schreibt Verfassungsschützer und Extremismusforscher Udo Baron in einem Papier.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nach Ansicht der Aktivisten ist das eine klare Sache. 2019 sagte einer von ihnen in einem Interview mit der linken Zeitung "Junge Welt": "Wir lassen uns nicht vereinnahmen." Heute fragt sich, ob die Gruppe dem abgeschworen hat.

Verstimmung bei FFF: einer gegen alle

Dass es derzeit nicht nach Gelingen aussieht, liegt aber nicht an herkömmlichen Linken, die auf Krawall gebürstet danach trachten, das kapitalistische System zu stürzen. Nach Recherchen mehrerer deutscher Medien handelt es sich in erster Linie um ein einzelnes Mitglied, das mit einer "toxischen" und "gewalttätigen" Art Mitglieder teils einschüchtert, verschreckt und pro-palästinensische Posts nicht erst seit diesem Monat, sondern schon sehr viel länger auf X und Instagram durchdrückt. Zumindest legen das Chat-Nachrichten aus der FFF-Gruppe zum internationalen, aber inoffiziellen X-Account der Gruppe nahe.

Hasan Ö. nennt sich selbst auf X "antiimperialo", gilt Berichten zufolge als verhaltensauffällig und bedient Verschwörungstheorien unter anderem über einen angeblichen israelischen Genozid im Gazastreifen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, soll ein von FFF-International veröffentlichter Post auf X über die "Gehirnwäsche durch Medien" aus der Feder des Aktivisten stammen. Der Zeitung gegenüber räumte er sogar ein, den Post veröffentlicht zu haben, um dem deutschen FFF-Verband zu schaden. Hintergrund könnte der Rauswurf aus dem Mainzer Ortsverband sein. Hasan Ö. war dort Sprecher, ehe er unter anderem wegen Verharmlosung von Terrorismus gehen musste.

Seine neue Heimat: Die Gruppe für den X-Account von FFF. Der Berliner "Tagesspiegel" nannte ihn den "Aktivist(en), der die Hassposts durchgesetzte" und dem es nicht ums Klima, sondern um Israel-Feindlichkeit geht. Recherchen zufolge sollen sich Mitglieder wegen ihm aus der Gruppe zurückgezogen haben, viele, die geblieben sind, trauen sich aber nicht mehr zu Wort.

Aktivisten aus der Gruppe berichten von anarchistischen Zuständen, in denen das Wort des Lautesten gelte. Viele Gruppenmitglieder seien zudem Unbekannte, mit Pseudonym beigetreten, um die Stimmung anzuheizen. Hilfreich dabei sind auch die losen Strukturen bei FFF. Die Autorin Jo Freeman schrieb 1970 von der "Tyrannei der Strukturlosigkeit". In solchen Gruppen setzt sich durch, wer am beliebtesten ist, das größte persönliche Netzwerk mitbringt und am ehesten Aufmerksamkeit binden kann.

Verliert die Klimabewegung ihr Gesicht?

Doch auch in diesem Fall gilt das Wort des Verfassungsschützers: Will FFF weiter ernst genommen werden, muss sich die Gruppe von den extremistischen Parolen distanzieren. Luisa Neubauer und ihr Trupp haben zumindest für Deutschland vorgemacht, wie es geht. Kampagnen mit der internationalen Gruppe werden pausiert, derzeit laufen Überlegungen mit den Schwesterverbänden in Österreich und in der Schweiz, wie es ohne den Rest weitergehen könnte.

Doch der Schaden ist angerichtet. Wegen den Aussagen Thunbergs ist FFF in aller Munde – aber nicht im Zusammenhang mit dem Klima, sondern mit Gewalt. Dass jetzt ausgerechnet das Gesicht der Bewegung, Klima-Ikone Greta Thunberg, das Kernanliegen für den Krieg in Nahost opfert, wirkt obskur, wenn nicht sogar besorgniserregend. Zumal die Klimaaktivistin damit nicht nur die Bewegung selbst ins Wanken bringt, sondern auch das Thema Klimaschutz. Denn wenn nicht einmal mehr Thunberg das Wort für das Klima ergreift, wer tut es dann?

Quellen: Hanns Seidel Stiftung, Verfassungsschutzbericht 2022, "Die Kriminalpolizei", "Jüdische Allgemeine", "Süddeutsche Zeitung", "Tagesspiegel", X (ehemals Twitter), 

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