Ein neues, revolutionäres AIDS-Medikament könnte all jenen Hoffnung geben, die auf die herkömmlichen Wirkstoffe nicht mehr ansprechen. Das Medikament mit der Bezeichnung T-20 behindere als Fusionshemmer bereits das Eindringen des Erregers HIV in die Wirtszelle, die er zum Weiterleben brauche, teilten die Schweizer Roche Holding AG und ihr US-Partner Trimeris Inc . am Montag auf der AIDS-Konferenz in Barcelona mit. Alle bisher eingesetzten AIDS-Medikamente greifen den Erreger erst dann an, wenn er bereits in die menschliche Zelle eingedrungen ist.
Völlig neue Medikamenten-Klasse
Zudem arbeitet der Konzern GlaxoSmithKline Plc an einer völlig neuen Medikamenten-Klasse. Ihr Integrasehemmer GW810781 soll es einem HI-Virus erschweren, seine Gene in die einer Zelle zu schleusen.
Die bisherigen Medikamente behindern als Proteasehemmer die Vermehrung des HIV in der Wirtszelle durch Eingriffe in seine Erbmasse. Seit 1996 geschieht dies mit Dreier-Cocktails, der gleichzeitigen Gabe von drei der 16 verfügbaren Medikamente.
Resultate »unerwartet gut«
Die Ergebnisse zweier klinischer Studien zeigen, dass eine Kombination aus T-20 und Proteasehemmern bei doppelt so vielen Patienten das HIV-Niveau im Blut unter den messbaren Bereich senkt, als die herkömmlichen Medikamente dies allein schaffen. Dr. Bonaventura Clotet vom Hospital Germans Trias i Pujol in Barcelona nannte die Resultate unerwartet gut, zumal die Probanden eine starke Wirkstoffresistenz gehabt hätten.
In der Studie der Phase 1 waren bei 37 Prozent der Kombi- Patienten nach 24 Wochen keine AIDS-Erreger mehr nachweisbar, gegenüber 16 Prozent Erfolg mit der Einnahme herkömmlicher Mittel. In Phase 2 lag das Verhältnis bei 28 zu 14 Prozent.
Roche und Trimeris wollen die Zulassung von T-20 in diesem Halbjahr in den USA beantragen; und das Bundesamt für Nahrungs- und Arzneimittel (FDA) hat eine rasche Bearbeitung versprochen
Preis bislang unbekannt
Was das neue Mittel kosten soll, ist noch unbekannt. Nach Unternehmensangaben ist T-20 das komplizierteste Protein, das Roche jemals hergestellt hat: Zur Synthese seien 106 Produktionsschritte nötig. Darum werde T-20 teurer sein als die bisherigen AIDS-Medikamente.
Weil der Wirkstoff eine sehr langen Proteinkette ist, muss er injiziert werden, denn bei der Magen-Darm-Passage würde er aufgelöst werden, bevor er ins Blut gelangt. Das könnte den Einsatz begrenzen, was nach Ansicht von Fachleuten zur Folge haben könnte, dass der Jahresumsatz nur 300 bis 600 Millionen Dollar erreichen würde.
Erste Testergebnisse angekündigt
T-20 könnte bereits im ersten Quartal 2003 auf den Markt kommen. Ein Nachfolger unter der Bezeichnung T-1249 ist in der Frühphase der klinischen Erprobung. Mit der Marktreife des Medikamentes der dritten Generation, GW810781, ist etwa 2006 zu rechnen. GlaxoSmithKline hat für Dienstag die Vorlage der ersten Ergebnisse der Tests am Menschen angekündigt.