Frau Heeg, Ihre Operation liegt rund dreieinhalb Jahre zurück. Wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut. Ich muss mir kaum noch Sorgen machen, das genieße ich.
Haben Sie noch Beschwerden?
Manchmal ziepen die Narben am Po, wo das Gewebe für den Wiederaufbau der Brust entnommen wurde. Vor allem bei Wetterumschwüngen merke ich das. Ansonsten muss ich noch einmal im Jahr zur Krebsvorsorge. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass etwas gefunden wird. Die Operation hat eine große seelische Last von mir genommen.
Sie sind nicht die erste Frau, die sich wegen einer ererbten Genmutation vorsorglich die Brust operieren ließ. Aber die erste, die ein Buch darüber geschrieben hat.*
Ich möchte anderen, die vor dem gleichen Problem stehen, Mut machen. In Deutschland ist es ja noch ein Tabu, sich ohne akute Erkrankung die Brust abnehmen zu lassen. In den Niederlanden etwa ist es üblicher.
Brustkrebs und Gene
Die Mutter, zwei Tanten und eine Großtante starben früh an Brustkrebs, auch Evelyn Heegs Großmutter erkrankte. Sie selbst vermutete eine Genmutation und ließ sich deshalb im Alter von 27 Jahren testen. Ergebnis: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent würde sie ebenfalls Brustkrebs bekommen. Im September 2005 ließ die Realschullehrerin sich aus beiden Brüsten das Gewebe entfernen, es wurde durch körpereigenes Material aus dem Po ersetzt. In fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebs-Fälle spielt eine ererbte genetische Veränderung der Gene BRCA 1 und BRCA 2 eine erhebliche Rolle: Sie können ihre Funktion, Krebszellen auszuschalten, nicht hinreichend erfüllen. Frauen wie Männer sollten eine genetische Beratung in Anspruch nehmen,
• wenn es in der Familie Brustkrebs bei jungen Menschen gab oder gibt;
• oder wenn bei Krebsfällen in der Familie beide Brüste betroffen waren oder sind;
• oder wenn männliche Verwandte Brustkrebs hatten oder haben.
Mehr dazu finden Sie unter:
www.krebshilfe.de/ brustkrebszentren.html
Auch in Ihrer Familie war Brustkrebs ein Tabu, obwohl drei Frauen jung daran gestorben sind. Warum wurde nie darüber gesprochen?
Der frühe Tod meiner Mutter - sie war noch keine 40 - und meiner Tanten hat viel Leid verursacht. Vielleicht konnten wir nicht anders, als es zu verdrängen. Es hat auch mit unserem katholischen Glauben zu tun: Mit Gentest und Operation greifen wir in den Plan Gottes ein. Ich kann das mit mir vereinbaren, andere nicht. Bisher hat von meinen zwei Geschwistern und meinen elf Cousinen und Cousins noch niemand testen lassen, ob er die Mutation geerbt hat. Jeder hat das Recht, es nicht zu wissen. Aber ich selbst konnte irgendwann nicht mehr daran vorbeigehen, dass schon zwei Generationen vor mir betroffen waren. Ich möchte, dass es aufhört - deshalb habe ich mich operieren lassen.
Was war das Schwerste daran?
Am schlimmsten war nicht der Eingriff, sondern die monatelange Ungewissheit, während ich auf das Ergebnis des Gentests wartete. Die Prognose war dann kein Schock mehr, sondern eine Befreiung. Nun wusste ich, woran ich war.
Ihre Entscheidung für die OP stand dann schnell fest. Warum hatten Sie so wenig Zweifel?
Der Schritt erschien mir logisch. Ich wollte nicht jung sterben wie meine Mutter, ich wollte leben, und das Opfer war es mir wert. Meine Brüste waren für mich nicht heilig - sondern zwei tickende Zeitbomben, die entschärft werden mussten.
Hatten Sie keine Angst, für Ihren Mann nicht mehr attraktiv zu sein?
Nein, nie. Ich habe meinem Mann von Anfang an meine Familiengeschichte erzählt. Weiblichkeit hat für uns viele Dimensionen. Die weibliche Silhouette ist mir zwar wichtig, deshalb wäre eine komplette Amputation nicht infrage gekommen. Aber da die Brusthaut erhalten wurde, habe ich kein Problem.
Wie haben Freunde und Bekannte nach der OP reagiert?
Meist kam nur ein großes Schweigen. Ich hatte das Gefühl, vielen ist es zu krass, was ich da mache. Die bauen gerade Häuser und bekommen Kinder, und da komme ich mit Brustkrebs und Operation. Ich habe versucht, offen zu sein, aber das war nicht immer erwünscht. Ich habe Freunde verloren, dafür haben sich andere Kontakte intensiviert.
Wie ist es heute mit Sex?
Der hat sich verändert. Ich habe nur noch wenig Gefühl in der Brust, das ist manchmal traurig. Aber es gibt noch andere erogene Zonen. Ich denke, eine Brustoperation ist etwas, was eine Partnerschaft bewältigen kann.
Wie hoch ist Ihr Risiko für Brustkrebs noch?
Es bleibt trotz OP ein Risiko, weil ja noch Gewebereste da sind. Meine Ärzte sagen, in meinem Fall liege es bei bis zu einem Prozent - damit bin ich deutlich unter dem Durchschnitt. Allerdings weiß man, dass die Genmutation auch die Wahrscheinlichkeit von Eierstock-Krebs erhöht. Da muss ich mir mit 40 überlegen, ob ich sie entfernen lasse. Für andere Krebsarten kennt man das Risiko nicht.
Haben Sie Angst?
Manchmal. Aber ich habe alles getan, was ich konnte. Wenn ich einen anderen Krebs bekomme, soll es so sein.
Sie haben ein Risiko von 50 Prozent, die Mutation an Ihre Kinder weiterzugeben.
Derzeit möchte ich keine Kinder, sondern mein neues Leben genießen. In England ist es möglich, bei einer In-vitro-Befruchtung die Embryonen vor dem Einsetzen untersuchen zu lassen. Das finde ich beruhigend. Das Risiko, eine betroffene Tochter zu bekommen, will ich nicht eingehen.
Sie könnte denselben Weg gehen wie Sie.
Ich möchte ihr das nicht zumuten. Es ist ein harter Weg.
Wäre Ihre Mutter stolz auf Sie?
Ich lebe in dem Glauben, dass sie stolz wäre. Deshalb habe ich ihr und meiner Oma das Buch gewidmet. Meine Mutter hatte keine Chance, den Krebs zu verhindern. Ich hatte diese Chance. Dafür bin ich sehr dankbar.
* Evelyn Heeg: "Oben ohne. Die Entscheidung zu leben". Krüger Verlag, 14,95 Euro.