Augenerkrankungen Die 1000 Augen des Prof. Busse

Bei 37°C schlummern sie im Brutschrank: Hornhäute menschlicher Augen. 4000 werden jährlich transplantiert und retten den Betroffenen das Augenlicht, die Spenderbereitschaft ist jedoch gering. 1000 Augen Verstorbener hat die Augenklinik Münster gelagert.

Sie schlummern in kleinen Flaschen, aufbewahrt in einem Brutschrank bei 37 Grad Celsius: Hornhäute menschlicher Augen. Bestimmt ist das kostbare Gut aus der Hornhautbank der Universitäts-Augenklinik Münster für kranke Patienten. Doch es ist ein Guthaben, das nicht leicht aufgefüllt werden kann. "Insgesamt ist die Spendenbereitschaft in Deutschland eingeschränkt", sagt Prof. Solon Thanos (49). Dazu trügen auch die Medien bei: Nach Berichten über Organhandel sei "innerhalb von Wochen die Spendenbereitschaft weg".

Hornhäute sind die häufigste Transplantationsart in Deutschland

Hornhaut-Transplantationen seien mit rund 4 000 pro Jahr die häufigste Transplantationsart in Deutschland, sagt der Direktor der Augenklinik, Prof. Holger Busse (59). Weltweit gebe es jährlich 100 000 derartige Eingriffe. Zehn Hornhautbanken gibt es in Deutschland. Die Münsteraner Einrichtung arbeitet mit der Eurotransplant-Zentrale im niederländischen Leyden zusammen. Nach Thanos’ Angaben erhält Münster jährlich rund 1000 Augen gestorbener Menschen aus Leyden, davon seien 600 bis 700 transplantationsfähig. Die entnommenen Hornhäute werden europaweit verschickt.

Benötigt werden die Hornhäute für Menschen, die nach äußeren Verletzungen oder Erkrankungen Hornhauttrübungen des Auges haben. Diese Patienten erhalten eine neue, nur wenige Millimeter große Hornhautscheibe. Doch dies sei nicht immer ohne Schwierigkeiten möglich, erklärt Busse: Normalerweise enthielten Hornhäute zwar keine Blutgefäße, daher gebe es auch keine Immunreaktion und Abstoßung. Seien jedoch Blutgefäße vorhanden, müssten Hornhäute gefunden werden, bei denen das immunologische Spektrum von Spender und Empfänger gleich sei.

Neues Verfahren verhindert Immunreaktion

In der Regel werden die Hornhäute bei einer Temperatur von 37 Grad Celsius vier Wochen lang in einem Kulturmedium aus Vitaminen, Fettsäuren, Salzzusätzen und Kälberserum kultiviert. In Münster werden jetzt erstmals Spender-Hornhäute zur Kultivierung mit Blutserum des Empfängers statt mit tierischem Serum behandelt. Die Mechanismen der Spender-Zellen werden damit "umgeschaltet auf empfängerspezifische Gegebenheiten", erläutern die Mediziner. "Sie lernen sich schon kennen", sagt Busse. Bislang sei das Verfahren bei zehn Patienten angewandt worden. "Wir sind bei neun von zehn sehr zufrieden", berichtet Thanos.

Doch trotz der Hornhautbanken fehlten in Deutschland im Jahr bis zu 3000 Hornhäute. Außerdem fehlten Geldspenden. Zwar kämen 150 000 Euro für die Forschung von der englischen Fußball- und Eishockeyliga - doch in Deutschland gebe es derartiges nicht. "Die Bereitschaft, zu spenden und zur Forschung beizutragen, ist sehr gering", bedauert Thanos.

Spenderbereitschaft gering

Dabei kann Aufklärung viel bewirken, erinnert sich Klinikdirektor Busse: 1989 habe er die Aufforderung erhalten, dem Kind eines Leibwächters des früheren jordanischen Königs Hussein eine Hornhaut einzusetzen. Der kleine Jaafar wurde operiert, und "jeden Tag kamen Fernsehteams, wir waren jeden Tag im jordanischen Fernsehen", sagt Busse. Eine Einladung nach Jordanien und eine Dankesurkunde des Königs folgten. Und weil im Koran nichts stehe, was gegen Hornhaut- Transplantationen spreche, habe Hussein eine Hornhautbank einrichten lassen. Heute gebe es dort 200 Transplantationen im Jahr. Busse: "Da habe ich ein Ordenspaket bekommen, das kann sich keiner vorstellen."

Thomas Strünkelnberg, DPA

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