Zeig mir, wie du gehst, und ich sag dir, wie du drauf bist. Sind wir traurig, frustriert oder gar depressiv, so nehmen wir eine entsprechende Haltung ein. Hängende Schultern und ein schlurfender Gang sind damit optische Garanten für schlechte Laune. Ein Experiment hat nun gezeigt, dass sich aber auch andersrum die Gangart eines Menschen auf seine Stimmung auswirkt.
"Viele Studien belegen, dass Bewegung bei Depressionen hilfreich ist, gehen, laufen, wandern. Wir wollten wissen, ob auch die Art des Ganges Einfluss auf depressionsrelevante Prozesse hat", sagt Johannes Michalak, Psychologe an der Universität Witten/Herdecke, der zusammen mit Kollegen von der kanadischen Queen's University in Kingston den Einfluss der Körperhaltung auf die mentale Verfassung untersucht hat. Frühere Studien haben bereits belegt, dass sich die Stimmung eines Menschen auf seine Gangart auswirkt, wie ein Modell des "Bio Motion Lab" zeigt.
Traurige Haltung führt zu negativer Sicht
Für das Experiment, das im "Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry" veröffentlicht wurde, baten die Wissenschaftler 39 Studenten, auf einem Laufband zu gehen. Währenddessen wurden sie mit sowohl positiv belegten Begriffen wie "fröhlich" oder "attraktiv", als auch negativen Gefühlstermini wie "traurig" oder "dumm" konfrontiert. Für jeden Begriff sollten sie entscheiden, ob sie ihn beschreiben wollen.
Die Probanden sahen außerdem einen Zeiger, der nach links oder rechts ausschlug. Was sie nicht wussten: Ihre Körperhaltung wurde während des Tests erfasst. Die Hälfte der Teilnehmer wurde aufgefordert, den Zeiger möglichst links zu halten, die anderen möglichst rechts. Dadurch wurden sie dazu gebracht, unbewusst eine fröhliche oder eine traurige Gangart einzunehmen. Nach acht Minuten wurden die Studenten einem Gedächtnistest unterzogen, sie sollten sich an so viele Begriffe wie möglich erinnern.
Jene, die eine negative Haltung eingenommen hatten, hatten sich deutlich mehr negative Begriffe gemerkt, als ihre Kommilitonen, die fröhlicher gegangen waren. Ein Phänomen, das auch bei Depressiven immer wieder beobachtet wird: Sie neigen dazu, sich auf schlechte Erlebnisse und Gefühle zu konzentrieren und generieren so einen negativen Blick auf die Welt.
Perspektive für die Therapie
Der Ausgang des Experiments sei ein Beleg dafür, dass die Gangart Einfluss darauf hat, ob wir eher positive oder negative Einflüsse um uns herum wahrnehmen und erinnern, so Michalak. Dies sei im Hinblick auf Behandlungsmöglichkeiten für Depressionen äußerst interessant. Durch das Antrainieren einer positiveren Körperhaltung könnte es gelingen, negative Gedankenprozesse zu ändern.
In jedem Fall ist damit die Frage, ob wir gern zur Arbeit gehen, uns von einem Schnupfen runterziehen lassen oder an grauen Tagen schlechte Laune schieben, mehr denn je zu einer Frage der Haltung geworden.