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Kliniken Warum die Medizin mehr Frauen an der Spitze braucht – und wie wir dadurch alle gesünder werden

Ärztinnen in der Charité
Im medizinischen Betrieb braucht es mehr Frauen in Spitzenpositionen – so wie die Professorin und Klinikdirektorin Britta Siegmund (3. v. r.), hier im Kreise von Kolleginnen auf dem Campus Benjamin Franklin der Berliner Charité
© Julia Steinigeweg
Mehr Frauen als Männer studieren Medizin – doch in den Chefetagen von Kliniken kommen nur wenige von ihnen an. Woran liegt das? Eine stern-Recherche zeigt: Konservativ geprägte und männerdominierte Arbeitsumfelder erschweren Frauen den Aufstieg. Das ist ein Problem – auch für die Patienten.

Lassen Sie uns mit einem Rätsel beginnen: Ein Vater und sein Sohn haben einen Autounfall. Der Vater stirbt auf der Stelle. Der Sohn wird ins Krankenhaus gebracht. Das Operationsteam steht schon bereit. Doch plötzlich sagt jemand aus der Runde: "Ich kann diesen Jungen nicht operieren. Er ist mein Sohn!"

Wie kann das sein? 

Mehr als 50 Jahre ist dieses Rätsel schon alt. Und noch immer kommen die wenigsten auf die Lösung: Es ist kein Mann, der sich da nicht in der Lage sieht zu operieren, sondern eine Frau, die Mutter des Jungen. Als 2021 Studierende in den USA über die OP-Frage grübelten, dachte nicht einmal ein Drittel von ihnen an eine Chirurgin – das Stereotyp des männlichen Arztes sitzt tief. Noch immer trägt es dazu bei, dass man in den Chefetagen von Kliniken und an den Lehrstühlen der Universitäten kaum Ärztinnen sieht – obwohl es dort von ihnen eigentlich nur so wimmeln müsste.

Geschlecht und Behandlungserfolg

Seit mehr als 20 Jahren studieren mehr Frauen Medizin als Männer. Bloß kommt kaum eine von ihnen ganz oben an. Da, wo die Weichen für die Zukunft gestellt werden, wo der Nachwuchs ausgewählt, über Arbeitskultur und Krankenversorgung entschieden wird. Auf ihrem Weg an die Spitze treffen Ärztinnen auf Männer, die am liebsten Männer fördern, auf Vorurteile und auf Kitas, die um 16 Uhr schließen. "In kaum einem anderen Fach ist der Unterschied im Geschlechterverhältnis zwischen Studium und Leitungsebene so groß wie bei uns", sagt Gabriele Kaczmarczyk, Ärztin seit sechs Jahrzehnten. Und das ist schlecht für die Gesellschaft. Wenn nur Männer bestimmen, welche Medizin gemacht und was erforscht wird, dann leidet ein System, das die Gesundheit aller sichern soll. Die Forderung nach mehr medizinischen Entscheiderinnen, nach einer neuen Machtverteilung, ist deshalb nicht allein eine Frage der Gleichstellung. Sie ist eine Frage, die jeden angeht, der irgendwann in seinem Leben Patient wird. Jeden, der eine bessere Medizin will.

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