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Im Krankenhaus mit HIV infiziert Opfer des Bluter-Skandals hoffen auf Millionen vom Bund

Zu sehen ist eine Demo mit mehreren Menschen, die Schilder emporstrecken, auf denen beispielsweise "Entschädigung" steht.
Schon im März 1994 forderten HIV-infizierte Bluter auf Demonstrationen finanzielle Entschädigungen
© picture-alliance/dpa
In den 80er Jahren wurden Bluterkranke mit HIV-infizierten Blutkonserven behandelt: Für viele ein Todesurteil. Die Überlebenden sind ein Leben lang beeinträchtigt. Ihre finanzielle Hilfe durch die Regierung stand auf der Kippe - jetzt reagiert Gesundheitsminister Gröhe.

Das Aids-Virus bekam Michael Diederich als Kind. Damals, in den 80er Jahren, kam HIV für viele einem Todesurteil gleich. Diederich ist Bluter, das Blut aus Wunden gerinnt nicht oder nur langsam. Das Virus bekam er über infiziertes Konzentrat, gewonnen aus menschlichem Blutplasma, das gegen seine Krankheit helfen sollte. Diederich überlebte - wenn auch unter oft dramatischen Umständen.

Er ist nicht der Einzige: Bei dem Bluter-Skandal wurden Hämophile (Bluter) vor allem in den 80er Jahren reihenweise mit HIV-infizierten Blutkonserven behandelt, obwohl Ärzte und Wissenschaftler schon viel über die Gefahren von HIV und Aids wussten. Kritiker – und auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags - warfen den Behörden im Nachhinein schweres Versagen vor. Tatsächlich löste der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer 1993 wegen dieses Skandals das Bundesgesundheitsamt auf und ersetzte es durch Nachfolgeinstitute.

HIV-Infizierte sind lebenslang eingeschränkt

Erst 1995 wurden die Opfer des Skandals anerkannt. Seitdem bekommen sie Hilfszahlungen aus der Stiftung "Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen" – auch wenn heute nur noch rund ein Drittel der ursprünglich Betroffenen am Leben ist. Diese Doch der Stiftung droht das Aus, Ende 2018 dürfte das Geld verbraucht sein.

Eine Studie des Instituts Prognos zeigt den Ernst der Situation: 60 Prozent der Betroffenen erleben derzeit im Alltag körperliche Einschränkungen, die Hälfte ist nicht erwerbstätig. 80 Prozent bestreiten aus den Stiftungsleistungen ihren täglichen Lebensunterhalt.

Den Betroffenen geht es von Jahr zu Jahr schlechter - gesundheitlich, psychisch, finanziell. Sie sind auf die Hilfen der Stiftung angewiesen. Diederich selbst arbeitet maximal zwei bis drei Stunden am Tag ehrenamtlich beim Betreuten Wohnen. Mehr geht nicht.

Der Bund will nun zahlen 

Jetzt hat sich die Politik bewegt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat den Koalitionsfraktionen - auch in der SPD gibt es umtriebige Unterstützer der Skandalopfer - einen Gesetzespassus zugeleitet, der bald mit einem anderen Gesetz beschlossen werden soll. Das Ziel: Der Bund will für die Betroffenen zahlen. Er beteiligte sich bisher schon an der Stiftung, doch nun soll den Opfern die Hilfe lebenslang garantiert werden. Kostenpunkt: 9 bis 10 Millionen Euro jährlich.

"Ich kann es nicht glauben, was nun passiert ist", sagt Michael Diederich. "Das war ein harter Kampf." Seit Jahren wirbt er öffentlich um Verständnis für die Opfer des Bluter-Skandals. Heute ist Aids für viele Menschen kein Grund mehr, Kranke zu stigmatisieren. Diederich, inzwischen 41 Jahre alt, hat das oft schon anders erlebt. In der Schule - in seiner Heimat Ulm - sagte er niemandem etwas über die Krankheit. Erst mit 21 outete er sich als Aids-Kranker. Es ging ihm damals zu schlecht, um die Krankheit weiter zu verbergen.

Wenn nun tatsächlich im Bundestag beschlossen wird, dass die HIV-infizierten Bluter ein Leben lang aus der Stiftung unterstützt werden, hat sich für Diederich der Kampf gelohnt. "Wir haben es geschafft, dass die Politiker uns ernst nehmen", sagt er. Auf jeden Fall müssten die Betroffenen nun aber dran bleiben.

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jse/Basil Wegner/dpa

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