"54 Millionen Deutsche leiden an Kopfschmerzen", sagt Dietmar Krause, Leiter des Forum Schmerz in Marburg. Damit gehören die Beschwerden zu den Volkskrankheiten. "Bagatellkopfschmerzen kennt sicherlich fast jeder", folgert Jan-Peter Jansen von der Stiftung Kopfschmerz in Berlin. Deswegen sollte man bei Kopfschmerzen auch nicht sofort zu Tabletten greifen, empfiehlt Krause. "Oft hilft es auch schon, sich zu entspannen: in der warmen Wanne, mit Yoga, einem Spaziergang an der frischen Luft oder einfach nur Bettruhe."
Erste Hilfe bieten Hausmittelchen. Neben einem warmen Bad können auch abwechselnd warme und kalte Fußbäder Linderung bringen. Als Badezusätze eigenen sich besonders ätherische Öle aus Rosmarin und Fichtennadeln, da sie die Durchblutung fördern. Arnika und Heublumen wirken hingegen schmerzstillend. Bei akuten Kopfschmerzattacken hilft auch, sich Stirn und Schläfen mit Pfefferminzöl einzureiben. Bestimmt nicht lecker, aber wirksam: Viele Patienten schwören auf Kaffee mit einem Schuss Zitrone. Koffein erweitert die verengten Blutgefässe im Gehirn und fördert die Durchblutung. Die Zitrone aktiviert die körpereigene Schmerzminderung. Schließlich hilft noch Akupressur: Bei Schmerzen hinter der Stirn, zum Beispiel die Schläfen einen fingerbreit neben der Augenbrauen mit kreisenden Bewegungen massieren.
Tabletten schlucken will gelernt sein
Krause rät, erst Schmerzmittel zu nehmen, wenn die Hausmittelchen nicht wirken oder keine Zeit dafür ist. "Es ist auf jeden Fall nicht gut, gar nichts gegen Kopfschmerzen zu tun. Denn die Schmerzen schaukeln sich sonst hoch". Aber auch Tabletten schlucken will gelernt sein. "Die meisten Menschen machen den Fehler, nur eine halbe Tablette zu nehmen. Das Medikament ist dann unterdosiert und wirkt nicht", erläutert Krause. Der Leidende nehme dann nach einiger Zeit eine weitere Hälfte ein und noch eine. Am Ende hätte er mehr Schmerzmittel zu sich genommen, als wenn er gleich eine größere Menge geschluckt hätte. "Von den Monopräparaten mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol oder Ibuprofen in der 500 Milligramm-Dosierung sollte man gleich ein bis zwei Tabletten nehmen", sagt Krause.
Selbsthilfe
Einen Vordruck für ein Kopfschmerztagebuch, Anleitungen für Entspannungsübungen und einen Kopfschmerztest finden Sie im Internet auf www.forum-schmerz.de.
"Also nicht kleckern, sondern klotzen", bekräftigt Ulrike Bingel von der Kopfschmerzambulanz des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) in Hamburg. Aus Erfahrung weiß sie, dass es besser ist, einmal eine hohe Dosis zu nehmen als viele kleine. "Auf diese Weise kickt man den Schmerz weg". Außerdem wirken die Medikamente um so besser, desto früher sie eingenommen werden. "Generell ist Aspirin das Schmerzmittel Nr. 1. Nur wer es nicht verträgt, sollte stattdessen Paracetamol bevorzugen", ergänzt Bingel.
Gefahr der Abhängigkeit
Besonders wirksam seien Kombinationspräperate aus ASS, Paracetamol und Koffein. "Die verschiedenen Stoffe ergänzen sich in ihrer Wirkung", erläutert Krause. Das Koffein unterstützt einer Untersuchung der Uni Freiburg zufolge die schmerzstillende Wirkung von ASS und Paracetamol. Die Deutsche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft warnt jedoch davor, dass diese Medikamente abhängig machen können. Auch Professor Cornelius Weiller, Leiter der Neurologischen Klinik des UKE, rät von den Mischpräparaten ab. "Die Gefahr abhängig zu werden ist einfach zu hoch, wie eine aktuelle Studie der Universität Kiel wieder bewiesen hat".
Kopfschmerztabletten sollten immer mit reichlich Wasser und in aufrechter Körperhaltung eingenommen werden. "Andernfalls kann die Säure der Medikamente die Speisröhre schädigen", weiß Krause. Bei Migräne rät er, zu den Schmerzstillern auch Mittel gegen Übelkeit zu nehmen, da die Attacken häufig von Erbrechen begleitet werden. Allgemein gilt die Regel: Aspirin & Co an höchstens zehn Tagen im Monat, nur drei Tage hintereinander und das maximal drei Monate lang. "Wer eine höhere Dosierung benötigt, sollte unbedingt zum Arzt gehen", meint Krause.
Es gibt bestimmte Alarmzeichen, bei denen unbedingt der Arzt aufgesucht werden sollte. "Plötzlich auftretende, heftige, stechende Kopfschmerzen, die man vorher nicht kannte, weisen eventuell auf eine Hirnblutung hin", so Krause. Kopfweh, das mit der Zeit immer stärker wird, kann ein Zeichen für einen Tumor sein. "Vor allem Menschen über 50, die auf einmal innerhalb kurzer Zeit Schmerzen bekommen, sollten auf Nummer Sicher gehen. Und natürlich ehemalige Krebspatienten", betont Bingel.
Patientengeschichte ist ausschlaggebend
Bei der Diagnose orientiert sich der Arzt an einem Schema, das die verschiedenen Kopfschmerzformen und ihre typischen Begleiterscheinungen auflistet. "So kann bei den meisten Kopfschmerzformen die Diagnose in der Regel nahezu ausschließlich durch die Anamnese, d.h. durch die Befragung des Patienten, gestellt werden", sagt Jansen. "In 95 Prozent der Fälle kann auf diese Weise die richtige Diagnose gestellt werden", bemerkt Weiller. Die bildgebenden Verfahren wie Computertomographien oder Kernspintomographien werden nach Meinung beider Ärzte überschätzt. "Die Trefferquote liegt hier bei ca. 1: 300 000", erläutert Jansen. Also angesichts der hohen Kosten und der Strahlenbelastung für den Patienten nicht unbedingt empfehlenswert.
Bingel und Krause sind der Meinung, dass Patienten mit Dauerkopfschmerzen ein Kopfschmerztagebuch führen sollten. "Dies dient nicht nur der Selbstkontrolle, sondern bietet auch Ansatzpunkte für die Therapie", erklärt Krause. Denn nur so sei eine objektive Beurteilung der Schmerzen möglich. "Kopfschmerzen sind sehr subjektiv", weiß Bingel. Wenn ein Patient über seine Beschwerden der letzten Woche erzählt, hängt seine Schilderung immer von seiner aktuellen Tagesformen und seinen Erinnerungen ab. Außerdem sei das Tagebuch wichtig für die Behandlung und die Prophylaxe, denn es zeige, ob die Medikamente überhaupt wirken. "Optimal wäre natürlich, wenn er Patient, der sich entschließt zum Arzt zu gehen, sich schon im Vorfeld Notizen macht", meint Bingel.