stern-Report: Krankenhaushygiene Was wir im Kampf gegen Keime falsch machen

Resistente Keime breiten sich aus: Ein Problem, das viele Kliniken kaum in den Griff bekommen. Im Ausland sieht das anders aus. Ein Hygiene-Experte erklärt, was wir von den Niederlanden lernen können.

Alex Friedrich ist Professor für Hygiene an der Universität Groningen in den Niederlanden. Er hat vor Jahren einen ähnlichen Fall wie den Keimausbruch in der Uniklinik Kiel erlebt. Heute sagt er: "Wir untersuchen sämtliche Risikopatienten." Im Vergleich zu den Folgekosten, die ein Ausbruch verursache, sei der Preis für die Vorsorge gering, ist er überzeugt. Wichtig auch: In den Niederlanden gibt es eine zentrale Datenbank, auf die landesweit jeder Krankenhaushygieniker Zugriff hat. Denn Keime kennen keine Landesgrenzen, so Friedrich.

"Vor vier Jahren ereignete sich in einem Krankenhaus in Rotterdam ein Ausbruch mit einem Bakterium, das wir bislang nicht im Visier hatten. Die Situation war vergleichbar mit der in der Uniklinik Kiel heute: 14 Patienten starben, andere infizierten sich und wurden zu Keimträgern. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, neue Richtlinien wurden erarbeitet.

Heute untersuchen wir sämtliche Risiko-Patienten - egal, ob sie Infektionssymptome aufweisen oder nicht -, auf die "Big Five" der multiresistenten Erreger. Zu denen gehört auch der CRA-Keim, der in Kiel aufgetaucht ist. Pro Patient kostet die Untersuchung in den Niederlanden 150 Euro. Im Krankenhaus Groningen fordern wir das Big-Five-Screening etwa 3000 Mal im Jahr an, das macht 450.000 Euro im Jahr. Im Vergleich zu den Folgekosten, die ein Ausbruch verursacht, ist das wenig.

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Keime kennen keine Landesgrenzen

Und in Deutschland? Krankenhäuser mit weniger als 400 Betten - dazu gehören zwei Drittel aller Kliniken - müssen keinen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker vorhalten. Diesen Job machen hygienebeauftragte Chirurgen, Anästhesisten oder Gynäkologen mit einer Basisfortbildung nebenher. Im Falle eines Ausbruchs schicken sie Proben an einen Mikrobiologen, der irgendwo weit entfernt sitzt und die örtlichen Verhältnisse nicht kennt. Beraten lassen sie sich dann von einem Krankenhaushygieniker, der wieder woanders sitzt - zu viele Beteiligte, niemand überblickt das ganze Problem. So stellen diese kleinen Krankenhäuser eine Gefahr dar.

In den Niederlanden hat jede Klinik hauptberuflich tätige Hygieniker, und die geben im Falle eines Ausbruchs binnen Stunden alle Angaben in eine Datenbank ein, auf die landesweit jeder Krankenhaushygieniker Zugriff hat. In Deutschland endet die Zusammenarbeit in Sachen Hygiene spätens an den Bundeslandgrenzen, denn Gesundheit ist Ländersache. Patienten und multiresistente Keime aber kennen keine Landesgrenzen."

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