Krebsforscher zur Hausen Nobelpreisträger zur Wurst-Einschätzung der WHO: "Nicht richtig"

Wurst ist krebserregend, verkündete die WHO gestern. Doch der Krebsforscher und Nobelpreisträger Harald zur Hausen hält es für falsch, alle Fleischsorten in einen Topf zu werfen. Vielmehr müsse differenziert werden.

Seit die WHO gestern verkündete, dass Wurstwaren "krebserregend" sind, ist die Verunsicherung unter Verbrauchern groß. Geräuchertes, gepökeltes oder anderweitig verarbeitetes Fleisch soll Dickdarmkrebs verursachen können. Rotes, unbearbeitetes Fleisch, so die WHO in ihrem Bericht, gelte immerhin als "wahrscheinlich krebserregend". 

Es kann nicht alles in einen Topf geworfen werden

Allerdings sind nicht alle Experten mit dem Urteil der WHO einverstanden. Der Krebsforscher und Nobelpreisträger Harald zur Hausen, der sich seit Jahren mit dem Zusammenhang zwischen rotem Fleisch und Dickdarmkrebs beschäftigt, hält die Nachricht der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) für pauschalisiert. Dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) sagte der Mediziner, dass es nicht richtig sei, alle roten Fleischsorten - also Rind, Schwein, Pferd, Ziege, Schaf - in einen Topf zu werfen und als wahrscheinlich krebserregend einzustufen. Das widerspreche der globalen Verbreitung von Dickdarmkrebs, so der Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Als Beispiele nennt er die Mongolei und Bolivien - Länder, in denen es ein besonders geringes Aufkommen dieser Krebsart gebe. Gleichzeitig würde dort aber sehr viel rotes Fleisch verzehrt. 

Zur Hausen fordert daher eine stärkere Spezifizierung der WHO. Es müssten einzelne Fleischarten untersucht werden, die wirklich mit einem erhöhten Risiko verbunden sind. Er selbst hat in der Vergangenheit zu dieser Frage geforscht und es weise einiges darauf hin, dass tatsächlich ein relativ spezifischer Faktor zur Krebsentstehung in Rindfleisch vorhanden sei. Während andere Fleischarten, zum Beispiel Schweinefleisch, "offenkundig, wenn überhaupt, nur in einem sehr geringen Umfang zur Krebsentstehung beitragen", so zur Hausen. 

Nicht die Verarbeitung ist das Problem 

Die Vermutung, dass die Verarbeitung des Fleisches bei der Entstehung von Krebs eine wichtige Rolle spiele, sieht zur Hausen auch nicht belegt. Krebserregende Stoffe, die durch Braten entstehen, entstünden auch, wenn man unverarbeitetes Geflügel oder Fisch derart zubereite, so zur Hausen im NDR-Interview. Dennoch gehe von diesen Fleischarten kein erhöhtes Risiko aus. "Das passt alles nicht so ganz zusammen", kritisiert der Mediziner. 

Auch um zugesetzte Stoffe wie Nitritpökelsalz, die immer wieder im Verdacht stehen krebserregend zu sein, könne es demnach nicht gehen. "Nein", sagt der Forscher dazu. Er untersucht seit längerem, ob es vielmehr artspezifische Infektionen sind, die über den Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten Krebs beim Menschen verursachen könnten. Zur Hausen fand auch heraus, dass Gebärmutterhalskrebs durch Viren verursacht wird. Zunächst wurde er für seine Theorie belächelt. 2008 bekam er dafür den Medizinnobelpreis. Insofern sei er nun über den Bericht der WHO "nicht sehr glücklich". 

Auf Basis seiner bisherigen Forschung eine Ernährungsempfehlung abzugeben, das möchte Hausen jedoch nicht. Generell rät er vom Verzehr rohen Fleisches - etwa Carpaccio oder rohem Schinken - und großen Mengen Rindfleischs ab. Allemal sei es zu begrüßen - das gewinnt der Mediziner dem WHO-Bericht ab -, wenn der Fleischkonsum sich nun verringere.

mh

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