Immer weniger Eltern lassen ihre Kinder gegen vermeintlich harmlose Kinderkrankheiten impfen. So kommt es immer häufiger zu Epidemien. In der internationalen Ärzteschaft ist Deutschland "als Keimschleuder der Welt" bekannt.
Experten gehen davon aus, dass hierzulande nur 60 Prozent aller Kinder wirksam gegen Masern geschützt sind. Dagegen gelten in den meisten Industriestaaten und selbst in ganz Südamerika Masern als ausgerottet.
So ist es in den vergangenen Jahren immer wieder vorgekommen, dass deutsche Touristen die Masern in fremde Länder eingeschleppt haben. Deutsche gelten in Nordamerika als der Hauptgrund für das Auftreten von Masern. Die Weltgesundheitsorganisation hat Deutschland aufgefordert, die Masern im Land bis 2010 auszurotten. Das ist nicht unbegründet.
Denn Masern sind eine schwere Krankheit, in deren Verlauf häufig Komplikationen wie eine Lungenentzündung auftreten. Im schlimmsten Fall kann es gar zu einer Entzündung des Gehirns kommen - sie endet immer tödlich und ist nicht zu behandeln.
Der kleine Micha ist an dieser sogenannten SSPE erkrankt. Seine Eltern wollten ihren Sohn impfen lassen, so wie seine anderen Geschwister. Doch als Micha ein halbes Jahr alt war, infizierte er sich mit Masern - für eine Impfung war er damals noch zu jung.
Die Masern kamen, die roten Pusteln heilten auch wieder ab, und Michas Eltern glaubten, damit wäre die Infektion ausgestanden. Fünf Jahre später wurde aus der vermeintlich harmlosen Kinderkrankheit eine tödliche Erkrankung: Micha bekam eine schwere Maserngehirnentzündung. Seine Eltern wissen nicht, wie lange er noch leben wird.
Für stern TV hat Experte Professor Heinz-Josef Schmitt Zuschauerfragen zu Infektionskrankheiten und Impfungen und Impfungen. Die Ergebnisse sind protokolliert unter: www.sterntv.de/chat
Wie gefährlich sind Masern?
Masern sind eine schwere Allgemeininfektion. Bei der Krankheit können viele Komplikationen auftreten, zum Beispiel Mittelohrentzündungen oder Lungenentzündungen. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Entzündung des Gehirns (sogenannte SSPE) kommen, die immer tödlich verläuft.
Die Angaben über die Häufigkeit von Todesfällen infolge von Masern schwanken stark: von 1:100.000 bis 1:1.000.000. Das liegt auch an einer unbekannten Dunkelziffer von Fällen, die den Behörden nicht gemeldet werden.
Wie kommt es zu SSPE, zu einer Entzündung des Gehirns?
SSPE ist eine Folge der Masern-Erkrankung, die Symptome treten häufig erst Jahre danach. Bei SSPE setzen sich Masern-Viren im Hirn fest, vermehren sich dort in veränderter Form und lassen immer mehr Hirnzellen mit der Zeit absterben. Das Gehirn löst sich auf, der Erkrankte stirbt schließlich - qualvoll. Eine Behandlung dagegen gibt es nicht.
Unbekannt ist, warum manche Menschen erkranken und andere nicht. Allgemein scheinen Jungen häufiger betroffen zu sein als Mädchen.
Wie häufig tritt SSPE infolge von Masern auf?
Genaue Zahlen gibt es in Deutschland nicht. Seit 1998 wurden mehr als 130 Fälle registriert, die tödlich verlaufen sind. Die Dunkelziffer liegt um einiges höher.
Je jünger die Kinder bei einer Maserninfektion sind, desto wahrscheinlicher ist eine Erkrankung an SSPE. Laut einer britischen Studie liegt das Risiko bei Kindern unter 1 Jahr bei 1:5000.
Warum sind Impfungen so wichtig?
Ziel muss sein, die Masern auszurotten. Denn manche Kinder können aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden. Auch Säuglinge unter 11 Monaten sind ungeschützt. Treten Epidemien auf, sind die nicht impfbaren Kinder besonders gefährdet. Epidemien treten vor allem in Regionen mit niedrigen Impfquoten auf. Erst wenn 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, können Masern nachhaltig ausgerottet werden.
Warum lassen nicht alle Eltern ihre Kinder impfen?
Der Hauptgrund scheint schlicht Vergesslichkeit zu sein. Vor allem die zweite Impfung, mit der erst ein sicherer Schutz gegeben ist, wird häufig verpasst. Ein nicht unerheblicher Teil der Eltern lehnt aber auch Impfungen kategorisch ab, wie eine Umfrage des stern ergeben hat: Infektionen seien für den Körper gesund, glauben fast ein Drittel der Eltern, die keine Impfungen durchführen ließen - eine fatale Fehleinschätzung. Knapp 20 Prozent hatten auch Angst vor möglichen Nebenwirkungen.
Welche Impfungen sind für Kinder empfohlen?
Gegen Masern, Mumps und Röteln sollten zwei Impfungen vorgenommen werden: die erste im Alter zwischen 11 und 14 Monaten, die zweite im Alter zwischen 15 und 23 Monaten. Mit der ersten Dosis wird ein Schutz von 85 Prozent erreicht, erst mit der zweiten Impfung gibt es fast hundertprozentigen Schutz.
Haben Impfungen Nebenwirkungen?
Grundsätzlich gilt: Die Risiken von Masern sind in jedem Fall höher als die möglichen Nebenwirkungen von Impfungen. Auftreten können Schwellungen und Rötungen an der Impfstelle, eine leichte Masern-Erkrankung. Schlimmere Effekte - wie zum Beispiel ein allergischer Schock - sind extrem selten.