Dänemarks Behörden sind im Alarmmodus: Nachdem das Coronavirus bei Nerzen mutiert ist und erneut auf den Menschen übergegangen ist, hat die Regierung beschlossen, alle Nerze im Land töten zu lassen. Betroffen sind mehrere Millionen Tiere, die auf Pelzfarmen leben und deren Fell unter anderem für Mäntel verwendet wird. Teile der Region Nordjütland im Norden des Landes werden zudem weitgehend abgeriegelt – eine weitere Ausbreitung des mutierten Virus soll so verhindert werden. Ob das gelingt, ist allerdings offen: Berichten zufolge haben sich seit Juni mindestens 214 Menschen in Dänemark mit der mutierten Form angesteckt, viele von ihnen in Nordjütland. Dort finden sich besonders viele Nerzfarmen.
Über die mutierte Form des Virus ist bislang wenig bekannt. Sie sei allerdings nicht gefährlicher als andere Coronaviren, betonte Kåre Mølbak, der fachliche Direktor des dänischen Gesundheitsinstituts SSI, diese Woche auf einer Pressekonferenz. Sorge bereitet allerdings der Blick auf die Wirksamkeit künftiger Impfstoffe: So bestehe das Risiko, dass derzeit entwickelte Impfstoffe möglicherweise weniger gut gegen die Virus-Variante wirken, teilte das SSI mit.
Die Vorstellung, dass ein Virus in einer neuen Spezies mutiere, sei "nicht überraschend", sagte der Virologe Ian Jones von der University of Reading. Um die Zellen von Tieren effizient befallen zu können, müsse es sich anpassen. Das kann nach Ansicht von Jones etwa durch eine Modifikation des Spike-Proteins geschehen. Das Protein sitzt auf der Oberfläche von Sars-CoV-2 und dient dem Virus als Haupteintrittspforte in mögliche Wirtszellen. Beim Menschen bindet das Virus mit seinen Spike-Proteinen an spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche menschlicher Zellen – und infiziert sie.
Spike-Protein und Impfstoffentwicklung
Nach Ansicht von Experten ist Sars-CoV-2 bereits relativ gut an den Menschen angepasst – größere Mutationen, die das Spike-Protein betreffen, würden dem Virus demnach keinen entscheidenden Überlebensvorteil bringen. Da das Protein bislang als "sichere Bank" gilt, steht es auch im Zentrum von vielversprechenden Impfstoff-Entwicklungen, darunter sogenannter mRNA-Impfstoffe. Die Impfstoffkandidaten enthalten beispielsweise den genetischen Bauplan für das gesamte Spike-Protein oder Teile davon. Impfstoffe dieser Art sollen beim Menschen zu einer schützenden Immunreaktion führen und das Virus daran hindern, Zellen zu befallen. Dies geschieht etwa durch Antikörper, die das Spike-Protein blockieren.
Verändert sich das Spike-Protein allerdings bedeutend in seinem Aufbau, könnten diese Antikörper möglicherweise nicht mehr passgenau daran binden und dadurch weniger effektiv sein, so die Befürchtung. Antikörper gegen Sars-CoV-2 werden auch bei einer natürlichen Immunreaktion des Körpers gebildet, beispielsweise nach einer überstandenen Infektion.

Ob die Mutation tatsächlich die Region des Erbguts betrifft, die den Bauplan für das virale Spike-Protein liefert, ist derzeit aber noch unklar. Bislang ist das Erbgut der Nerz-Variante aus Dänemark nicht eingehend analysiert und veröffentlicht. "Es ist zu früh dafür, voreilige Schlüsse zu ziehen, welche Folgen diese neue Mutation für die Übertragung, Schwere der Erkrankung, klinische Symptome, Immunantwort oder mögliche Impfstoff-Wirkung hat", teilte die WHO-Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Freitag in Genf mit. Unklar ist bisher auch, wie effektiv sich das mutierte Virus von Mensch zu Mensch überträgt.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden bereits mehr als 100 Mutationen im Virusgenom von Sars-CoV-2 identifiziert. Oftmals bleiben diese Veränderungen ohne Folgen – und machen das Virus weder gefährlicher noch harmloser. In den vergangenen Monaten sorgte allerdings eine Mutation mit dem Namen "D614G" für Schlagzeilen. Sie betrifft ebenfalls das Spike-Protein, wenn auch nur eine einzelne Base seines genetischen Bauplans. Nach Angaben US-amerikanischer Forscher könnte die Mutation das Virus infektiöser gemacht haben – dafür spricht, dass sich Viren mit entsprechender Mutation in vielen Gegenden besonders gut verbreiten konnten. Ob dies tatsächlich auf eine höhere Infektiosität hindeutet, ist allerdings unklar.
Quellen: Paul-Ehrlich-Institut (PEI)