Omikron-Welle Wie sinnvoll ist eine verkürzte Quarantäne für Infizierte?

Verkürzte Quarantäne-Zeit Omikron
In den USA müssen sich Corona-Infizierte ohne Symptome künftig nur noch für fünf Tage in Isolation begeben – in Deutschland wird noch abgewogen
© Nuthawut Somsuk / Getty Images
Fünf statt wie bisher zehn Tage – so lange müssen symptomlos Infizierte in den USA künftig in Quarantäne. Auch in Deutschland wird über eine verkürzte Zeitspanne diskutiert. Ist die Kurz-Isolation eine gute Idee? Noch melden Experten Zweifel an.

Corona-Infizierte in den USA müssen künftig fünf Tage zuhause bleiben und im Anschluss fünf Tage konsequent Maske tragen – sofern sie keine Symptome haben. Der neue Zeitraum ist wesentlich kürzer als die bisherige Vorgabe, wonach Infizierte für zehn Tage in häuslicher Isolation bleiben müssen. Die US-Seuchenschutzbehörde CDC, welche die neue Regel in dieser Woche auf den Weg gebracht hat, verweist auf wissenschaftliche Erkenntnisse: Demnach ereignet sich der Großteil der Ansteckungen in den ein bis zwei Tagen vor Symptombeginn beziehungsweise in den darauffolgenden zwei bis drei Tagen. Binnen fünf Tagen – so die Logik – wäre damit die größte Ansteckungsgefahr gebannt.

Infizierte mit Symptomen wie Fieber sind von diesen Überlegungen nicht betroffen. Sie müssen weiterhin zuhause bleiben, bis die Beschwerden abklingen. 

Heißt es Isolation oder Quarantäne?

Corona-Infizierte kommen grundsätzlich in Isolation, Kontaktpersonen in Quarantäne. Gemeint ist damit aber dasselbe: zuhause zu bleiben und sämtliche Kontakte zu meiden. In der öffentlichen Diskussion wird häufig nur der Begriff "Quarantäne" verwendet, sowohl bei Infizierten als auch bei Kontaktpersonen – so auch überwiegend in diesem Artikel.

Die aktualisierte Empfehlung ist auch im Licht der schnellen Ausbreitung der als besonders ansteckend geltenden Omikron-Variante zu sehen: Sie lässt derzeit die Fallzahlen in vielen US-Bundesstaaten, darunter New York und Florida, nach oben schnellen. Parallel wächst die Sorge vor einem Zusammenbruch kritischer Infrastruktur, darunter Feuerwehr, Wasser- und Elektrizitätsversorgung sowie Gesundheitswesen. Sind zu viele Menschen zeitgleich erkrankt beziehungsweise in Quarantäne, könnten bestimmte kritische Bereiche aufgrund von Personalengpässen nicht mehr aufrechterhalten werden, so die Befürchtung. Verkürzte Quarantäne-Anordnungen könnten dem vorbeugen.

Auch in Deutschland wird angesichts von Omikron über eine verkürzte Quarantäne-Zeit diskutiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sie mindestens für Kontaktpersonen von Corona-Infizierten prüfen lassen, wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtete. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) brachte sich in die Diskussion ein: Er hält eine Befreiung von Quarantäne-Auflagen für geboosterte Kontaktpersonen für denkbar, wie er dem Nachrichtenportal Watson sagte. 

Infektionsgefahr bei Omikron: Viele Fragen sind noch offen

Omikron-Infizierte sowie deren Kontaktpersonen sollen in Deutschland für 14 Tage in häusliche Isolation beziehungsweise in Quarantäne. So empfiehlt es derzeit das Robert Koch-Institut (RKI). Die Empfehlung schließt auch genesene und geimpfte Kontaktpersonen ein und fällt damit strenger aus als etwa bei der Virusvariante Delta. Dabei spielt auch eine Rolle, dass es sich bei Omikron um eine neuartige, besorgniserregende Variante handelt, die sich aktuell erst noch in Deutschland ausbreitet.

Auf Anfrage des stern äußerte sich das RKI zurückhaltend, ob derzeit eine Verkürzung für Corona-Infizierte und Kontaktpersonen geplant sei: Alle Empfehlungen würden "fortwährend" überprüft und "bei Bedarf" angepasst, teilte das RKI mit. "Wir können aber generell nicht spekulieren, ob, wann und in welche Richtung Empfehlungen verändert werden."

Entscheidend ist unter anderem die Frage, ab wann und wie lange Omikron-Infizierte ansteckend sind. Hierzu liegen nach Ansicht einiger Forscher noch zu wenige Daten vor, um eine so deutliche Verknappung zu rechtfertigen, wie sie diese Woche in den USA beschlossen wurde. Auf Twitter kritisierte der Medizin-Professor Eric Topol die 5-Tage-Quarantäne-Zeit für symptomlos Infizierte ohne anschließende Freitestung. Er veröffentlichte ein weißes Bild und schrieb dazu, dass sein Post die Daten zeigen würde, welche die Aktualisierung stützten. Seine Botschaft: Es gebe keine.

Auch dem Professor für Virologie an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt, Wolfgang Preiser, liegen keine Studien vor, die der Frage nachgehen, wann Omikron-Infizierte am ansteckendsten seien, wie er im Gespräch mit "Tagesschau.de" erklärte. Er bewertet die verkürzte Quarantäne in den USA folglich nicht als Reaktion auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern als Anpassung an die aktuelle Lage. Nach Ansicht des Virologen sei bei Omikron aber grundsätzlich schon mit einer kürzeren infektiösen Phase zu rechnen: "Eine kürzere infektiöse Periode dürfte wohl die Regel sein, weil viele bereits eine Grundimmunität haben – entweder durch eine Impfung oder nach einer überstandenen Infektion." 

Die derzeit geltende 14-Tage-Empfehlung in Deutschland wird als sehr sichere Variante angesehen. Nach Ablauf der Frist ist eine Ansteckung in den allermeisten Fällen so gut wie ausgeschlossen. Fraglich ist aber, ob die Maximal-Regelung noch praktikabel ist, wenn sich Omikron in den kommenden Wochen weiter ausbreitet, die Fallzahlen stark steigen – und damit auch die Zahl der Menschen in Isolation beziehungsweise in Quarantäne.

Welche Auswirkungen die Empfehlung haben kann, zeigt unter anderem ein aktuelles Beispiel aus Henstedt-Ulzburg: Dort müssen rund 820 Club-Gäste für 14 Tage in Quarantäne, da sich unter den Feiernden eine mit Omikron infizierte Person befunden hatte. 

Spanien und Großbritannien schlagen Mittelweg ein

Weitere Länder haben ihre Empfehlungen angesichts von Omikron ebenfalls überarbeitet, wenn auch weniger drastisch als die USA. In Spanien sollen Infizierte ohne Symptome fortan für sieben Tage in Isolation, ebenso ungeimpfte Kontaktpersonen. Bisher waren zehn Tage vorgeschrieben. Auch Großbritannien hat die Quarantäne-Anordnungen kürzlich angepasst und im Vergleich zu Spanien eine zusätzliche Sicherheitshürde eingebaut: Infizierte müssen demnach nur noch sieben Tage in Isolation, sofern zwei Antigen-Schnelltests an Tag 6 und Tag 7 ein negatives Ergebnis anzeigen.

Es handle sich dabei um eine "Kompromiss"-Lösung, ordnete der Virologe Richard Tedder die aktualisierte UK-Empfehlung ein. Sie basiere auf der Annahme, dass eine zuvor infizierte Person, die keine viralen Proteine mehr ausscheide, das Coronavirus wahrscheinlich nicht mehr auf Kontaktpersonen übertragen könne. Gleichzeitig warnte er vor einem falschen Sicherheitsgefühl durch nicht ordnungsgemäß durchgeführte Tests. Auch könnten Menschen, die immunhemmende Medikamente einnehmen, das Virus noch über eine längeren Zeitraum ausscheiden.

Zu erwarten ist, dass das Thema eine wichtige Rolle bei der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz am 7. Januar spielen wird.

ikr

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