Coronavirus Omikron gilt als "milde" Variante: Statistikerin erklärt mit einer Skizze, warum das ein Trugschluss sein könnte

Coronavirus Omikron milde Verläufe
Experten rechnen damit, dass die neue Corona-Variante Omikron die aktuell in Deutschland vorherrschende Delta-Variante verdrängen wird
© peterschreiber.media / Getty Images
Führt die Corona-Variante Omikron zu milderen Krankheitsverläufen? Noch lässt sich diese Frage nicht sicher beantworten. Auf Twitter erklärt eine Statistikerin, warum der Eindruck selbst ohne mildere Viruseigenschaften entstehen könnte.

Nicht nur in Südafrika, sondern auch in anderen Ländern wie Großbritannien und Dänemark breitet sich die Omikron-Variante des Coronavirus derzeit schnell aus. Experten rechnen damit, dass Omikron auch in Deutschland Anfang kommenden Jahres die aktuell vorherrschende Delta-Variante verdrängen und damit zur dominanten Variante werden könnte. Die Mutante entzieht sich den Antikörpern besser als bisherige Varianten. Es wird deshalb damit gerechnet, dass das Virus zu mehr Durchbuchsinfektionen bei Geimpften und Genesenen führen wird.

Aus Südafrika, wo sich Omikron zunächst verbreitet hatte, gibt es Hinweise auf mildere Krankheitsverläufe durch das Virus. Experten, darunter die Genfer Virologin Isabella Eckerle, hatten zuletzt aber betont, dass es für eine solche Aussage noch zu früh sei. Warum der Eindruck der milden Verläufe bei einer neuen Variante schnell entstehen könnte – selbst ohne veränderte Krankheitseigenschaften durch das Virus – hat die Biostatistikerin Natalie Dean auf Twitter zusammengefasst. Dean forscht an der "Rollins School of Public Health" zu Methoden für klinische Studien. Ihr Fokus liegt auf neu auftretenden Infektionskrankheiten. 

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Milde Verläufe durch Omikron könnten Trugschluss sein

Mithilfe einer Skizze veranschaulicht Dean zwei Szenarien. In dem ersten kursiert das Virus A in der Bevölkerung. Es hat nur wenige Reinfektionen, also Wiederansteckungen, zur Folge. Ein Teil der Bevölkerung ist damit vor einer erneuten Ansteckung geschützt – zum Beispiel, weil diese Personen bereits eine Infektion durchgemacht haben und damit einen Immunschutz gegen das Virus aufgebaut haben. In dem für das Virus anfälligen Teil der Bevölkerung erkranken dagegen einige Menschen schwer, einige moderat, wiederum andere mild oder asymptomatisch.

In dem zweiten Szenario kursiert das Virus B in der Bevölkerung. Es unterscheidet sich von Virus A, indem es zu deutlich mehr Wiederansteckungen führt – beispielsweise weil es wie Omikron dem Antikörperschutz von Geimpften und Genesenen besser entgeht. Wieder erkranken in dem für das Virus anfälligen Teil der Bevölkerung einige Menschen schwer, andere moderat, mild oder asymptomatisch. Nun kommt es allerdings auch in dem Teil der Bevölkerung, der bei Virus A noch vor einer Ansteckung geschützt war, zu mehr Reinfektionen. Bei diesen Durchbruchsinfektionen oder Wiederansteckungen sind aber per se mildere Symptome zu erwarten.

In beiden Szenarien erkranken also weiterhin gleich viele Menschen schwer an dem Virus. Bei Virus B steigt aber die Zahl der Menschen, die mild erkranken, weil sich nun auch wieder mehr Menschen infizieren, die bei Virus A noch vor einer Ansteckung geschützt waren.

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Die Skizze diene als Erklärung, warum eine neue Variante auch ohne Änderung der zugrunde liegenden Virulenz milder erscheinen könne, erklärt die Statistikerin Dean. "Das kann passieren, weil bei der Berechnung des Anteils der schweren Fälle der Nenner nun viele Reinfektionen enthält, die zuvor abgewendet wurden." Dadurch sinke der Anteil der schweren Fälle – aber nicht, weil es weniger schwere Fälle gibt, sondern weil mehr leichte Fälle in Form von Reinfektionen dazukommen.

In den kommenden Wochen dürfte sich abzeichnen, ob Omikron tatsächlich mildere Erkrankungen zur Folge hat – oder ob dieser Eindruck schlicht auf der Fähigkeit des Virus beruht, zu mehr Wiederansteckungen zu führen. Zu wünschen wäre Ersteres.

ikr

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