Für eine Pflege in Würde Mit elf Jahren bekam ich Rheuma – deswegen unterstütze ich die Pflege-Petition

Frau umfasst Fuß mit Händen
Ihre Krankenschwester half Emily und ihrer Familie durch einen schwierigen Lebensabschnitt
© Imani Bahati / Unsplash
Im Alter von nur elf Jahren bekam unsere Redakteurin die Diagnose Rheuma. Doch alles wendete sich zum Guten, auch dank ihrer Krankenschwester Sunitha. Hier beschreibt sie, warum sie die Pflege-Petition unterstützt.

Ich unterstütze die Pflege-Petition, weil ich weiß, wie es sich anfühlt von medizinischem Personal alleine gelassen zu werden und gleichzeitig auch erlebt habe, was Pflegekräfte für Wunder bewirken können.

Ich war elf Jahre alt, als bei mir Juvenile idiopathische Arthritis diagnostiziert wurde – sogenanntes Jugend- oder Kinder-Rheuma. Eine Diagnose, die schockierend und belastend war. Und gleichzeitig auch endlich eine Diagnose, auf die meine Familie und ich schon lange gewartet hatten. Sieben Monate zuvor hatte mich mein behandelnder Arzt angeschrien. Meine Schmerzen seien keine Achillessehnenentzündung – wie er es sechs Monate lang vermutet hatte – und ich würde mir das alles nur einbilden. Ich war zehn Jahre alt und der Kraft dieser Wörter ausgeliefert.

Er verließ das Behandlungszimmer mit den Worten "oder du hast Rheuma" und versprach, eine renommierte Rheumatologin anzurufen und uns zwei Tage später zu informieren, was sie gesagt hatte. Dieser Anruf ist bis heute nicht eingetroffen. 

Eines weiß ich mit Sicherheit: Ohne meine Mutter hätte ich heute künstliche Fußgelenke. Denn meine Mutter hat sich gegen das Gefühl der Hilflosigkeit gewährt und mich sieben Monate von Arzt zu Arzt geschleppt. Ohne sie, die vielen netten Ärztinnen und Ärzte und die Pflegekräfte in den Praxen, hätte ich wahrscheinlich heute noch Schmerzen. Ohne meine Mutter wäre nie erkannt worden, welche aggressive Form des Rheumas in mir tobte. Ohne meine Mutter und meine Krankenschwester Sunitha.

Sunitha war Krankenschwester eines Programmes eines Pharmazie-Unternehmens. Täglich fuhr sie mit dem Auto zu rheumaerkrankten Kindern nach Hause, um ihnen und ihren Eltern mit den Medikamenten und dem Spritzen zu helfen. Sunitha war nicht nur ein Sonnenschein, wann immer sie das Haus betrat, sie gab mir Hoffnung und half mir dabei, mir selbst Spritzen zu setzen. Sie riet uns, eine andere Zusammensetzung des Medikaments beim Arzt zu ordern, oder sprach mir gut zu. Sie war auch für meine Mutter da. Stundenlang saß sie bei uns auf dem Sofa und unterhielt sich mit ihr. Sunitha erzählte uns von anderen Patienten, die sie betreute. Ich erinnere mich noch genau daran, wie sie uns erzählte, dass einer ihrer Patienten erst wenige Monate alt war und was für ein Glück ich hatte, dass ich das Rheuma erst so spät bekommen hatte. Der Kleine konnte nicht sagen, wo es ihm weh tat und ob die Schmerzen durch die Medikamente besser wurden.

Sunitha gab uns nicht nur Hoffnung, sie gab uns Tipps für den Alltag. Erklärte mir, warum viele meiner Mitschüler nicht verstehen konnten, wie es mir ging und half mir die richtigen Worte für eine Erklärung zu finden. Wir stellten Pläne zusammen, sprachen über Nebenwirkungen und simple Dinge, die ein Teenager-Mädchen erfreuen. Knapp zwei Jahre lang war Sunitha jeden Donnerstag ein Teil unserer Familie und half mir schlussendlich all meinen Mut zusammenzunehmen und mir die Medikamente selbst zu spritzen. Auch heute, neun Jahre nach der Diagnose – ohne Schmerzen und Entzündungen in den Gelenken – weiß ich, wenn ich Hilfe brauche oder irgendetwas mein Herz bedrückt, in Sunitha finde ich auf jeden Fall immer eine Zuhörerin. 

stern-Aktion – für eine Pflege in Würde!

→ Hier finden Sie alle Informationen zur Pflege-Petition

→ Sie wollen uns erreichen? Schreiben Sie an pflegepetition@stern.de

Sunitha war unser Engel und vollbrachte ein kleines Wunder. An ihr konnte ich sehen, wie wichtig es ist, gute Betreuung durch Pflegekräfte zu bekommen. Wie gut es tut und wie unentbehrlich es ist – besonders für chronisch Kranke. Für Menschen, die jeden Tag mit ihrer Krankheit zu kämpfen haben, die selten Licht in dunklen Zeiten sehen können. Das gilt nicht nur für Menschen mit Rheuma, auch für Demente und Alte, für Todkranke und Verletzte. Jeder Mensch braucht eine Pflegekraft, die Zeit hat, Sonnenlicht ins Dunkel zu bringen. Aber das ist den Pflegekräften in Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Pflegeeinrichtungen nur selten möglich. Personalmangel führt zu Zeitmangel. Zu viele Patientinnen und Patienten müssen von einer Pflegekraft gleichzeitig versorgt werden. Was hinten runterfällt, ist meist die Menschlichkeit und das Licht, das für viele Patienten genauso wichtig wäre, wie die verabreichten Medikamente.

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Über die Aktion:

Es geht um Ihre Kinder, Eltern und Großeltern, um unser aller Zukunft. Wir brauchen gute Pflege. Früher oder später. Deutschland altert schnell, und immer mehr Menschen sind im Alltag auf professionelle Pflege angewiesen. Doch in den Krankenhäusern, Heimen und bei den ambulanten Diensten herrscht ein enormer Pflegenotstand. Überall fehlen Pflegekräfte, weil die Arbeitsbedingungen schwer zumutbar sind und das Gehalt zu niedrig. Wir alle sind davon akut bedroht: Pflegekräftemangel führt zu schwereren Krankheitsverläufen, mehr Komplikationen und Todesfällen. Unsere Politiker:innen finden seit zwei Jahrzehnten keine wirksame Gegenmaßnahme. Es braucht einen ganz großen Wurf, um den Pflegekollaps noch aufzuhalten. Unser Umgang mit dem Thema Pflege entscheidet darüber, wie menschlich unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert bleibt.

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