Noch vor wenigen Jahren wurde er als der "Rolls-Royce" für die Hüftchirurgie gepriesen: der in den Vereinigten Staaten entwickelte Operationsautomat Robodoc. Mit nahezu hundertprozentiger Präzision sollte das Gerät passgenaue Löcher für die Aufnahme von Gelenk-Implantaten fräsen. Deren Haltbarkeit sollte dann alles bisher Dagewesene übertreffen.
Aber der Maschinenarzt
ist unter Beschuss gekommen. Klagen ehemaliger Patienten häufen sich. 583 Männer und Frauen, die sich als Robodoc-Opfer sehen, haben sich in einer Selbsthilfegruppe zusammengefunden. Hunderte wollen auf Schadenersatz klagen. Manche von ihnen können nach dem Eingriff nur noch an Krücken gehen oder sitzen im Rollstuhl. Der Verdacht: Womöglich führt die OP-Technik ungewöhnlich häufig zu Schäden an Nerven und Muskeln.
An der Frankfurter Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU), in der 4931 der rund 7500 deutschen Robodoc-Patienten operiert wurden, gab man sich bislang optimistisch. Schließlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt im Dezember 2004 in einem Fall entschieden, dass der Einsatz der OP-Maschine kein ärztlicher Behandlungsfehler gewesen sei und dass das Robodoc-Verfahren dem herkömmlichen manuellen Verfahren nicht unterlegen sei.
Doch nun könnte die Luft dünner werden. Ein kürzlich in den USA aufgetauchtes Dokument, das dem stern vorliegt, bringt die Frankfurter Klinik möglicherweise schwer in Bedrängnis: Danach sollte mit Patienten des Hauses eine klinische Studie erstellt werden - worüber die Kranken allerdings nie aufgeklärt wurden. Außerdem ist dem Papier zu entnehmen, dass das Verfahren 1994 - im Jahr, in dem die BGU mit den OPs begann - noch experimentell war.
Bislang hat die BGU bestritten, dass das Verfahren experimentell war. Sie hat ebenfalls versichert, dass es keine Studie gegeben habe. Dabei hätte Letztere durchaus einen Sinn haben können, jedenfalls für den Hersteller des Robodoc-Geräts, die US-Firma Integrated Surgical Systems (ISS). Das Unternehmen durfte in den USA zwar eine Testreihe durchführen. Danach jedoch verweigerte die zuständige Behörde Anfang der 90er Jahre eine Anerkennung der Robodoc-Technik als Standardverfahren. Die Begründung: keine Vorteile erkennbar. Mehr Daten hätten womöglich helfen können, die Behörde zu einer neuen Einschätzung zu bringen.
Am 14. Juli will der Geschädigtenanwalt Jochen Grund dem Frankfurter Landgericht nun das neue Dokument vorlegen. Es handelt sich um einen Vertrag vom 3. Mai 1994 zwischen der Herstellerfirma ISS und der BGU über den Verkauf des Robodoc-OP-Equipments - und über die Erhebung von Daten für eine Studie.
Einleitend wird festgestellt,
dass ISS "Evaluierungen bezüglich der Installation, des Gebrauchs und des Supports bestimmer ISS-Ausrüstung" durchführen möchte, "zum Zwecke weiterer Entwicklung und Vermarktung der Ausrüstung". Die BGU, so heißt es weiter, wolle eine solche Ausrüstung kaufen "und an klinischen Versuchen am Menschen teilnehmen". An anderer Stelle steht unmissverständlich: Die Klinik "erkennt an, dass das System experimentell ist" und "stimmt zu, als ein Evaluierungsort für das mit diesem Vertrag gekaufte und lizensierte System zu agieren."
"Zwar ist es durchaus statthaft, neue Techniken und Verfahren an einer ausgewählten Schar von Probanden durchzuführen", betont Anwalt Grund. "Aber die Hürden liegen hoch." Vor allem müssen die Studienteilnehmer umfassend über alle nur denkbaren Risiken aufgeklärt und sämtliche Vor- und Nachteile gegenüber dem konventionellen Verfahren erörtert werden. Die BGU gibt durchaus zu, keine Patienten über eine klinische Studie aufgeklärt zu haben - denn schließlich sei ja gar keine durchgeführt worden. Bislang bestreitet die Klinik sogar, dass es überhaupt Vereinbarungen mit ISS über eine Studie gegeben habe.