Anzeige
Anzeige

Degenerative Skoliose Wenn das Rückgrat zur Seite knickt

Die degenerative Skoliose ist eine typische Alterskrankheit
Die degenerative Skoliose ist eine typische Alterskrankheit
© Colourbox
Unsere Wirbelsäule verschleißt mit der Zeit. Dadurch kann sich das Rückgrat zu einer Seite krümmen. Das ist für viele Betroffene mehr als ein Schönheitsmakel. Sie leiden oft unter Rückenschmerzen.

Es sieht so aus, als ob jemand viele Jahre mit der einen Hand eine schwere Tasche geschleppt und das Rückgrat sich deshalb zu dieser Seite geneigt hat. Doch bis die Wirbelsäule sich so stark verbiegt, dass es deutlich sichtbar ist, vergehen Jahre. Weil das Abknicken nicht von heute auf morgen passiert, ahnen viele Betroffenen nicht, was in ihrer Wirbelsäule vor sich geht. Oft tut zunächst der Rücken weh, manchen Menschen zieht es auch in den Beinen oder sie haben ein Taubheitsgefühl darin.

Wenn sich das Rückgrat im Alter seitlich krümmt, sprechen Mediziner von degenerativer Skoliose. An diesem Verschleißphänomen erkranken in der Regel erst Menschen jenseits der 60. Meistens macht die Abnutzung sich zunächst an den Bandscheiben und den Gelenken der Lendenwirbelsäule bemerkbar - daher schmerzt vielen Betroffenen erst das Kreuz.

Die meisten Menschen mit degenerativer Skoliose haben noch weitere Verschleißerkrankungen. Oft sind Bandscheiben geschädigt und die Wirbelgelenke abgerieben oder Wirbelkanäle so verengt, dass sie Nerven einklemmen. Auch Knochenschwund spielt eine große Rolle - besonders bei Frauen. Ärzte halten ihn daher für einen wichtigen Grund, warum Frauen öfter an verschleißbedingter Skoliose erkranken als Männer.

Körper aus dem Lot

Zum Verbiegen der Wirbelsäule kommt es, weil Verschleiß meist auf einer Körperseite stärker ausgeprägt ist und einige Stellen dadurch besonders viel Last zu tragen haben. Manchmal brechen Wirbel und lassen das Rückgrat langsam seitlich einknicken.

Anstrengende Körperhaltungen können die Krümmung des Rückgrats noch verschlimmern. Manchmal bewegt jemand bloß aus Gewohnheit falsch, oder weil es in einer bestimmten Situation nun mal nicht anders geht. Hinter einer Fehlhaltung können aber auch körperliche Gründe stecken. Eventuell halten Sie Ihren Körper ständig schief, weil eine Schulter hängt oder ein Bein kürzer ist. Auch Menschen, die als Kinder oder Jugendliche eine Skoliose hatten, laufen Gefahr, dass ihre Wirbelsäule im Alter schnell verschleißt und eine Verbiegung zunimmt.

Symptome

Am Anfang warnen Sie vor allem Rückenschmerzen: Den meisten Menschen tut es im Kreuz weh, wenn sich ihre Wirbelsäule zu einer Seite verbiegt. Mit bloßem Auge zu sehen ist die Krümmung zu diesem Zeitpunkt oft noch nicht. Erst nach vielen Jahren, wenn sich der Rücken stark nach links oder rechts beugt, ist eine degenerative Skoliose deutlich sichtbar. Wenn es ganz schlimm kommt, können die Betroffenen sich nicht mehr gerade halten und müssen sich bemühen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Die Rückenschmerzen können bis in die Beine ausstrahlen, wenn Sie gehen. Oft verändern sich durch den Verschleiß die Wirbelkörper, so dass sich der Wirbelkanal verengt und eine sogenannte Spinalkanalstenose entsteht. Klemmt dadurch ein Nerv ein, tut das richtig weh. Möglicherweise kribbeln auch Ihre Beine oder sie fühlen sich taub an.

Da Knochenschwund vielfach schuld an einer degenerativen Skoliose ist, sollten Sie auf Hinweise für eine Osteoporose achten. Deutliche Verdachtsmomente sind, dass Sie kleiner werden, dass sich ihre Wirbelsäule nach vorn neigt und dass Ihre Haut am Rücken Falten wirft, die an einen Tannenbaum erinnern.

Diagnose

Zeigen Sie Ihrem Arzt, wo Ihnen der Rücken weh tut und beschreiben Sie genau, wann es schlimmer wird. Das hilft ihm, schon einige der vielen möglichen Gründe für Rückenschmerzen abzuhaken. Dann prüft Ihr Arzt sicher, wie gut Sie sich bewegen können, ohne dass Sie Probleme bekommen, weil es schmerzt, oder weil Sie über die Jahre etwas steif geworden sind. Auch der Zustand Ihrer Muskulatur interessiert den Doktor und er wird Ihre Rückenmuskeln abtasten, um einen Eindruck zu bekommen, wie kräftig diese sind.

Normalerweise fragt der Arzt, ob Sie Probleme mit den Bandscheiben hatten und wie es um die Stabilität Ihrer Knochen bestellt ist. Eventuell erkundigt er sich, ob es in Ihrer nahen Verwandtschaft schon Fälle von Knochenschwund gab. Möglicherweise steht die Diagnose Osteoporose sogar schon fest und Sie haben sich bereits Wirbel angeknackst.

Damit der Arzt sehen kann, ob Ihr Rückgrat gekrümmt ist, wird er Sie zunächst bitten, Ihren nackten Oberkörper nach vorn zu neigen. Mit einer Art Wasserwaage, einem sogenannten Skoliometer, misst er dann die Krümmung.

Um den Grad der Krümmung genau ausmessen zu können, macht der Arzt Aufnahmen von ihrer Wirbelsäule. Das geht durch Röntgen, eine Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT), die auch Kernspin-Tomografie heißt, oder eine Computer-Tomografie (CT).

Verdrehungen sind eine Ausnahme

Auf den Bildern sieht der Doktor auch, ob Ihre Wirbelsäule nur seitlich verbogen oder zusätzlich verdreht ist. Das kann bei einer verschleißbedingten Skoliose zwar vorkommen, passiert aber seltener als bei der sogenannten idiopathischen Skoliose, die Kinder und Jugendliche bekommen können. Falls sich die Wirbelsäule im Alter um ihre eigene Achse dreht, dann meist nicht stark.

Je nachdem, wie sehr Ihre Wirbelsäule gekrümmt und gedreht ist, entscheidet der Arzt, welche Behandlung für Sie sinnvoll ist.

Therapie

Damit sich der Rücken nicht weiter verbiegt, sondern wieder aufrichtet, schickt Ihr Arzt Sie sicher zur Physiotherapie. Dort wird der Therapeut Sie bewegen und massieren. Außerdem bringt er Ihnen Übungen bei, die Sie regelmäßig zu Hause machen müssen, wenn die Behandlung Erfolg haben soll. Falls Ihr Rücken sehr schmerzt, wird die Krankengymnastik ein hartes Stück Arbeit. Eventuell ist eine begleitende Schmerztherapie notwendig. Bessert sich der Zustand Ihrer Wirbelsäule, verschwinden meist auch die Schmerzen.

Ist Ihre Wirbelsäule nicht nur gekrümmt, sondern zusätzlich verdreht, verordnen Ärzte meistens Krankengymnastik nach Katharina Schroth. Das ist ein spezielles Übungsprogramm, um das Rückgrat zu strecken und zu entdrehen. Damit das Ergebnis anhält, stärkt die Schroth-Therapie auch die Muskulatur.

Manchmal ist eine Operation notwendig

Reichen die Sitzungen beim Physiotherapeuten und regelmäßiges Üben zu Hause nicht aus, um Ihre Skoliose in den Griff zu bekommen, ist eine Intensivbehandlung in einer Spezialklinik sinnvoll. Dort absolvieren Sie drei bis vier Wochen lang täglich bis zu sechs Stunden ein Programm, das Krankengymnastik, Bewegung und Muskeltraining mit einer Schmerztherapie und psychologischer Betreuung kombiniert.

In sehr schlimmen Fällen kann eine Operation nötig sein, um die Wirbelsäule zu begradigen. Dazu versteift der Chirurg den abknickenden Abschnitt mit Schrauben und Stäben und bringt das Rückgrat so in eine aufrechte Position. Doch ein solcher Eingriff ist keine Lappalie und besonders, wenn Sie schon älter sind, sollten Sie Nutzen und Risiken einer Skoliose-Operation sorgfältig mit Ihrem Doktor abwägen.

Mit aller Macht gegen die Schmerzen

Der zweite Pfeiler einer Skoliose-Behandlung ist eine Schmerztherapie mit Medikamenten und Verhaltensprogrammen, in denen Sie lernen, die Qual besser zu ertragen. Außerdem kann Ihr Arzt ein Korsett verschreiben, was die Schmerzen lindert. Für die degenerative Skoliose gibt es spezielle Korsette, die den abgenutzten Bereich der Wirbelsäule entlasten, indem sie ihn etwas anheben.

Möglicherweise hat Ihr Körper schon ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickelt und Ihr Rücken tut auch ohne akuten Anlass weh. Dann ist es sehr wichtig, dass die Therapie die Erinnerung an den Schmerz vergessen macht.

Tipps

Ein gewisses Maß an Verschleiß kommt einfach mit den Jahren. Doch Probleme, wie eine degenerative Skoliose, sind deshalb noch lange nicht programmiert. Lassen Sie es Ihrer Wirbelsäule gut gehen, indem Sie sich genug bewegen und nicht zu viel Körpergewicht mit sich herumschleppen. Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Muskeln gezielt kräftigen, damit sie Ihrem Rückgrat beim Tragen helfen können. Außerdem stärkt jedes Betätigen der Muskeln auch die Knochen und beugt so Osteoporose vor.

Wenn Sie bemerken, dass Sie sich schief halten, sollten Sie rasch reagieren. Eventuell reicht es, wenn Sie darauf achten, Ihre Haltung zu korrigieren. Falls aber ein kürzeres Bein oder eine hängende Schulter hinter Ihrem schiefen Stand steckt, sollten Sie sich mit einem Arzt beraten, wie Sie eine Verschleiß-Skoliose verhindern können.

Ein Korsett darf nicht scheuern

Wenn Sie ein Korsett tragen, sollten Sie darunter eng anliegende Unterhemden oder T-Shirts anziehen, damit keine scheuernden Falten entstehen. Am besten tragen Sie die Nähte nach außen oder Sie kaufen gleich nahtlose Unterwäsche. Achten Sie darauf, dass Ihr Korsett nicht zu locker sitzt, dann kann es nämlich scheuern. Druckstellen am besten gleich behandeln, damit sie nicht schlimmer werden.

Die Haut unter dem Korsett braucht besondere Pflege. Deshalb sollten Sie duschen, sobald Sie geschwitzt haben und ein durchnässtes Hemd zügig gegen ein trockenes tauschen. Cremen Sie die Haut nach dem Waschen mit einer Feuchtigkeitscreme oder einer harnstoffhaltigen Salbe ein. Harnstoff, der auch Urea genannt wird, kann viel Wasser binden und eignet sich daher gut, um trockene Haut zu pflegen.

Expertenrat

Kay Steffan, Chefarzt des Skoliosezentrums an der Asklepios Klinik Bad Salzungen, antwortet.

Ich habe eine Verschleiß-Skoliose und möchte Sport machen. Welche Sportarten empfehlen Sie mir?

Geeignet sind vor allem Sportarten, bei denen Sie die Wirbelsäule nicht sehr stark bewegen müssen und Muskeln aufbauen. Sie können beispielsweise Nordic Walking machen und Rad fahren. Gut ist auch Wassersport wie Schwimmen, Aqua-Jogging oder Aqua-Cycling. Denn Wasser hat den Vorteil, dass es den Körper trägt und Bewegungen leichter fallen. Ballsportarten wie Tennis und Squash sollten Sie mit Ihrer degenerativen Skoliose nicht machen. Diese Sportarten haben den Nachteil, dass sie den Körper sehr einseitig belasten und schnelle, ruckartige Bewegungen nötig sind.

Mein Doktor hat mir ein Korsett verordnet. Muss ich das nun bis an mein Lebensende tragen?

Bei einer degenerativen Skoliose ist es ein Therapieziel, die Muskeln durch Krankengymnastik so weit aufzubauen, dass kein Korsett mehr nötig ist. Das dauert erfahrungsgemäß aber mindestens ein Jahr. Denn die Betroffenen sind meistens über 60 Jahre, haben Übergewicht und haben nie Sport gemacht. Bei so jemandem reagieren die Muskeln sehr langsam. Außerdem ist sein Körpergefühl in der Regel wenig ausgeprägt und er braucht länger, um Übungen umsetzen zu können.

Was kann die Familie bei degenerativer Skoliose tun?

Wichtig ist, Erkrankte bei der Therapie zu unterstützen. Anfangs, wenn der Rücken weh tut, sind Betroffene meistens sehr motiviert, ihre krankengymnastischen Übungen zu machen. Die meisten halten das regelmäßige Trainieren aber nicht einmal ein Jahr lang durch, obwohl sich erst danach eine echte Besserung einstellt. Deshalb sollten Angehörige den Skoliose-Kranken zur Krankengymnastik drängen und ihm helfen, seinen inneren Schweinehund zu überwinden. Falls der Kranke Übergewicht abbauen muss, fällt das leichter, wenn die ganze Familie ihre Ernährung umstellt.

Martina Janning

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel