Eine Frau stolpert und zertrümmert sich beim Abstützen das Handgelenk. Ein Mann rutscht im Bad aus und bricht sich den Oberschenkelhals. Ein anderer umarmt kräftig seinen Freund und knackst sich dabei eine Rippe an. Oft sind es geringfügige Anlässe, die zum Knochenbruch führen, wenn jemand Osteoporose hat.
Osteoporose bedeutet Knochenschwund, aber dieser Begriff führt in die Irre: Die Knochen verschwinden nicht, sondern die Krankheit höhlt sie aus und lässt sie schütter werden. Das innere Knochengerüst ist wie ein Schwamm aufgebaut, brechen dort die Stützbalken ein und wachsen die vorhandenen Hohlräume nicht wieder zu, werden die Knochen porös, und sie können bei jeder Kleinigkeit brechen.
Unter Osteoporose leiden vor allem Frauen nach den Wechseljahren und Männer ab dem sechzigsten Lebensjahr. Aber auch jüngere Menschen können schon Knochenschwund haben: etwa wenn sie zuckerkrank sind oder wenn sie Medikamente einnehmen müssen, die auf die Knochen gehen, wie etwa Kortison.
Das Skelett ist das Kalzium-Lager unseres Körpers
Unsere Knochen bauen sich permanent um: Im Laufe des Lebens erneuert sich unser Skelett drei- bis viermal. Denn unser Knochengerüst ist das Minerallager des Körpers. Hier speichert er vor allem Kalzium. Dieses Element macht den Knochen hart und widerstandsfähig.
Als Kinder und junge Erwachsene bauen wir mehr neues Knochengewebe auf als ab. Sind wir 30 geworden, haben unsere Knochen ihre höchste Dichte. Danach werden sie wieder leichter: Der Körper baut mehr Knochen ab als auf, er zieht mehr Kalzium aus dem Skelett ab, als er einlagert. Doch nicht jeder alte Mensch bekommt automatisch Osteoporose. Allerdings steigt das Risiko mit den Lebensjahren. Tatsache ist, dass Menschen über 75 sich überproportional häufig die Knochen brechen.
Symptome
Es kracht im Kreuz, ein stechender Schmerz schießt in den Rücken: Osteoporose macht sich oft mit einem Schlag bemerkbar. Doch die Knochen haben sich schon lange vorher verändert, ohne dass die Betroffenen etwas davon mitbekommen haben. Manchmal ist es auch nur ein leichter Sturz oder eine kräftige Umarmung, die zum Bruch führen. Sogar ein Hustenanfall oder ein Niesen können einem geschwächten Skelett einen Knacks geben.
Solch ein Knacks an der Rippe oder am Wirbel tut ziemlich weh, meistens machen sich die Schmerzen im Rücken bemerkbar. In der Regel ist das aber nach ein paar Wochen überstanden. Wenn die Osteoporose allerdings schon fortgeschritten ist, haben viele Betroffene ständig Schmerzen. Ihre Wirbelsäule hat sich dann verformt oder ist gestaucht, weil das Knochengewebe ausgedünnt ist. Viele Brüche bleiben sogar unbemerkt. Denn Knochen können auch brechen, ohne Schmerzen zu verursachen. Trotzdem wirken sich solche Brüche auf Muskeln und Sehnen aus: Sie können sich verkürzen, verhärten oder verspannen und dadurch weh tun.
An Osteoporose sollten Sie denken, wenn Sie Folgendes an sich beobachten:
- Sie schrumpfen und sind schon vier Zentimeter kleiner als mit 18 Jahren.
- Ihre Wirbelsäule krümmt sich nach vorn, Sie haben einen so genannten Witwenbuckel.
- Die Haut am Rücken wirft Falten. Diese verlaufen von der Mitte zu beiden Seiten abwärts und erinnern an einen Tannenbaum.
- Sie haben ein sehr schlechtes Gebiss und Ihnen fallen frühzeitig die Zähne aus.
- Sie sind eine Frau im mittleren Lebensalter und brechen sich das Handgelenk bei einem nichtigen Anlass.
Diagnose
Möglicherweise ist Ihr Hausarzt stutzig geworden, weil Sie zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres einen Knochenbruch hatten. Oder Sie selbst fragen sich, warum Sie ständig unter Rückenschmerzen leiden. Vielleicht erinnern Sie sich auch, dass Ihre Mutter an Osteoporose litt. In jedem dieser Fälle sollte Ihr Hausarzt Sie an einen Facharzt überweisen, der auf Knochenkrankheiten spezialisiert ist.
Dieser Osteologe wird Sie unter anderem fragen, ob Sie schon in den Wechseljahren sind, wieviel Sie wiegen und ob Sie rauchen oder etwas mehr Alkohol trinken. Denn all dies sind Risikofaktoren, die den Knochen schneller brüchig werden lassen. Wahrscheinlich wird sich der Facharzt auch danach erkundigen, ob Sie Vitamine und Mineralien zu sich nehmen oder bestimmte Medikamente schlucken müssen, die Ihre Knochen schwächen können. Ihre Antworten geben ihm Hinweise darauf, ob Sie tatsächlich Osteoporose-gefährdet sind.
Der Strukturtest: die Messung der Knochendichte
Treffen bei Ihnen einige Risikofaktoren zu, wird die Osteologin Ihnen empfehlen, die Knochendichte zu kontrollieren. Das ist möglich mit der so genannten DXA-Technik, der dual energy x-ray absorptiometry. Mit dieser speziellen Röntgen-Untersuchung misst die Ärztin die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule und der Hüfte.
Das Ergebnis vergleicht sie mit der durchschnittlichen Knochendichte von gesunden jungen Erwachsenen und errechnet daraus den sogenannten T-Wert. Aus diesem Wert - ins Verhältnis gesetzt zu Ihrem Alter und Ihrem Geschlecht - schließt die Fachärztin, ob Sie mit Osteoporose rechnen müssen oder ob Ihre Knochenmasse bereits abnimmt.
Die DXA-Technik ist die gängigste Messmethode. Allerdings ist sie sehr umstritten, weil sie keine zuverlässige Diagnose ermöglicht. So sagen die Mess-Ergebnisse von Lendenwirbelsäule und Hüfte nichts über den Zustand des ganzen Körpers aus. Problematisch ist auch, dass sich Messungen mit verschiedenen Geräten nicht vergleichen lassen.
Die Kassen bezahlen nur in besonderen Fällen
Deshalb übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten meistens nicht. Sie bezahlen die DXA-Messung nur dann, wenn Sie sich einen Knochen bei einem so genannten Bagatell-Unfall gebrochen haben, also etwa beim Heben, einer herzlich-kräftigen Umarmung oder gar beim Husten oder Niesen. Wenn Sie von der Leiter fallen oder einen Fahrradunfall haben und Ihre Knochen dabei brechen, müssen Sie die Untersuchung - sofern Sie eine solche wünschen - selbst bezahlen.
Möglicherweise gewinnt der Arzt aus der DXA-Messung kein eindeutiges Bild. Dann wird er Ihnen zusätzliche Untersuchungen empfehlen, etwa eine Computer-Tomografie, eine Ultraschall-Untersuchung oder das Röntgen der Wirbelsäule. Eine Blutanalyse kann zeigen, ob Sie Krankheiten haben, die Ihre Knochen angreifen, wie Diabetes mellitus oder rheumatoide Arthritis.
Therapie
Haben Sie Osteoporose, sollten Sie keinesfalls aus lauter Furcht vor einem Knochenbruch in eine Art Angststarre verfallen. Sie müssen sich bewegen, um Ihre Knochen zu stärken und um Ihre Muskeln aufzubauen. Bewegung schult außerdem Ihren Gleichgewichtssinn. Den brauchen Sie, um schnell zu reagieren und Ihre Bewegungen zu koordinieren. Das wiederum schützt Sie am besten vor einem Sturz. Bewegung ist also das A und O - sogar Krafttraining können Sie machen!
Die zweite Säule Ihres neuen Lebensstils heißt: gesunde Ernährung. Nehmen Sie jeden Tag mindestens 1200 Milligramm Kalzium zu sich. Mögen oder vertragen Sie keinen Käse, Joghurt und Quark, können Sie Kalziumtabletten einnehmen.
Sorgen Sie für genug Vitamin D. Da der Körper einen Großteil seines Bedarfs an diesem Vitamin in der Haut produziert, sollten Sie Gesicht und Arme täglich mindestens 30 Minuten dem natürlichen Tageslicht aussetzen. Schaffen Sie das nicht, können Sie das mit Vitamin-D-Pillen ausgleichen. Kalzium- und Vitamin-D-Tabletten sollten aber aufeinander abgestimmt sein. Und vergessen sie das Rauchen: Nikotin verengt die Adern. Dadurch bekommen die Knochen weniger Sauerstoff und Kalzium.
Medikamente können die Knochen ein wenig länger erhalten
Falls Ihnen schon Wirbelkörper gebrochen sind oder Ihre Knochendichte kritisch ist, wird Ihre Ärztin Ihnen ein Arzneimittel gegen die Osteoporose verordnen. Das wird sie übrigens auch dann tun, wenn sie Ihr Risiko für den Bruch eines Wirbels oder einer Hüfte in den nächsten zehn Jahren mit mindestens 30 Prozent einschätzt. Sie berücksichtigt dabei, ob Sie erblich vorbelastet sind, ob Sie rauchen oder ob Sie ein körperliches Handicap haben, das Ihnen wenig Bewegung erlaubt.
Die meisten Osteoporose-Kranken nehmen so genannte Bisphosphonate ein. Diese Wirkstoffe stärken die noch vorhandene Knochensubstanz und verhindern, dass sich die Knochen übermäßig abbauen. Daneben gibt es Medikamente wie Raloxifen, Strontiumranelat oder Teriparatid, sie erhalten die Knochensubstanz.
Leiden Sie als Frau zusätzlich zum Knochenschwund an schweren Wechseljahrsbeschwerden, kann es unter Umständen sinnvoll sein, Östrogene einzunehmen. Vorher sollten Sie aber mit Ihrer Ärztin sehr genau abwägen, ob der Nutzen von Östrogenen im Verhältnis steht zu ihren Risiken. Denn die Hormone erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Brustkrebs, Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle zu bekommen. Wegen dieser Risiken empfehlen Fachleute bei Wechseljahrsbeschwerden, Östrogene nur für kurze Zeit einzunehmen. Eine Östrogen-Behandlung bei Osteoporose dauert aber mindestens drei bis fünf Jahre oder sogar länger.
Rappeln Sie sich nach einem Bruch rasch auf!
Wenn Sie tatsächlich das Pech hatten, sich einen Wirbel zu brechen, sollten Sie sich zu Osteoporose-Medikamenten entschließen. Denn innerhalb des ersten Jahres nach einem Bruch ist die Gefahr besonders groß ist, dass das Gleiche dem nächsten Wirbel passiert.
Kommen Sie nach einem Knochenbruch schnell wieder auf die Beine: Bewegen Sie sich, das rüttelt am Skelett und hält Ihre Knochensubstanz davon ab, zu schnell zu schrumpfen. Lassen Sie sich von Schmerzen nicht davon abhalten: Dagegen können Medikamente helfen, sprechen Sie Ihren Arzt darauf an. Sonst verleitet der Schmerz Sie dazu, sich zu schonen. Und genau das ist Gift für Ihre Knochen!
Tipps
Nehmen Sie genügend Kalzium zu sich. Der Mineralstoff macht Knochen hart und widerstandsfähig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt Frauen in den Wechseljahren und Männern über 65 Jahre mindestens 1300 Milligramm Kalzium pro Tag. Bis zu 2500 Milligramm Kalzium täglich sind gut verträglich. Sehr viel mehr sollten Sie nicht zu sich nehmen, da einige Studien den Verdacht nahelegen, dass ansonsten Nierensteine entstehen können.
Reich an Kalzium sind Kuhmilch, Joghurt, Käsesorten wie Gouda und Emmentaler, grünes Gemüse wie Blattspinat und Broccoli sowie Mineralwasser mit mindestens 150 Milligramm Kalzium pro Liter. Bevor Sie zusätzlich zu Ihren Lebensmitteln irgendeine Kalziumtablette schlucken, sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen, ob das sinnvoll ist. Er wird Ihnen gegebenenfalls ein geeignetes Mittel empfehlen.
Kleben Sie den Teppich fest!
Um Stürze zu verhindern, sollten Sie sich auch im fortgeschrittenen Alter viel bewegen. Denn körperliche Aktivität macht sicherer und verbessert die Koordination. Beseitigen Sie Stolperfallen in Ihrer Wohnung, zum Beispiel die Türschwellen. Macht das Probleme, bauen Sie Bretter so an, dass eine kleine Rampe entsteht. Räumen Sie lose liegende Teppiche und Läufer am besten fort. So stolpern Sie nicht über hochstehende Ecken und Kanten.
Sie können Teppiche sichern, indem Sie Anti-Rutschmatten oder Klebebeläge darunter anbringen. Achten Sie darauf, dass Fußmatten und Vorleger im Bad eine rutschfeste Unterseite haben. Kleben Sie notfalls Gummiunterleger darunter. Elektrokabel und Telefonschnüre sollten nicht kreuz und quer durch den Raum laufen. Sie lassen sich mit Kabelschellen an den Fußleisten entlang verlegen, durch Kabelkanäle ziehen oder mit Paketklebeband auf den Boden kleben.
Expertenrat
Dr. Leonore Unger, Leiterin des Osteoporose-Zentrums Dresden und Chefärztin am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt antwortet:
Warum bekommen mehr Frauen als Männer Osteoporose? In den Wechseljahren bildet der Körper einer Frau nicht mehr so viel Östrogen. Dieses Hormon ist wichtig für die Zellen, die die Knochen aufbauen. Wenn der Östrogenspiegel sinkt, baut der Körper Knochen schneller ab. Nach der letzten Menstruation nimmt die Knochenmasse pro Jahr um ein bis drei Prozent ab. Zudem haben die meisten Frauen von Natur aus schlankere Knochen als Männer. Solche Knochen sind anfälliger für Brüche als kräftigere Knochen.
Ich habe Osteoporose und will mich bewegen, aber ich habe Angst, mich zu verletzen. Welcher Sport ist gut für mich?
Bewegung und Sport sind bei Osteoporose schwierige Themen. Wir wissen, dass zum Beispiel hohe Sprünge und Übungen mit Gewichten den Knochenaufbau fördern. Osteoporose-Kranke können aber beides kaum machen, weil das Potenzial für Verletzungen groß ist. Bewegen sie sich jedoch gar nicht, nimmt ihre Knochenmasse immer weiter ab. Deshalb gilt es, einen guten Mittelweg zu finden. Ausgedehnte Spaziergänge kann fast jeder unternehmen. Für viele eignet sich auch Radfahren oder Schwimmen, um ihre Muskulatur und Koordination zu trainieren und dadurch das Sturzrisiko zu senken. Wer dazu in der Lage ist, kann zum Beispiel Volleyball, Basketball oder Tennis spielen und Gewichte heben. Wenn Sie gerade einen Knochenbruch hinter sich haben, sollten Sie sich von einem erfahrenen Physiotherapeuten beraten lassen, welcher Sport für Sie geeignet ist.
Zu welchem Arzt sollte ich gehen, wenn ich glaube, Osteoporose zu haben?
Zunächst ist Ihr Hausarzt der richtige Ansprechpartner. Wenn er Risikofaktoren für eine Osteoporose feststellt, wird er eine Knochendichte-Messung veranlassen. Weist sie eine Osteoporose nach, sollten Sie einen Orthopäden, Rheumatologen oder Endokrinologen aufsuchen, möglichst einen, der die Zusatzbezeichnung Osteologe DVO trägt. DVO bedeutet Dachverband Osteologie. Das ist eine Vereinigung von wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die Erkrankungen des Knochens erforschen und behandeln.
Forschung
Jugendliche, die oft Cola, Apfelschorlen oder andere Softdrinks trinken, haben weniger mineralhaltige und damit instabilere Knochen. Dies erhöhe die Gefahr, im späteren Leben an Osteoporose zu erkranken, sagt Thomas Remer, Studienleiter am Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) an der Universität Bonn.
Remers Erkenntnisse beruhen auf der so genannten Donald-Studie, in der das FKE seit 1985 Ernährungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen erfasst. Im Jahr 2008 werteten die FKE-Wissenschaftler erstmals die Daten zum Konsum von Softdrinks aus. Zusätzlich maßen sie bei vielen Teilnehmern den Mineralgehalt der Knochen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im American Journal of Clinical Nutrition.
Warum Limonaden die Knochen weich machen, konnten die Wissenschaftler noch nicht vollständig klären. Zwar stellten sie fest, dass sich koffeinhaltige Softdrinks direkt auf den Knochenstoffwechsel auswirken. Sie glauben aber, dass es einen weiteren Zusammenhang durch unausgewogene Ernährung gibt: Wer seinen Durst meistens mit Limonaden stillt, nimmt im Schnitt weniger Eiweiß zu sich. Knochen brauchen aber ausreichend Protein, um stabil zu werden.
Bislang hatten Forscher den negativen Einfluss von Softdrinks eher darauf zurückgeführt, dass die Limonaden Milch als Getränk ersetzen. „Wir konnten allerdings keinen spezifischen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Knochenmineralgehalt feststellen“, sagt der Autor der Studie Lars Libuda.