Noch immer sind Millionen Menschen in Deutschland nicht gegen das Coronavirus immunisiert. Manche wollen sich auch künftig partout keine Spritze setzen lassen, andere sind nach wie vor unsicher. Viele warten einfach ab. Darauf, dass die Pandemie vorübergeht, aber auch auf die bei Impfskeptikern hoch im Kurs stehenden Totimpfstoffe. Zwei Kandidaten stehen bereits in den Startlöchern, einer könnte sogar noch in diesem Jahr die Zulassung erhalten – Nuvaxovid (NVX-CoV2373) von Novavax. Doch hält das Vakzin, was sich Impfskeptiker von ihm versprechen? Ein Überblick.
Was unterscheidet Novavax von bereits zugelassenen Impfstoffen?
Vektor-, mRNA-, Totimpfstoff – Impfstoff ist nicht gleich Impfstoff. Sie basieren auf durchaus unterschiedlichen Technologien. Die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna enthalten eine sogenannte "messenger-RNA" (mRNA), diese liefert dem Körper den Bauplan für ein Virusprotein. Die Vektorimpfstoffe von Johnson & Johnson und Astrazeneca hingegen beinhalten genetische Informationen des Virus in Vektoren, also harmlosen Trägerviren. Die Impfstoffkandidaten von Novavax und Valneva (mehr zu Valneva) werden als Totimpfstoffe bezeichnet, die entweder aus Erregerbestandteilen oder inaktivierten Erregern bestehen und mit einem Wirkverstärker versehen sind.
Genauer betrachtet handelt es sich bei dem Impfstoffkandidaten Nuvaxovid allerdings um einen Proteinimpfstoff, der mit gentechnischen Methoden hergestellt wird und den Wirkverstärker Matrix-M enthält. So hatte jüngst Florian Krammer, seinerseits Professor für Impfstoffkunde, seinen Unmut in einem Twitter-Post kund getan. Er schrieb: "Kann man bitte aufhören, den Impfstoff von Novavax als Totimpfstoff zu bezeichnen? Es ist ein rekombinanter Proteinimpfstoff."
Ist Novavax mehr Totimpfstoff als Biontech und Co?
Attraktiv finden viele Impf-Unentschlossene Totimpfstoffe, weil diese als klassische Vakzine gewertet werden. Sie werden bereits seit vielen Jahren eingesetzt, kommen beispielsweise gegen Hepatitis B und Grippe zum Einsatz. Sogenannte Totimpfstoffe enthalten ausschließlich – der Name lässt es vermuten – abgetötete Viren und können keine Erkrankung auslösen. Aber: Das gilt auch für mRNA- und Vektorimpfstoffe, erläutert das Robert Koch-Institut (RKI). Und: "Die COVID-19-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren. Insofern können sie mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden."
"Weil so viele Ungeimpfte nur Totimpfstoff wollen, warum auch immer, wird bald erhältliches Novavax als solcher bezeichnet", versuchte Karl Lauterbach, damals noch nicht Bundesgesundheitsminister, sodann einen Erklärungsversuch auf Krammers Post.
Was weiß man über die Wirksamkeit von Novavax?
Bereits im Sommer wurde eine Studie mit etwa 30.000 Probanden veröffentlicht, die optimistisch stimmt. Demnach wirkte das Vakzin von Novavax sehr effektiv mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent und damit etwa so gut wie die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna.
Eine weitere Studie mit noch einmal 15.000 Teilnehmern, die in Großbritannien durchgeführt wurden, kam auf ein ähnliches Ergebnis. Beide Studien wurden allerdings durchgeführt, bevor die Delta-Variante die vorherrschende wurde und damit auch bevor Omikron aufkam. Bekannt ist inzwischen, dass eine Booster-Impfung für ein gutes Antikörperlevel gegen Delta notwendig ist. Inwieweit der Impfstoff auch gegen diese Variante wirkt, prüft das Unternehmen derzeit.
Lohnt sich das Warten auf Novavax und Valneva?
Die Antwort ist einfach: nein. Die bereits zugelassenen Corona-Impfstoffe wurden inzwischen mehr als acht Milliarden Mal rund um den Globus verabreicht und sind damit extrem gut überwacht. Häufige Nebenwirkungen sind inzwischen bekannt. Zudem seien "ernsthafte Sicherheitsprobleme" laut der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) in Brüssel "äußerst selten". Sollten jetzt noch weitere Impfnebenwirkungen bekannt werden, treten diese also extrem selten auf.
Ein Argument von Impfskeptikern hält sich dennoch hartnäckig: fehlende Langzeitstudien. Dass dies jedoch ein Missverständnis ist, erläuterte der Immunologe Carsten Watzl in einem Twitter-Thread, als die Debatte um den Profi-Fußballer Joshua Kimmich hochkochte. Sogenannte Langzeitfolgen bei Impfungen seien keine gesundheitliche Folgen, die erst Monate oder Jahre nach der Impfung das erste Mal in Erscheinung treten. Es handele sich dabei um seltene Nebenwirkungen, die innerhalb weniger Wochen nach der Impfung auftreten. Häufig aber würden diese erst nach längerer Zeit mit der Impfung in Zusammenhang gebracht. Der "DPA" sagte er damals bezüglich der Angst vor vermeintlichen Impf-Langzeitfolgen: "Das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten".

Wann ist mit der Zulassung von Novavax zu rechnen?
In einigen Ländern werden Totimpfstoffe gegen das Coronavirus bereits eingesetzt, in China beispielsweise. In der EU steht eine Zulassung weiterhin aus, möglich ist aber, dass darüber noch in diesem Jahr entschieden wird, wie Marco Cavaleri, Direktor für Impfstrategie bei der Ema bekannt gab. Bereits Mitte November hatte Novavax bei der Ema einen entsprechenden Antrag für den Impfstoffkandidaten Nuvaxovid eingereicht, er wird seither auf Basis der Zulassungsstudie geprüft. Das Konkurrenzprodukt des französischen Herstellers Valneva soll zudem laut Ema beschleunigt geprüft werden.
Quelle: RKI, Novavax, Studie (1), Studie (2),