Mal stärker, mal schwächer verbunden mit den gesellschaftlichen Verhältnissen – bei den meisten neuen Büchern in diesem Herbst steht die Liebe im Mittelpunkt. Deutschsprachige und internationale Schriftsteller sind dabei fast gleichwertig vertreten.
Ganz persönlich und universal zugleich schildert Philip Roth in seinem neuen Roman "Jedermann" das Schicksal eines Designers. Schon der Titel lässt vermuten, dass Roth, der Autor über die Nöte des Alters, wieder einmal das Scheitern im Blick hat: den vergeblichen lebenslangen Kampf gegen die Hinfälligkeit und Sterblichkeit, der den Traum vom großen Glück immer gleich im Keim erstickt.
Vergeblichkeit der Liebe
Ein alter Mann steht auch im Mittelpunkt des neuen Romans von António Lobo Antunes. Der portugiesische Schriftsteller lässt in "Einen Stein werd ich lieben" den Protagonisten sich in seinen Lebenserinnerungen verlieren. Immer wieder taucht seine fast lebenslange Geliebte auf, von der seine ganze Familie wusste, über die aber niemand sich traute zu sprechen. Wie Roth schlägt auch Antunes einen melancholischen Ton an, wenn er die Vergeblichkeit der Liebe durchdekliniert.
Dass alle Liebesgeschichten von Männern letztlich auf die eigene Mutter zurückgehen, führt François Weyergans in seinem Roman "Drei Tage bei meiner Mutter" vor Augen. In dem Buch des französischen Autors, das 2005 mit Prix Goncourt 2005 ausgezeichnet wurde, versucht ein Schriftsteller vergeblich sein Buch zu beenden und flüchtet in seine Erinnerungen an amouröse Abenteuer. Nicht nur in seiner Gedankenreise, sondern auch physisch landet er am Ende bei seiner Mutter, der heimlichen Heldin des Romans.
Die nomadische Natur des Menschen
Einen anderen neuralgischen Punkt, der die Vergeblichkeit der Liebe erhellt, berührt Nicole Krauss in ihrem Roman "Kommt ein Mann ins Zimmer". Nach ihrem Welterfolg "Die Geschichte der Liebe" legt ihr deutscher Verlag nun das Debüt der amerikanischen Autorin nach. Darin geht es um einen Mann, der infolge eines Gehirntumors sein Gedächtnis und damit auch seine menschlichen Beziehungen verliert. Doch für die Autorin ist dieses Schicksal nur Ausdruck der ganz tief verwurzelten nomadischen Natur des Menschen, die ihn heimatlos macht.
Eine literarische Bestandsaufnahme, was zwei Menschen zusammen und auch wieder auseinander führt, unternimmt Ulla Hahn in ihrem Erzählungsband "Liebesarten". Wie der Titel schon nahe legt, breitet die Lyrikerin, die sich mit ihrem Roman "Das verborgene Wort" auch als Prosaautorin einen Namen gemacht hat, die unterschiedlichsten Facetten der Liebe aus. Dabei geht sie ganz nah an ihre Helden heran und hält doch zugleich eine wohltuende Distanz. In die Welt seiner Erfolgsnovelle "Fräulein Stark" kehrt Thomas Hürlimann mit seinem neuen Roman "Vierzig Rosen" zurück. Darin zeigt er ein Paar, das nicht nur in Sachen beruflicher Karriere ein schlagkräftiges Tandem ist, sondern sich auch seine Liebe zu bewahren weiß.
Liebe in Bombennächten
Noch stärker geht Helmut Krausser in seinem Roman "Eros" den gesellschaftlichen Verflochtenheiten der Liebe nach. Der reiche Held kann sich alles kaufen, nur nicht die Liebe der Frau, von der er sein Leben lang nicht loskommt. Die unerfüllte Liebe beginnt in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs und endet in den Verstrickungen der bundesrepublikanischen Terrorszene Ende der 1960er Jahre.
Damit klingt hier ein Thema an, das bei John Updike ganz im Zentrum steht. In seinem Roman "Terrorist" geht der zweimalige Pulitzerpreisträger den persönlichen Wurzeln der Gewalt und des Fanatismus nach. Er zeichnet ein vorurteilsfreies Psychogramm eines jungen Mannes, der in der amerikanischen Provinz vaterlos aufwächst und am Ende in einem islamischen Terrornetz landet.
Eric-Emmanuel Schmitt erzählt vom Buddhismus
Seinen Beitrag zur Verständigung der Religionen bringt Eric-Emmanuel Schmitt mit seiner bestsellerverdächtigen Erzählung "Milarepa" erst einmal zu Ende. Nach seinen Ausflügen in die Welt des Judentums, des Islam und des Christum beschreibt Schmitt dieses Mal einen buddhistischen Lebensweg: den Wandel eines tibetischen Mönches vom Rächer zum Erleuchteten.
Schließlich liefert Imre Kertész einen gleichermaßen persönlichen wie historischen Beitrag für das diesjährige Herbstprogramm. Seine Romane, für die er 2002 den Nobelpreis erhalten, waren immer auch Selbstbefragungen und Erinnerungen an die Zeit des Holocaust und der kommunistischen Diktatur. In "Dossier K" fragt Kertész ganz konkret nach den persönlichen und historischen Bedingungen seines literarischen Schaffens.
Thomas Oser/DPA