E-Mail von Till Popo-Prosa für Deutschland

Eine bislang angesehene Fernsehmoderatorin schreibt ein Buch über eine missglückte Intimrasur - und ganz Deutschland willl das lesen? Da kommt sogar der hartgesottene Till Hoheneder ins Grübeln.

Leute, mal ganz ehrlich! Ich weiß, dass ich mich in dieser Kolumne oftmals von meiner positiven Begeisterung mitreißen lasse. Aber diesmal nicht! Was ist passiert? Ein guter Kollege namens Mickey Beisenherz (Name von der Red. geändert) rief mich neulich an und schimpfte fürchterlich über das Hörbuch "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche. Zusammenfassend hier seine Ansicht über die aktuelle Nr. 1 der Belletristikcharts: "Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass man in Deutschland mit Pipi und Kacka auf Platz 1 kommt." Keine wirklich neue Erkenntnis, wenn man an den ganzen Scheiß denkt, den Dieter Bohlen seit 20 Jahren veröffentlicht!

Also habe ich mir auch dieses Hörbuch besorgt. Schade um das schöne Geld. Ich weiß auch nicht, ob ich der Frau Roche jetzt zu ihrem Coup gratulieren soll oder ob ich mir nicht ernsthaft Sorgen machen muss um ihre geistige Gesundheit. Dass sie das Buch selber liest, macht alles noch schlimmer! Mickey, Du hast recht: "Das klingt in der Tat wie eine Vorlesestunde an der Rütli-Schule!" Satzmelodie und richtige Betonung der Wörter scheint die Autorin zusammen mit ein paar Blutkrusten-Chips verschluckt zu haben! Überhaupt: Finger in den Po und Popel fressen - das sollte man doch mit sechs Jahren abgehakt haben, oder? Und die Nummer mit dem Duschkopf und der Selbstbefriedung hat uns doch schon Nina Hagen vor einer halben Ewigkeit erzählt und in Talkshows demonstriert. Gähn!

"Ist da nicht so manches im Arsch?"

Wenn so was mit dem Etikett "junge Frauenbewegung" verkauft wird, dann könnte ich gut verstehen, wenn Alice Schwarzer weinend am Schreibtisch zusammenbricht und schluchzend stöhnt: Habe ich dafür all die Jahrzehnte gekämpft? Ich möchte mich dem fundierten Resümee meines Autoren-Idols Michael Gantenberg anschließen: "Wenn Rosettenpopoprosa auf Platz 1 der Bestsellerliste landet, muss man sich schon fragen, ob da nicht so manches im Arsch ist?"

E-Mail von Till

Till Hoheneder (früher Mitglied des Duos "Till & Obel") ist rotzfrech, charmant, gnadenlos geradeaus, immer cremig. Seine Karriere begann Hoheneder (41) als Musiker. Mit der Rockgruppe "Till & Die Altobellis" absolviert er regelmäßig Auftritte mit Comedy-Einlagen. Im Sommer 2007 begleitete die Band Atze Schröder auf seiner "Atze im Wunderland"-Open-Air-Tour. Derzeit ist der Comedian und Autor mit seinem neuen Solo-Programm "Herrencreme" auf Tournee. Termine gibt es unter www.tillhoheneder.de

Auch finde ich es seltsam, dass keine Frau, die ich gefragt habe, dieses Buch gut findet. Aber wer kauft es dann? Das ist wahrscheinlich so ein bisschen wie früher: Keiner im Freundeskreis hatte eine Modern-Talking-Platte im Schrank und bei McDonald's hat sowieso keiner was gegessen. Aber dieselben Leute brüllen heute auf jeder Après-Ski-Party den Text von "You're my heart, you're my soul" lautstark auswendig mit und feiern Kindergeburtstag bei McDoof! Ich habe die Vermutung, dass der Hype um die intellektuelle Frische, die Frau Roche aufgrund ihrer Interviews mit einigen Popstars in der Vergangenheit attestiert wurde, sowieso überschätzt war. Wahrscheinlich ist es eher so, dass man für ein Interview mit einem drogengeschwängerten Robbie Williams nicht übermäßig helle sein muss.

Und wir dürfen alle erleichtert aufatmen, dass Hape Kerkeling in seinem todlangweiligen Jugendherbergsbericht "Ich bin dann mal weg" mit seinem Wanderstock nur gepilgert ist! Nicht auszudenken, was Charlotte Roche mit dem armen Stock gemacht hätte...

Bis die Tage!