Wenn der umstrittene Autor Michel Houellebecq am 22. Oktober freigesprochen werden sollte, so wie es die Staatsanwaltschaft eines Pariser Gerichts fordert, dann haben Frankreichs Künstler und Literaten einen Grund zu feiern. »Wenn der Antrag durchgeht, dann hat das Recht auf Meinungsfreiheit gesiegt«, erklärte der Autor Michel Braudeau nach dem Prozess-Auftakt am Dienstag vor einem Gericht in Paris. Der wegen rassistischer Beleidigung und Anstiftung zum Religionshass angeklagte Houellebecq hatte in einem Interview im September 2001 den Islam als »die dümmste Religion überhaupt« bezeichnet.
Kritik von französischen Moslems
»Unsere Aufgabe ist es nicht, Morallektionen zu erteilen, sondern strafbare Handlungen zu sanktionieren«, erklärte die Staatsanwältin Béatrice Angelleli den geforderten Freispruch. Doch die Forderung der Staatsanwältin stieß auf heftige Kritik des Anwalts der Moschee von Paris, die zusammen mit der Moschee von Lyon und dem Dachverband der Moslems in Frankreich gegen die islamfeindlichen Äußerungen Klage erhoben hat: »Ich verstehe die Position des Staatsanwalts nicht. Andere Religionsgemeinschaften haben mehr Schutz erhalten.«
Künstler und Gesellschaft
Im Mittelpunkt des Prozesses steht die Frage nach der Stellung des Künstlers in der Gesellschaft: »Ein Schriftsteller kann man nicht wie einen politischen Tribun in einer Arena interviewen. Hätte man Baudelaire befragt, hätte es sicherlich Überraschungen gegeben«, meinte der Anwalt Houellebecqs, Emmanuel Pierrat. Der Schriftsteller Philippe Sollers meinte nur: »Dass Houellebecq zum Religionshass anstiftet, ist doch grotesk. Das ist reine Ironie.«
Houellebecqs Buch »Plattform«, das Anlass zu dem Interview war, wurde ebenfalls wegen rassistischer Tendenzen kritisiert. Der mittlerweile auf Deutsch und Englisch übersetzte Bestseller handelt vom Sextourismus in Südostasien und einem Angriff islamischer Terroristen. Darin lässt der in Paris geborene Autor eine Romanfigur sagen: »Ich freue mich immer, wenn ich erfahre, dass ein palästinensischer Terrorist oder ein Kind oder eine schwangere Palästinenserin in Gaza getötet wurden.«
Für seine Provokationen bekannt
Der in der irischen Grafschaft Cork lebende Houellebecq ist bekannt für seine Provokationen. Bereits 1998 sorgte er mit seinem Roman »Die Elementarteilchen« für Aufsehen. Das Buch ist eine Abrechnung mit Liberalismus und sexueller Revolution und erzählt die Geschichte zweier Halbbrüder, die von ihrer emanzipierten Mutter im Stich gelassen werden. Das Werk endet mit einer Zukunftsvision der Menschheit als Gemeinschaft glücklicher Klone. Verschiedene Kritiker haben Houellebecq rassistisches und stalinistisches Gedankengut vorgeworfen - und schon damals sagte Houellebecq: »Mich um eine allgemeine Stellungnahme zu fragen, wenn man mich kennt, ist fast schon absurd.«