Unwort des Jahres "Herdprämie" oder "Mumienpornografie"?

"Patientenmanager", "grundrechtsschonende Überwachungspraxis", "Aversionsjagd" - mit dem "Unwort des Jahres" soll auf besondere sprachliche Verfehlungen aufmerksam gemacht werden. Auch ein Mann Gottes hat daher gute Chancen auf den Sieg.

An der Suche nach dem Unwort des Jahres 2007 haben sich bislang rund 860 Einsender beteiligt. "Herdprämie" sei einer der häufigsten Vorschläge, sagte der Initiator des Wettbewerbs, der Frankfurter Sprachwissenschaftler Prof. Horst Dieter Schlosser, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Mit der Wortschöpfung würden Mütter beleidigt, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollten. Gute Chancen habe auch der "Bundestrojaner" als "Umschreibung für amtliche Viren in privaten Computern für Online-Durchsuchungen".

Bei der 17. sprachkritischen Aktion sind Schlosser zufolge eine ganze Reihe unwortverdächtiger Vorschläge eingegangen. So etwa "Klimaneutrale Flüge", "Hausaufgabenclub", "Mumienpornografie" und die "grundrechtsschonende Überwachungspraxis". "Entweder werden die Grundrechte gewahrt - oder nicht. Die Schonung verschleiert, dass sie doch nicht voll gewahrt werden", erläutert dies der Germanist. Der Begriff "Aversionsjagd", den der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nach der Hetzjagd auf Inder im sächsischen Mügeln gebraucht habe, gehöre mit zu den Rennern. "Aversionen kann man gegen viel haben, aber deshalb hetzt man nicht die Menschen durch die Straßen und verprügelt sie."

Unwort des Jahres

"Humankapital", "Entlassungsproduktivität", "Freiwillige Ausreise" - das waren die Unwörter der letzten Jahre. Welche sprachliche Entgleisung hat Sie 2007 besonders aufgeregt? Schicken Sie uns Ihre Vorschläge an aktion@stern.de.

Er habe innerhalb weniger Tage mehr als 100 Mails bekommen, in denen "Kopftuchverbot" als Unwort vorgeschlagen werde, berichtete Schlosser. Eine muslimische Organisation in Deutschland habe zur Unterstützung dieses Worts aufgefordert und angekündigt, bis zum Einsendeschluss für die Unwort-Vorschläge am 7. Januar rund 1000 Mails zu schicken. "Solche Unterstützeraktionen beeindrucken uns aber überhaupt nicht", betonte Schlosser. Nicht die Masse der Einsendungen, sondern ein besonders krasses Missverhältnis zwischen Wort und Sache sind für die sechs Juroren bei der Wahl des Unworts ausschlaggebend. Gesucht werden sprachliche Missgriffe, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen. Zudem sei das "Kopftuchverbot" kein Unwort, sondern - zumindest aus Sicht der Einsender - ein Unding, habe also ohnehin keine Chance.

Unter den Vorschlägen mit guten Chancen ist auch "entartete Kultur". Den Begriff hatte der Kölner Kardinal Joachim Meisner in einer Predigt verwendet. "Das ist ein Griff in die NS- Stereotypenkiste", sagte Schlosser. Meisner hatte gesagt: "Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet." Später bedauerte er, dass diese Äußerung zu Missverständnissen geführt habe.

Der Begriff "Präventionsstaat" sei auch aufgefallen. "Das ist eine vornehme Umschreibung von Überwachungsstaat", kritisierte Schlosser. Als Hinweis darauf, dass die Medizin nur noch wissenschaftlich- technisch gesehen werde, wertet der Wissenschaftler den Begriff "Patientenmanager" für einen Arzt und "Casemanager" für einen Bediensteten der Sozialbehörde in Bremen.

DPA

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