Es war im März 2020, als Hundterttausende Arbeitnehmer in Deutschland von einem auf den anderen Tag ins Home Office wechselten – und viele arbeiten bis heute von dort aus. Die Krise rund um das Coronavirus verändert aber nicht nur die Arbeitswelt stark und vermutlich nachhaltig, sondern auch die deutsche Sprache.
Besonders gut dokumentiert ist dies in der Wortsammlung, die das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache laufend erstellt, hierzulande die zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der deutschen Sprache. Das Institut mit Sitz in Mannheim hat beobachtet, dass binnen eines Jahres – eben seit März 2020 – gut 1200 neue Wortschöpfungen Eingang in den deutschen Sprachgebrauch fanden. Die Sprachforscher selbst sind ganz baff, wie stark sich unsere Sprache in so kurzer Zeit verändert. Den rekordverdächtigen Wandel thematisierte vor ein paar Tagen sogar der britische "Guardian" und bescheinigt uns Deutschen eine extreme Sprach-Kreativität in der Krise.
Neue Wörter finden meist Eingang in eine Sprache, wenn sie – ganz platt gesagt – schlichtweg gebraucht werden. Wenn es zum Beispiel Erfindungen oder politische Entwicklungen gibt, für die der bisherige Wortschatz keine Ausdrücke hat. Dann werden Menschen erfinderisch und erweitern ihren Sprachschatz. Erlaubt ist fast alles – stibitzen aus anderen Sprachen, also einfach Fremdwörter eingemeinden, oder neue Wörter kreieren.
Der deutsche Wortschatz wächst in der Corona-Pandemie
Viel Positives lässt sich ja nicht über die Corona-Pandemie sagen, aber an der sprachlichen Kreativität der Deutschen haben Linguisten derzeit ihre wahre Freude. Die Sprachwissenschaftler studieren eifrig die Berichterstattung über die Krise und notieren den neuen Corona-Wortschatz auf ihrer stetig wachsenden Liste.
Dort finden sich so krude Begriffe wie die 200er-Inzidenz. Vor einem Jahr kannte kaum jemand dieses Wort, inzwischen benutzen wir es beinahe selbstverständlich – vielleicht bei einem Abstandsbier, das ja bei einem früheren abgespeckten Lockdown noch möglich war. Klar halten wir uns an die AHA-Regel und achten peinlich genau auf die Aerosolverteilung. Und für dieses Bierchen durften wir sogar unsere Alltagsmaske ablegen.
Nun aber, da das Britenvirus uns droht, sind die Regeln strenger. Es gibt ein Beherbergungsverbot – und mancher spricht schon von Coronahysterie. Viele Menschen haben gar einen Coronakater – aber zumindest ein bisschen Virusangst haben wir wahrscheinlich alle oder uns fällt bei so viel Social Distancing die Decke auf den Kopf. Der Coronahund hilft über die größte Einsamkeit hinweg.
Der Alltag wird virtuell
Und so verfolgt jeder seine Zero-Covid-Strategie mit Zoomcalls und Wohnzimmer-Work-Out. Die Kinder lernen derweil im Wechselunterricht.
Wie sehnen wir uns alle nach der Vor-Corona-Zeit ohne virtuelle Parteitage und Superspreaderevents. Und wir hoffen alle auf den RNA-Impfstoff und, na klar, den Restart.
Wie immer bei neuen Vokabeln, oder auch Neologismen genannt, weiß niemand, welche Wörter bleiben und welche in Vergessenheit geraten werden. Sprachen sortieren Wörter auch gerne wieder aus. Eben dann, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Jedoch allein, um später einmal über die Zeit der Corona-Pandeme angemessen zu sprechen oder zu schreiben, werden viele dieser Worte uns noch lange im Gedächtnis bleiben. Das ist keine Covidlüge.