Was hätte Gott eigentlich noch anstellen sollen, um aus ihr einen glücklichen Menschen zu machen? Alles war Licht, wenn sie lächelte. Sie umarmte die ganze Welt, wenn sie nur einen umarmte. Das Dunkel erstrahlte unter ihrem Charisma. Und wenn sie sprach, hatte ihre Stimme den Glow einer goldumhüllten Mozartkugel. Gott hatte äußerlich das meiste an ihr glänzend hingekriegt, gar keine Frage. Aber innen, da hatte er geschlampt. Sie hatte einfach kein Talent zum Leben. Kein Händchen für Glück. Sie war eine tragische Fehlkonstruktion! Oder mit ihren Worten: "Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider."
Damals, im Frühjahr 1981, sitzt diese Romy Schneider in einem Kurhotel an der französischen Atlantikküste. In Quiberon, dem Zipfelchen am Bauch der Bretagne versucht sie, zu vergessen und zu entschlacken. Die Küste ist wild, das Meer ist rau. Die Luft schmeckt, als führe sie das Meersalz in ungemahlenen Körnern mit sich. Es riecht nach toten Algen, Fisch und Austern. Man muss das mögen, diese Felsen, das Raue, den Wind, in dem sich Pinienbäume krumm gestanden haben.
Romy Schneider war 42 Jahre alt, matt, grau und krumm
Romy Schneider ist gewissermaßen am Ende ihres Lebens. Zwei Ehen sind gescheitert. Ihr erster Mann hatte sich vier Jahre nach der Scheidung erhängt. Der zweite hatte sie ausgenommen wie eine goldene Gans. Von den Millionen, die sie als kindliche Kaiserin "Sissi" verdient hatte, von den Gagen, die sie nach ihrer Abkehr von Deutschland und Österreich als Charakterdarstellerin in Frankreich eingenommen hatte, war weniger als nichts übrig geblieben. Die französischen Steuerbehörden forderten Nachzahlungen in Millionenhöhe. Und das, obwohl sie manchmal fünf große Filme in nur zehn Monaten gedreht hatte. Hollywood, Frankreich, Berlin, Filmbänder, Golden Globe, Bambi. Ihre beiden Kinder waren ihr fremd geworden, oder besser gesagt: Vor lauter Arbeit kam sie kaum dazu, sich als Mutter zu fühlen und aufzuführen. Und wenn man ehrlich war, so hatten sich auch die vielen enttäuschten Nächte in den feinen Riefen ihres Gesichts breitgemacht. Romy Schneider war 42 Jahre alt. Sie war matt und grau und krumm.
In jenen Tagen von Quiberon wusste sie noch nicht, dass ihr nur noch ein Jahr bleiben würde, um das Steuer ihres Lebens wieder herumzureißen. In einem letzten Aufbäumen versuchte sie die Wende. Mit eiskalten Schlauchduschen am Morgen, Massagen am Nachmittag, Thalassotherapie, Schlaf und Nulldiät will sie vom Rotwein, von den Tabletten und ihren Missstimmungen loskommen. Will sich die Zeit mit Spaziergängen am Strand und Marlboros auf dem Bett vertreiben. Es ist langweilig, es ist deprimierend. Egal, in welche Richtung sie geht, sie ist mit all ihren Problemen immer schon da.
In dieser Situation erscheint ihr die Ankunft von zwei Hamburger stern-Reportern nicht nur als schöne Abwechslung von der Ödnis des Selbstumkreiselns. Nein, dass ihr geliebter "Lebo", der Fotograf Robert Lebeck einer der beiden ist, macht sie euphorisch – endlich erlöst! Gleich am ersten Abend verlassen sie gemeinsam den weißen Hotel-Riegel, der sie streng wie eine Gouvernante vom Leben fernhält – und laufen ins Dorf. Es ist März, eine Hafenpinte hat noch geöffnet.
Fünf Jahre zuvor, 1976, hatte Lebeck sie während der Dreharbeiten zu "Gruppenbild mit Dame" in Berlin kennengelernt. Kurz darauf hat sie ihn bereits am österreichischen Drehort Zwettl schwerstens beflirtet. Einmal schob sie ihm, so erinnert sich Lebeck in seinen Memoiren "Rückblenden", einmal also schob sie ihm einen Zettel unter die Hoteltür. Es war "ein kleiner knalloranger Kassiber, ausgerissen aus einer Medikamentenverpackung, so eilig hingekritzelt, dass die Schrift verwischte: 'Du machst mir Angst – und ich mach mir Angst – vergiß mich schnell – aber bitte sag mir gute Nacht.'" Lebeck nahm das Angebot wahr und fotografierte die Schauspielerin, die schon damals glamouröse Schönheit und graue Maus zugleich sein konnte, bis sie erschöpft in ihrem Bett einschliefen. Brüderlich, schwesterlich, freundschaftlich. Nie sei etwas "passiert", gab Lebeck an. Aber es war natürlich die einmalige Chance, von der alle Fotografen träumen: jemanden bis ins Mark hinein fotografieren zu dürfen.
"Bin mit Natalie nach Mexiko. Alles Gute, Alain."
Aus Angst, sich in sie zu verlieben, ist Lebeck aus Zwettl geflohen. Denn "Romy war absolut", sagte er Jahre nach ihrem Tod, "Liebe bedeutete für sie: keine Sekunde allein, keine ohne Leidenschaft. Wer hat das gesagt mit der Kerze, die an zwei Enden brennt?" Er jedenfalls wollte nicht "Romyreporter" werden und suchte das Weite. Viele Jahre lang herrschte Funkstille. Dann gelang es dem stern-Reporter Michael Jürgs, der später einmal Chefredakteur dieses Blattes werden sollte, einen Interviewtermin mit dem gebrochenen Weltstar zu arrangieren. Drei Tage lang bohrende Fragen, nächtliche Fotos, volle Aschenbecher. Sie erzählte von ihrem heiß geliebten Vater und dem Geruch seines Herrenzimmers, in das sie sich als verlassenes Kind heimlich verkroch, um glücklich zu sein. Sie rechnete mit dem Stiefvater ab und mit ihrer unglücklichen Liebe Alain Delon, für den sie als 19-Jährige Deutschland verlassen hatte – und der wiederum sie für eine andere verließ, während sie in Amerika drehte: "Bin mit Natalie nach Mexiko. Alles Gute, Alain." Dazu einen Rosenstrauß.
Drei Tage in Quiberon. Natürlich wurde auch getrunken. Romy tanzte mit einem bretonischen Dichter eng umschlungen in jener Fischerkneipe unten am Hafen. Fast jeder kennt das Foto, wie sie dahinschmelzen. Der Fusel überglänzt in jenen Nächten die Dämonen, nach denen Michael Jürgs anderntags sucht. Er gräbt tief, hakt nach, triggert die sensiblen Stellen. Bis sie weint und wütet. "Ich mag mich nicht mehr sehen. Was gebe ich den Menschen schon außer Sissi, immer wieder Sissi ..." Und Lebo knipst ungebrochen weiter.
Romy empfindet die Situation im Hotelzimmer quälend, und das Reporterteam empfindet sie im Gegenzug als hysterisch. Mal schimpft sie auf die "Scheiß-Presse", die sie auf Schritt und Tritt verfolge. Dann hadert sie mit den Deutschen, die ihr die Abnabelung von Sissi nicht verziehen hätten, und nicht, dass sie Französin geworden sei. Mal überfällt sie die Reporter mit dem warmen Mantel ihres Strahlens, dann wieder bricht sie in Tränen aus, weil ihr Leben so verpfuscht sei. "Im Grunde war unser Besuch ein verlogener Handel", schreibt Lebeck in seinen Erinnerungen: "Wir wollten ein Interview, sie wollte ein Gespräch. Sie brauchte Halt, ich brauchte Fotos." Klingt herzlos, aber das ist die Geschichte.
"Das ist alles falsch, übertrieben, gespielt"
Eine Geschichte, die nun als Film der Regisseurin Emily Atef auf der Berlinale um die silbernen und goldenen Bären ringen wird. "3 Tage in Quiberon" heißt das schwarzweiße Kammerspiel. Gedreht wurde es im saukalten Dezember 2016, als das weiße bretonische Dorf verlassen dalag, Hotels und Restaurants geschlossen waren und nur dann und wann ein R4 durch die Straßen kurvte, von dem man nicht wusste, ob er zum Filmset gehörte oder zum Fuhrpark eines Einheimischen. Mit Glück bekam man in einer der leeren Kneipen noch eine heiße Fischsuppe. Und Cidre natürlich auch.
Die Schauspielerin Marie Bäumer spielt die 42-jährige Romy. Tapfer muss sie beim Dreh im weißen Bademantel über die windgebeutelte Terrasse des Sofitel-Hotels laufen und durch die Scheiben des Thermalbads den Schauspieler Charly Hübner als "Lebo" entdecken. Hübner mit original struppigem Lebeck-Bürstenschnitt und original knapper 70er-Jahre-Badehose überlegt hinter der Scheibe, ob er ins Wasser gehen soll. Man trägt hier im Schwimmbad – und übrigens auch im Jacuzzi draußen – eine Badekappe. Oben-ohne-Schwimmer pfeift der Bademeister ausnahmslos aus dem Wasser. "Lebo" und Madame Schneider verabreden sich freudig am Strand.
Im Original geht die Geschichte dann so weiter: Romy Schneider will fröhliche Bilder für den stern. Sie hüpft ausgelassen über die moosbesprenkelten Steinriesen am Ufer. Lebeck hat ständig das Gefühl, "das ist alles falsch, übertrieben, gespielt". Und doch entdeckt er für einen Moment auch jene Romy in ihr wieder, die ihre Fans zeitlebens einforderten: Das leichtfüßige, strahlende Mädchen, eine himmelhoch jauchzende Sissi, die später erst eine zu Tode betrübte Kaiserin wurde. Auf den Felsen verwandelt sich der traurige Weltstar zum auratischen Kind zurück.
Es dauert nicht lange, da wird ihr Übermut bestraft. Romy Schneider rutscht aus, bricht sich den Fuß. Der stern ist hautnah dabei. Die übertreibt doch wieder, denkt Lebeck. Aber dann tragen sie sie doch ins Hotel-Sanatorium.
"Sie starb an gebrochenem Herzen"
Die Zeit mit dem Gipsfuß wird nun, von rückwärts betrachtet, eine der schönsten in ihrem kurzen Leben. Sie sagt Dreharbeiten ab, liegt in ihrer Wohnung in Paris auf dem Bett und albert mit Tochter Sarah. Auf einmal hat sie ihr großes Lachen wieder. Lebeck reist im April mit dem Interview, das Michael Jürgs aus den langen Gesprächen destilliert hat, zu ihr, um es von ihr autorisieren zu lassen. Es war zwar nicht die letzte Begegnung zwischen "Lebo" und Romy, aber die schönste. Denn "entspannter habe ich sie kaum gesehen als mit dem gebrochenen Fuß", sagt Lebeck. Sie ändert kaum eine Zeile des großen Interviews, das am 23. April 1981 erscheint. Doch nur wenige Monate nachdem Lebeck sie so gut gelaunt mit der Tochter sah, stürzt ihr 14-jähriger Sohn David beim Spielen in die Eisenspitzen eines Gartenzauns und stirbt. Immer folgt auf ihr kleines Glück die große Tragödie. Am 29. Mai 1982 findet ihr damaliger Lebensgefährte sie dann in den frühen Morgenstunden tot an ihrem Schreibtisch. "Herzversagen", schreibt der Leichenbeschauer auf den Totenschein. "Sie starb an gebrochenem Herzen", schreiben die Reporter.
Vielleicht kann man sagen: Nicht "Sissi" und nicht Gott allein und auch nicht über 60 Filme in 28 Jahren haben aus Romy Schneider bis heute einen Mythos gemacht. Sondern Robert Lebecks stern-Bilder dieser zerrissenen Frau.
Die Fotos von drei Tagen in Quiberon und einem Nachmittag in Paris.