"Geil, Alter. Mensch, pfeif ab", brüllt Wotan Wilke Möhring ins Foyer des Hamburger Cinemaxx-Kinos. Wilke Möhring ist Dortmund-Fan, und sein BVB hat gerade das 3:2 gegen Bayern geschossen, wie er auf seinem Handy sehen konnte. Eigentlich wollte der Schauspieler im Stadion sitzen, aber er ist natürlich trotzdem zur Premiere seines neuen Films "Happy Burnout" gekommen, der heute in 200 Kinos bundesweit startet. Ehrensache. Schließlich ist Wotan der Hauptdarsteller und absoluter Mittelpunkt dieser feinen, kleinen Komödie.
Man könnte auch sagen: Wir haben es hier mit einer Art Wilke-Möhring-Festspiele zu tun. Das ganze Projekt ist auf ihn zugeschnitten, und er dankt es den Machern mit einer der besten Darstellungen seiner bisherigen Karriere. Selten war der 49-Jährige präziser, spielfreudiger und glaubwürdiger als in der Rolle des Alt-Punks Fussel. Der ist 43 und schlägt sich in Hamburg seit Jahren ohne Arbeit, aber mit viel Witz durchs Leben. Ein sympathischer Schmarotzer, der - wie seine Sachbearbeiterin Frau Linde (Victoria Trauttmansdorff) bei der Arbeitsagentur kopfschüttelnd sagt - "von Hartz-4 lebt, seit es Hartz-4 gibt".
Trotzdem wickelt er die Dame mit seinem umwerfendem Proll-Charme immer wieder um den Finger und bekommt seine Stempel, ohne sich auch nur um einen Job zu bemühen. Bis zu einer externen Prüfung im Arbeitsamt. Ein letztes Mal noch kümmert sich Frau Linde und besorgt Fussel ein Arbeitsunfähigkeits-Attest, Diagnose Burnout, samt Therapieplatz in einer stationären Klinik. Der Alt-Punk zieht dort widerwillig ein, und es ist klar, was kommt.
"Happy Burnout" macht Spaß
Obwohl die Psychologin Alexandra (Anke Engelke) und die Klinikleiterin Dr. Gunst (Ulrike Krumbiegel) Fussel sofort durchschauen, merken sie schnell, dass der Punk den anderen Patienten gut tut. Der lebensmüde Günther (Michael Wittenborn), der Puppenspieler Datty (Kostja Ullmann), die ausgebrannte Mutter Merle (Julia Koschitz) und der dauergestresste Geschäftsmann Anatol (Thorben Liebrecht) werden nach einigen Irrungen und Wirrungen zu Freunden des anarchisch-liebenswerten Alt-Punks, der irgendwann im Lauf der turbulenten Handlung beginnt, auch mal über sich selbst nachzudenken.
Jeder therapiert am Ende jeden. Das klingt kitschig, und das ist es auch. Regisseur André Erkau und sein Drehbuchautor Gernot Gricksch schrammen häufig am Klischee entlang, und kriegen doch immer wieder die Kurve. Manchmal knarzt die Handlung etwas, einiges ist sehr vorhersehbar, aber die Spielfreude der durchweg großartigen Darsteller macht das schnell wieder wett. Man sieht ihnen einfach gern bei der Arbeit zu. "Happy Burnout" macht Spaß, ohne ein Schenkelklopfer zu sein. Und Wotan Wilke Möhrings Alt-Punk-Darstellung könnte an jeder Schauspielschule als Anschauungsmaterial vorgeführt werden. Mit jedem Wort und jeder Geste ist er Fussel. So geht Glaubwürdigkeit.
