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Drei Karl-May-Filme auf RTL Der Winnetou, den wir verdient haben

Wäre das nötig gewesen? RTL hat "Winnetou" neu verfilmt. Mit den drei Western wagt sich der Sender an eine gründliche Neu-Interpretation des Stoffes - die deutlich düsterer ausfällt als die alten Filme.

Generationen von Kindern sind in Deutschland damit aufgewachsen: In den 60er Jahren schuf Produzent Horst Wendlandt mit seiner "Winnetou"-Reihe eine Vielzahl von Filmen, die sich tief in die Herzen eingebrannt haben - und nebenbei Pierre Briece zum Star machten. Die drei erfolgreichsten Filme, "Der Schatz im Silbersee", "Winnetou I" und "Winnetou 3" hat RTL nun neu verfilmt. Mit Wotan Wilke Möhring als Old Shatterhand und dem albanischen Schauspieler Nik Xhelilaj als Apachen.

Um das Epos von der Männerfreundschaft zwischen einem Indianer und einem Siedler neu zu erzählen, geht Regisseur Philipp Stölzl ("Der Medicus"), der auch am Drehbuch mitgewirkt hat, zurück zu dem Moment, wo der spätere Old Shatterhand in den 1860er Jahren in die USA einwandert. Ein sächsischer Ingenieur namens Karl May (Möhring) reist mit großen Hoffnungen in den jungen Staat. Er ist ein glühender Verfechter des Fortschritts und glaubt, in der Neuen Welt seine Träume realisieren zu können. Er heuert bei der Central Pacific Railway an, die eine Strecke durch das Gebiet der Apachen legen will.

Aus Karl May wird Old Shatterhand

"Winnetou - Eine neue Welt" (Sendetermin: 25.12.) hält sich relativ eng an die Geschehnisse in "Winnetou 1": Der Ingenieur lernt den Sohn des Apachen-Häuptlings Intchu Tchuna kennen, der hier - nette Besetzungsidee - von Gojko Mitić gespielt wird. Mitic wirkte nicht nur in den alten Karl-May-Filmen mit, er bekam zudem in der DDR den Beinamen "Winnetou des Ostens" verliehen. Der Film zeigt, wie sich nach anfänglichem Misstrauen die "Rothaut" und das "Bleichgesicht" anfreunden. Aus Karl May wird Old Shatterhand, den Winnetous Schwester Nscho Tschi (Iazua Larios) nach schwerer Verwundung wieder gesund pflegt und dabei ihr Herz verliert.

Die beiden anderen Filme weichen dagegen stark ab: "Winnetou - Das Geheimnis vom Silbersee" (Ausstrahlung am 27.12.) lehnt sich an "Der Schatz im Silbersee an", hat aber bis auf die Suche nach dem Apachengold nur wenig mit dem Klassiker gemein und krankt daran, dass man dem grundsympathischen Fahri Yardim den mexikanischen Psycho-Killer einfach nicht abnimmt. 

Wer Winnetou als Zimmermann erleben will, der seinem Kumpel Old Shatterhand beim Hausbau hilft, sollte "Winnetou - Der letzte Kampf" (läuft am 29.12.) einschalten. Hier entkoppelt sich die Neuverfilmung vollends von der Vorlage. Immerhin gibt es ein Wiedersehen mit Mario Adorf, der 53 Jahre nachdem er in "Winnetou 1" dessen Vater und Schwester getötet hat, erneut einen Auftritt als fieser Santer hat. Der Rest ist viel Schall und Rauch. Am Ende, so viel sei verraten, hört Winnetou nicht die Glocken von Santa Fe. 

Winnetou als Zimmermann

Interessanter als die Abweichungen in der Handlung ist die veränderte Grundhaltung der neuen Filme. Waren die 60er-Jahre-Verfilmungen von dem tiefen Glauben erfüllt, die Ureinwohner und die neuen Einwanderer könnten friedlich zusammenleben, so hat die RTL-Adaption mit dieser Hoffnung gründlich abgeschlossen. Ein friedliches Miteinander zwischen den Bevölkerungsgruppen ist nun nicht mehr möglich. Old Shatterhand muss sich entscheiden: Kehrt er in sein altes Leben zurück oder verwandelt er sich komplett in einen Apachen?

Der Film ist nicht nur eine Absage an die multikulturelle Gesellschaft - er verabschiedet sich auch von jeglichem westlichen Fortschrittsdenken. Von dem ist der junge Karl May im ersten Teil noch ganz erfüllt. "Die Eisenbahn wird den Apachen viel Gutes bringen. Sie baut Schulen für eure Kinder, bringt Medizin für die Kranken", schwärmt er den Ureinwohnern vor. Doch die haben keinen Bedarf an Fortschritt: "Unsere Kinder reiten bevor sie laufen. Unsere Schamanen bringen Hilfe von den Göttern", entgegnet Häuptling Intchu-Tchuna.

"Aber wollen Sie denn keinen Fortschritt?", fragt der aus Sachsen eingereiste Neu-Amerikaner entgeistert. Früher gab es Büffelherden, entgegnet der Apache. Dann kamen die weißen Männer und haben die Tiere für den Pelz getötet. Seither haben die Apachen im Winter kein Fleisch.

Düstere Weltsicht

Die drei Filme sind geprägt von einer durchgehend pessimistischen Grundstimmung. Das spiegelt sich auch in den Bildern wieder, die oft ins Dunkel getaucht sind. Der "wilde Westen" wird hier bar jeder Romantik inszeniert. Das gilt insbesondere für die Behausungen der Siedler, die buchstäblich im Matsch leben - von zivilisatorischem Fortschritt keine Spur.

Auch Humor ist hier Mangelware. Zwar wird niemand die Albernheiten von Eddy Arendt und Chris Howland vermissen. Dennoch wäre eine Prise Komik und etwas mehr Optimismus gerade an Weihnachten schön gewesen. Andererseits: Vielleicht ist die Absage an Frieden und Fortschritt in Zeiten von Trump, Brexit und islamistischem Terror nur konsequent. So gesehen haben wir den Winnetou bekommen, den wir verdienen.

RTL zeigt die drei "Winnetou"-Filme am 25.12., 27.12. und am 29.12. jeweils um 20.15 Uhr.

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