Am Anfang war die Katastrophe: Der böse Zauberer Lord Voldemort kehrte zurück und Harry kam nur knapp mit dem Leben davon - so endet der Vorgänger "Harry Potter und der Feuerkelch". Genauso gefährlich geht es nun weiter für den jungen Zauberlehrling - bereits die ersten Szenen des neuen Films sorgen für Gänsehaut: Harry und sein Cousin bekommen es mit finsteren Dementoren zu tun, die versuchen, ihnen die Seele auszusaugen. Nichts für schwache Nerven, ebenso wie die immer wiederkehrenden Traumsequenzen, die Harry quälen und in denen grässliche Bilder von Tod und Verderben in schnellen Schnitten aneinandergereiht werden.
Auch in der Zaubereischule Hogwarts ist die Idylle getrübt: Hier bekommt es Harry mit Dolores Umbridge zu tun, die als Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste berufen wurde und die Vorgänge an der Schule für das Zaubereiministerium ausspioniert. Imelda Stauntons Darstellung der Umbridge ist ein echtes Highlight: Stets in pink gekleidet und mit honigsüßer Mädchenstimme verbreitet sie ihre Scheußlichkeiten und versucht mit totalitären Methoden, die Kontrolle über Hogwarts an sich zu reißen.
Wie bereits in den anderen Potter-Filmen sind es vor allem die erwachsenen Darsteller, die schauspielerisch überragen. Neben bereits bekannten Gesichtern wie Robbie Coltrane als Hausmeister Hagrid und Alan Rickman als Professor Snape glänzt vor allem Helena Bonham Carter ("Fight Club", "Big Fish") mit ihrem Auftritt als Sirius Blacks sadistische Cousine Bellatrix. Umso bedauerlicher, dass ihnen nur wenig Raum gegeben wird, ihr Können auf der Leinwand unter Beweis zu stellen.
Doch auch Potter-Darsteller Daniel Radcliffe hat sich schauspielerisch merklich gesteigert. Beschränkte er sich in den ersten Filmen meist noch darauf, seinen Text aufzusagen und dazu zwei Gesichtsausdrücke zu variieren, überzeugt er nun in der Rolle als sorgenvoller Teenager. Der Zuschauer durchlebt Harrys emotionale Achterbahnfahrten hautnah mit - auch weil die Kamera immer wieder seine Perspektive einnimmt.
Eine scheinbar ungleiche Auseinandersetzung
Hinter der vordergründigen Action des Films inszeniert Regisseur David Yates, bisher vor allem als TV-Filmer bekannt, eine Parabel übers Erwachsenwerden. Harry darf wild pubertieren und entdeckt auch das andere Geschlecht für sich - sogar einen Filmkuss bekommen die Zuschauer zu sehen. In seinem fünften Jahr in Hogwarts erlebt er aber auch Selbstzweifel, Misstrauen und Ausgrenzung. Fassungslos müssen er und seine Freunde anhören, wie das Zaubereiministerium die Rückkehr von Lord Voldemort vehement bestreitet - und dass viele Mitschüler diesen Worten Glauben schenken.
Fiese Lehrer und üble Streiche, erste Liebe und Prüfungsangst - manchmal wirkt "Harry Potter und der Orden des Phönix" wie eine unterhaltsame, aber doch harmlose Internatsgeschichte. Harrys Alpträume und Visionen lassen jedoch erahnen, dass hinter der Fassade eine fundamentale, scheinbar ungleiche Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse tobt: auf der einen Seite der böse Magier Voldemort, unterstützt von den grausamen und skrupellosen Todessern, auf der anderen Seite die Schüler, die hinter dem Rücken der Lehrer trainieren, sich gegen dunkle Magie zu verteidigen.
Wunderbar detailverliebte Inszenierung
Mit 766 Seiten ist "Harry Potter und der Orden des Phönix" das dickste Buch der Saga; unter vielen Fans gilt es als das schwächste. Und nicht immer gelingt Regisseur Yates das Kunststück, den Wälzer zu 138 Minuten Film zu kondensieren und die unzähligen Handlungsfäden zu entwirren. Manche Storyline wird nur angerissen und dürfte vermutlich jene ratlos zurücklassen, die die Bücher nicht kennen.
Nah an der Buchvorlage und wunderbar detailverliebt sind die Schauplätze inszeniert. Besonders das Umbridges Büro mit Häkeldeckchen und scheußlichen miauenden Katzen auf Porzellantellern wirkt wie direkt aus Joanne Rowlings Buch entsprungen. Solch kleine Details werden den treuen Fans der Bücher viel Spaß machen.
Seltsam ergebnisloser Showdown
Der Höhepunkt des Filmes sind die actiongeladenen Kampfszenen im Zaubereiministerium, bei denen der Zuschauer durch Handkameras das Gefühl bekommt, direkt im Geschehen zu sein. Hier zeigt die Special-Effects-Abteilung um Tim Burke ihr Können - vor allem die Zaubereffekte sind beeindruckend. In bläulichem Licht, das einen frösteln lässt, kämpfen Harry und seinen Freunde um ihr Leben und die Zukunft ihrer Welt.
Der große Showdown zwischen dem Dunklen Lord Voldemort und Schulleiter Albus Dumbledore bleibt jedoch seltsam ergebnislos. Und auch wenn das niemanden überrascht, der die Bücher kennt - am Ende macht sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Sicher, David Yates hatte keine leichte Aufgabe: Das zauberhafte Paralleluniversum und seine Bewohner wurden in den vorangegangenen Filmen eingeführt, das dramatische Ende der Geschichte ist noch zwei Filme weit entfernt. Das Resultat ist ein Film für Fans voller Anspielungen und Verweise, für die einiges an Vorwissen nötig ist - und mit einem Schluss, der nicht wirklich zufrieden stellt.