Den professionellen Kinogängern jedenfalls haben sie den Spaß am "Krieg der Welten" gründlich vergällt, der Hollywood-Konzern Paramount Pictures und sein Verleiher UIP. Zu dumm, denn eigentlich waren alle Zutaten für einen großen Filmspaß vorhanden: Der große Regisseur Steven Spielberg war dabei, der populäre Schauspieler Tom Cruise auch und sogar ein philosophisch durchtränktes, action-geladenes Endzeitthema hatte man gefunden - einen Angriff von Außerirdischen. 135 Millionen Dollar sollen in das Projekt gesteckt worden sein. Der Film schien interessant, machte neugierig auf die Umsetzung. Am 29. Juni sollte er weltweit in die Kinos kommen. Alles bestens also, wunderbar sogar.
Toms Katie ja, Kritik nein
Bis UIP ernst machte. Zunächst war da die Sache mit dem Maulkorb. Es ist üblich, dass Journalisten Filme vor den Starts gezeigt bekommen, sodass sie in Ruhe ihre Kritiken schreiben, Interviews führen und Hintergrund-Infos besorgen können. Die Leser können sie so rechtzeitig zum Filmstart informieren. UIP führte nun ein neues Instrument des Marketing ein - den Maulkorb. Bevor die deutschen Journalisten den "Krieg der Welten" den Film am 14. Juni in Berlin sehen durften, mussten sie sich schriftlich verpflichten, vor dem 29. Juni keine Kritik des Werks zu veröffentlichen. Das war deshalb absurd, weil der Film in vielen europäischen Hauptstädten, aber auch in Japan und den USA einem ausgewählten Publikum trotzdem gezeigt wurde, mit allem drum und dran, rotem Teppich, Stars und Sternchen. Außerdem war die Angst Hollywoods, die Medien würden zersetzende Kritiken weit vor dem offiziellen Filmstart publizieren, reichlich unsinnig.
Auch aus Sicht der Medien macht es kaum Sinn, Kritiken zu veröffentlichen, wenn der Film noch nicht läuft. Aber egal: Paramount und UIP, die wenig Vertrauen in Spielberg und Cruise zu haben schienen, erzwangen ein kollektives Schweigen. Zwar durfte man über Cruises Auftritt in Berlin, dessen neu entbrannte Liebe zu Kollegin Katie Holmes schreiben - über den Film jedoch durfte nix verlauten. Niente. Es ist eine neue Variante der Postmoderne, dass Filmverleiher dafür sorgen, dass nur noch über die Filmstars geschrieben wird, aber nicht mehr über ihre Filme. Auf solche Ideen kommen normalerweise nur französische Philosophen.
Infrarot-Scanner und schrankartige Film-Wächter
Aber damit nicht genug der Gängelei. Endgültig machte sich UIP die Kritiker-Kaste zum Feind, als der Konzern die reichlich harmlosen Journalisten vor der Berliner Pressevorführungen so behandelte, als würden sie eine Flugzeug-Entführung planen. Am Eingang zum Kino-Saal wurde jeder einer genauen Leibesvisitation unterzogen, selbst Stifte wurden - "mein Name ist Bond, James Bond" - auf Kameralinsen untersucht. Auf gar keinen Fall sollte es der verschlagenen Meute gelingen, einen Film des Films zu drehen, um ihn dann vor dem offiziellen Termin zu verticken oder einfach nur ins Netz zu stellen. Damit auch wirklich niemand Schindluder treiben konnte, baute Hollywood in einer Ecke des Theaters sogar ein Infrarot-Gerät auf, das die bösen Kritiker während der Vorführung abscannte - nach Kameras. Schrankartige UIP-Film-Wächter, mit farblosen Kabeln im Ohr, waren ohnehin überall postiert. Auch bei der Deutschland-Premiere am Abend des 14. Juni in Berlin wurden der gleiche "Überwachungsapparat" (FAZ) angeworfen. Zur US-Premiere in New York in der vergangenen Woche wurden als kritisch bekannte Journalisten, etwa von der "New York Times", gar nicht erst eingeladen. Krieg der Welten. Irgendwann hat offenbar sogar die Liberalität Hollywoods ein Ende.
Ausdruck einer tiefen Krise der Kinobranche
Maulkorb und Leibesvisitation. Paramounts panische Paranoia ist bezeichnend für die derzeitige Krise der Kinobranche. Die Zuschauer-Zahlen schwinden dies- und jenseits des Atlantiks, die Umsätze auch, die Produkt-Piraterie boomt, der Siegeszug der DVD ist unaufhaltsam. Die deutschen Kinobetreiber erwarten im ersten Halbjahr 2005 einem Besucherrückgang von 18 Prozent. Einige, wie der Regisseur Steven Soderbergh, passen sich dieser Entwicklung an. Sie verzichten darauf, sich mit aller Macht gegen die Vielfalt der "Vertriebswege" - vom Internet über das Bezahlfernsehen bis hin zum Heimkino - oder die Vielfalt des einfachen und schnellen Kopierens zu stemmen. Stattdessen begreifen sie auch die DVD als Chance. Soderbergh, etwa, will seine Filme demnächst im Kino, im Bezahlfernsehen und auf DVD gleichzeitig starten. Auch in Deutschland dringen Verleiher darauf, die bisher geltende Sechs-Monats-Frist, während der Kinobetreiber die Exklusivrechte eines Films haben und er nicht als DVD verkauft werden darf, auf höchstens drei Monate zu reduzieren.
Abwehr statt Anpassung
Paramount setzte nun auf Abwehr statt auf Anpassung, zumindest im Fall des Weltenkriegs. Die High-Tech-Entwicklung konterte der Konzern, eher altbacken, mit fast schon militärischer High-Tech-Überwachung. Dem Erfolg des Films hat der Konzern so mehr geschadet als genutzt, denn über die krude PR-Strategie wird derzeit mehr berichtet als über den Film selbst. Einige, wie "Die Zeit", haben sogar beschlossen, aus Protest gegen den Maulkorb keine Rezension des Films zu veröffentlichen. Die Redaktion von stern.de ist an sich auch der Auffassung, dass es richtig wäre, über den Film erst gegen Weihnachten zu schreiben, im nächsten Jahr, oder gar nicht. Weil es jedoch Unsinn ist, Leser für das obskure Verhalten einiger Hollywood-Firmen zu bestrafen, hat sich die Redaktion doch entschieden, eine Kritik zu veröffentlichen. Es reicht, wenn Hollywood den professionellen Kinogängern den Spaß verdirbt.