Keine Westlerin kann so viel Schmachten in einen Augenaufschlag legen wie eine indische Schauspielerin. Die Darstellerin der Braut Aditi in der Familienkomödie »Monsoon Wedding« macht darin keine Ausnahme. Es ist beruhigend, dass selbst eine westlich geprägte Regisseurin wie Mira Nair auch im Zeitalter der Globalisierung manche Dinge einfach so lässt, wie sie sind.
Ihr neuer Film zeigt eine Mittelstandsfamilie aus Neu-Delhi bei der chaotischen Vorbereitung einer Hochzeit, und diese Familie laviert genauso zwischen Tradition und Moderne, zwischen Ost und West, wie die Regisseurin.
Es gibt in Indien sentimentale Melodramen und Abenteuermusicals voll jener schmachtenden Blicke, mit Frauen, die dauernd im Regen stehen (durchnässte Kleidung ist das höchste an Erotik), Tanz und Gesang, der in jeder Szene unvermittelt ausbrechen kann. Doch von »Kitsch« möchte Regisseurin Mira Nair, die einst für ihren sozialkritischen Film »Salaam Bombay« mehrfach preisgekrönt und oscarnominiert wurde, inzwischen nicht mehr reden. Ihr Film, auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, ist ein recht gelungener Zwitter aus »Bollywood«-Traditionen und westlicher Charakterkomödie.
Neureiche Verwandtschaft aus Übersee
Da versammeln sich die Frauen der Hochzeitsgesellschaft zum gemeinsamen Singen und Tanzen, pink- und orangefarbene Saris wehen, mitreißend erklingt Banghra-Pop, der im Westen inzwischen ebenfalls »in« ist. Ringelblumen-Meere werden ausgelegt zur Hochzeitsfeier, demütige Dienerinnen schenken Tee aus, und Monsunwolken dräuen dramatisch am Himmel. Soweit wirkt alles ganz »indisch«. Doch die neureiche Verwandtschaft der Braut kommt aus Australien und den USA zu Besuch, ein Selfmade-Hochzeitsorganisator spricht ausdauernd in sein Handy, und die Braut Arditi, die beim Fernsehen arbeitet, hat ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Chef.
Arrangierte Hochzeit
Geradezu ostentativ zeigt Mira Nair die »Gewinner« des zeitgenössischen Indiens und ihren, freilich prekären, Wohlstand: das gestresste Familienoberhaupt Lalit, gespielt von dem indischen Star Naseeruddin Shah, muss Schulden machen für die Hochzeit. Und fast vergisst man in der Feierlaune, dass es sich, wie so üblich in Indien, um eine arrangierte Hochzeit handelt und Arditi und ihr Zukünftiger, der Computeringenieur Hemant, sich erst auf der Hochzeit kennen lernen.
Gleich fünf Geschichten mit leichter Hand
Parallel zu den Gewissensqualen von Arditi, die ihrem Bräutigam schließlich die Wahrheit gesteht, verläuft die Liebesgeschichte zwischen dem angeberischen Hochzeitsorganisator P.K. Dubey und Alice, der schönen Hausangestellten der Familie. Und dann gibt es noch Tante Ria, die während der Vorbereitungen für das Fest einen Onkel wiedertrifft, der so gern mit kleinen Mädchen spielt. Mit leichter Hand verwebt Mira Nair fünf Geschichten, ohne jedoch die Konflikte zuzuspitzen: Alles, so viel sei verraten, geht gut.
Für westliche Zuschauer ist diese bunt bewegte Komödie mit ihren mal dramatischen, mal komischen Ereignissen ein unterhaltsames Vergnügen mit Einblicken in indisches Alltagsleben - wenn auch für hiesige Sehgewohnheiten seltsam geglättet. Wenn Mira Nair aber vorsichtig Pädophilie zur Sprache bringt, zeigt sie damit sehr viel Mut und bricht ein absolutes Tabu in Indien. Und das, nachdem sie schon mit ihren Liebesfilm »Kama Sutra« die indische Zensur beschäftigte und von strenggläubigen Hindus Morddrohungen bekam.