Eigentlich sind Filmpremieren ein Grund zum Feiern. Die Deutschlandpremiere von "A Most Wanted Man" in Berlin paarte das Feiern mit Gedenken. Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman, der vielen als der beeindruckendste Schauspieler unserer Zeit gilt, ist im Februar an einer Drogenüberdosis gestorben. Er ist der Antiheld in dem Thriller über eine Antiterror-Spionageeinheit in Hamburg. Regisseur Anton Corbijn, der als Fotograf der Bands U2 und Depeche Mode berühmt geworden ist, und der mit den Filmen "Control" und "The American" auch das Kino erobert hat, sieht man die Trauer an, als er im Hotelzimmer sitzt und Interviews gibt. Er sei nur hier, weil Hoffman es nicht könne, sagt er. Und ihn stört etwas an der deutschen Fassung seines Films.
Anton Corbijn (schockiert):
Haben Sie den Film auf Englisch oder Deutsch gesehen?
Im Original auf Englisch.
Corbijn (schwer erleichtert):
Gut. Ich kann einfach nicht fassen, dass sie Philip Seymour Hoffman synchronisiert haben. Wie soll ihm das überhaupt gerecht werden?! Das ist ein Sakrileg! Die Stimme ist Teil der Rolle.
"A Most Wanted Man" ist der letzte große Film von Philip Seymour Hoffman. Wie kommen Sie damit zurecht, nun immer wieder über ihn reden zu müssen, ihn immer wieder auf der Leinwand lebendig zu sehen?
Ich weiß noch gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Der einzige Grund, warum ich hier bin, ist, dass er nicht da sein kann. Ich gebe all diese Interviews, weil ich möchte, dass die Leute seine unglaubliche Kunst sehen. Er war in Höchstform. Das sollte man feiern. Philip war auf diesen Film sehr stolz. Seine Abwesenheit gibt ihm eine unangenehme Schwere. Und es ist umso schwerer, ihn zu sehen, weil er jemanden spielt, der nicht auf sich achtgibt. Es fühlt sich fast an wie eine Parallele zu seinem eigenen Leben. Er hinterlässt ein unglaubliches Loch in der Welt der Schauspielerei. Jemanden wie ihn gibt es nicht noch einmal.
In ihren Werken steckt eine Menge Einsamkeit. Vor allem auch in diesem Film. Ist jeder Mensch eine Insel?
Ich denke, dass wir alles in unserem Leben letztlich allein erleben. Das Leben ist keine Gruppenerfahrung.
Ein Lebensthema?
Ich wähle diese Filme nicht bewusst aus, aber offensichtlich ziehen mich diese Charaktere an. Als ich das Buch gelesen habe, war Bachmann gar nicht der Held. Aber für mich war er es. Vielleicht romantisiere ich es ein bisschen, aber ich mag die Idee des einsamen Mannes gegen die Welt.
Haben Sie Angst vor Terror? Nein. Was mich umtreibt, ist die Frage, wo es mit der Welt hingeht, wie die Menschen sich verändern. Ich fühle mich hier nicht besonders zuhause. 9/11 hat die Gesellschaft geteilt. Dazu gehört, dass wir Menschen sehr schnell aburteilen in gut oder schlecht. Das lässt kaum Platz für graue Bereiche. Das ist schlimm. John le Carrés Buchvorlage ist von 2008 und behandelt die Bush-Ära. Heute ist alles noch schlimmer geworden. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, die mir manchmal den Schlaf raubt. Deshalb musste ich wohl diesen Film machen.
Glauben Sie, dass Filme Menschen ändern können?
Sie haben mich verändert. Vielleicht sind es aber eher Dokumentationen. Sie bringen Menschen eher zum Nachdenken. Ich biete in meinen Filmen keine Lösungen. "A Most Wanted Man" ist nicht politisch, aber es geht um Politik. Sehen Sie all die Gewalt. Sei es in den Nachrichten, im Kino oder in Computerspielen. Ich weiß nicht, ob die Menschen gewalttätiger werden, aber sie akzeptieren es. Ich will das alles gar nicht sehen. Ich werde diese Bilder nicht mehr los, wenn ich sie erstmal gesehen habe. Bilder aus Bangladesh, die ich als Kind gesehen habe, sind immer noch in meinem Kopf. Ich will das nicht.
Haben Sie einen Trick, um zu verhindern, das die Bilder kommen?
Nein, leider nicht. Ich kann nur verhindern, sie zu sehen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der du im Internet keine Nacktheit zeigen kannst, aber Menschen, die einander töten. Das ist lächerlich! Facebook und diese ganzen neuen, hippen, angeblich modernen Organisationen sind des Kaisers neue Kleider. Es geht um nicht weiter als Geld. Definitiv nicht um Moral!