Auf der an diesem Wochenede zu Ende gegangenen Berlinale haben politische Themen eine große Rolle gespielt. Eröffnet worden waren die Filmfestspiele vor etwas mehr als einer Woche mit Kundgebungen gegen rechts. Plakate wie "No Racism, no AFD" wurden in die Kameras gehalten, zuvor eingeladene Politiker der Partei wieder ausgeladen.
Auch bei den Preisen blieb die 74. Berlinale politisch, allerdings verlagerte sich der Fokus dabei auf die internationale Ebene: Den "Goldenen Bären" gewann der Dokumentarfilm "Dahomey" der in Frankreich geborenen Regisseurin Mati Diop. Ihr Film setzt sich mit der Rückgabe von Kunstschätzen auseinander, die 1892 aus dem westafrikanischen Benin, damals Dahomey, geraubt wurden.
Mehr Schlagzeilen macht aktuell jedoch der Dokumentarfilmpreis, der vom Berliner Rundfunk RBB gestiftet wird und den der Film "No Other Land" bekam, eine palästinensisch-norwegische Produktion.
Protagonist des Films ist ein junger palästinensischer Aktivist im Westjordanland, der seit seiner Kindheit gegen die Vertreibung seiner Gemeinschaft durch die israelische Besatzung kämpft und dabei von einem israelischen Journalisten unterstützt wird.
Schon bei der Premiere des Films auf der Berlinale hatten dessen Macher Israel als Apartheidstaat bezeichnet, in Anspielung auf die staatlich zementierte Rassentrennung in Südafrika in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Saal wurden nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur im Anschluss an den Film von einzelnen Zuschauern Parolen wie "Free Palestine" gerufen.
Zwei Männer, die bei der Veranstaltung Frieden für Israel und Palästina forderten, seien niedergeschrien und beleidigt worden. Das Massaker der Hamas gegen Israel, das auch im Film nur am Rande erwähnt wurde, habe keine Rolle bei dieser Veranstaltung der Berlinale gespielt, hieß es weiter.
Antiisraelische Parolen gerieten jetzt auch gegen Ende des Filmfestes wieder in den Fokus, wie mehrere Medien am Sonntag berichteten. Demnach forderte am Abend der Preisverleihung der palästinensische Filmemacher und Aktivist Basel Adra, einer der Macher von "No Other Land", Deutschland auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern.
Der "Spiegel" zitiert Adra mit den Worten, es sei schwer für ihn zu feiern, während "Zehntausende Menschen in Gaza geschlachtet" würden. Die Tatsache, dass Israels Angriff nach dem aus dem Gaza-Streifen heraus verübten Massenmord an Israelis erfolgte, blieb demnach unerwähnt.
Palästinensertücher auf der Berlinale
Mit starkem Applaus habe das Publikum auf die Worte des palästinensischen Filmemachers reagiert. Verantwortliche des Festivals trugen Palästinensertücher, wie auf Fotos zu sehen ist. Eine Einordnung der Ereignisse in Nahost und des Gaza-Kriegs seien "von keiner Seite" erfolgt, heißt es beim "Spiegel".
Die Co-Geschäftsführerin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, habe dann doch noch die Hamas erwähnt und an die Terrororganisation appelliert, die israelischen Geiseln freizulassen, so das Portal.
Die "Jüdische Allgemeine" berichtet über den Abend der Preisverleihung unter der Schlagzeile "Berlinale wird zur einseitigen Pro-Palästina-Show". Der größte Massenmord von Juden seit dem Holocaust, der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, habe auf dem hochpolitischen Gala-Abend genauso wenig eine Rolle gespielt wie die "mehr als 130 Geiseln, die noch immer in der Gewalt der Hamas sind", kritisiert das Blatt.
Israel beklagte nach dem Angriff vom vergangenen Oktober mehr als 1100 Tote und Tausende Verletzte. Viele Familien bangen weiter um ihre als Geiseln gefangenen Angehörigen.
Quellen: "Der Spiegel", "Presseportal", "Jüdische Allgemeine" / mir Material von dpa
Lesen Sie bei stern+: Der Horror des 7. Oktober war ein Wendepunkt ihres Lebens: Vier Israelis blicken zurück auf ihr 2023 – und erzählen, was sie sich vom kommenden Jahr erhoffen. In dieser Folge: Inbar Lizmi, deren Sohn starb, als er seine Stadt vor einfallenden Hamas-Terroristen verteidigte.