Unfassbar, ein Mund wie eine Blüte und dann so was: "Bei uns sagt man, wenn dich eine Fliege oder ein Moskito stört, dann schlag sie tot. Wenn sie dann aber noch daliegt und mit den Flügeln zuckt, dann geh nicht hin und reiß ihr die Flügel einzeln aus. Das ist grausam."
So ist das, London am Nachmittag, der Kellner bringt Tee, auf dem Tisch steht Biolimonade, und Chinas größter Weltstar spricht übers... Killen. Ungerührt, beinahe ein wenig lächelnd, "manche werden meinen neuen Film sehen und sagen: Wenn du einen Mann umbringen musst, dann bring ihn um. Mach es schnell und sauber und verschwende keine Zeit mit Horrorkram". Es irritiert einen, dass solche Sätze aus einem der schönsten Gesichter Chinas kommen, aber es kommen noch mehr davon, und nach einer halben Stunde gewöhnt man sich an diese Art Killerplausch.
Nun ist es nicht so, dass Gong Li, 41, und so was wie die fünffache Julia Roberts des asiatischen Kinos, gern über Mord und Totschlag spricht, aber sie spielt in "Hannibal Rising", dem sogenannten Prequel der Menschfresser-Saga um Hannibal Lecter, eine Samurai-Lehrerin, die dem jungen Hannibal das Schlitzen mit dem Schwert erklärt, und der - ganz gelehriger Schüler -sozusagen zum Training gleich einen Nazi mordet. Ein Splatter-Film also, bei dem Blut und anderes Inneres von der Leinwand tropft und in dem Gong Li einige ihrer typischen Auftritte hat. Beklemmend präsent, dicht, unausweichlich, sie kann mit den Augen und dem Gesicht sprechen, es ist, als ob sie sich die Rolle aus den Poren pressen würde. Im Film. Wenn sie einem entspannt gegenübersitzt, ist sie vor allem eines - makellos schön. Und man versteht, dass L'Oréal mit diesem Gesicht in Asien für seine Schönheitsprodukte wirbt.
"Hannibal Rising"
Nicht jede Frage muss beantwortet werden, nicht jedes Geheimnis gelüftet. Aber auch Autoren und Regisseure müssen ihre Miete zahlen. Also wird der Welt nun erklärt, wie Hannibal Lecter zum Kannibalen werden konnte: Er musste als Junge mit ansehen, wie ausgehungerte litauische Söldner im Zweiten Weltkrieg seine kleine Schwester verspeisten - Ausgangspunkt für eine elegant bebilderte, gut gespielte, aber völlig austauschbare Rache- geschichte ohne psychologische Strahlkraft. Einen Magenbitter bitte.
Aber hier geht es jetzt um die Kampfkunst der Samurai, in Europa bedeutet das "Töten mit scharfen Schwertern", in Asien ist es eine Kultur. "Ich kann das nicht in ein oder zwei Sätzen erklären, aber in der Samurai-Schule geht es darum, den Mut zu lernen, Dinge zu tun. Es ist eine positive Art Philosophie", sagt sie mit leichter Ungeduld.
Man spürt, dass sie wenig Lust hat, einem Europäer eine jahrtausendealte Tradition zu erklären. Und sicher, Hannibal schlachtert da schon heftig herum, "aber in der Übertreibung werden Dinge auch klarer, und man kann darüber nachdenken, wie es zu solchen Grausamkeiten kommen kann". In Kriegen zum Beispiel, sagt sie, "das haben wir schon in der Schule gelernt, geht es viel grausamer zu. Als Japan in China einfiel, sind Dinge passiert, die schlimmer als die in "Hannibal Rising" waren".
Gong Li spricht wie eine Diplomatin, sie sagt nicht, dass sie die Todesstrafe befürwortet, sie sagt, dass es in Asien Menschen gibt, die den Tod für eine gerechte Strafe halten. "Hannibal Rising" ist nach "Die Geisha" und "Miami Vice" ihr dritter ausländischer Film, 25 Filme hat sie vorher gedreht. Früher hat sie gesagt, in Hollywood gebe es nur dumme Frauenrollen. Aber das, meint sie nun, habe sich geändert. "Die Rollen, die ich gespielt habe, hatten alle viele Schichten, da gab es richtig etwas zu arbeiten." Sicher, man würde sie immer wieder als die Film-Chinesin besetzen, "und das ist auch in Ordnung, schließlich bin ich eine". Doch dann, eher nebenbei, sagt Gong Li auch, "mal etwas anderes zu spielen, wäre schon eine Herausforderung". Man spürt die Diskrepanz, mit der Gong Li jonglieren muss - in China der Superstar, im Rest der Welt eine Rollenchinesin in Big-Budget-Action- und Splatter-Filmen. In China der tägliche Kampf mit Zensurbehörden, in Hollywood der Kampf an den Kinokassen - so was passt nur bei Menschen wie Gong Li zusammen.
Sie hat dabei in den Jahren eine sehr sachliche Art des Sicharrangierens gefunden. Nein, Gong Li verschweigt die schwierigen Verhältnisse in China nicht, aber sie klagt auch nicht an. Die allgegenwärtige Zensur ist für sie ein Zustand geworden, um den herum sie arbeiten muss. Viele Filme, sagt sie, dürfen gar nicht gedreht werden, und viele fertige Filme kommen nie ins Kino, das macht sie innerlich wütend, aber sie würde dagegen nicht auf die Barrikaden gehen. Denn, auf welche denn? "Man kann ja Filme auch ein wenig heimlich drehen, das ist nicht das Problem. Doch wie sollen sie ins Kino kommen? Und was nützen gute Filme, wenn sie keiner sehen kann?" In China, sagt sie mit diplomatisch feiner Stimme, "müssten sich eben auf Staatsebene ein paar Dinge ändern". Sie darf das so sagen, ohne dass in Peking gleich die Handschellen klicken. Als sich öffnende Weltmacht kann man es sich nicht leisten, einen der wenigen Weltstars aus dem eigenen Land politisch in die Kneifzange zu nehmen. Und Peking nimmt interessiert zur Kenntnis, dass Gong Li in China auch zu einem Role Model der modernen Frau geworden ist. Sie ist schön, sie hat Erfolg, ihre Regimekritik ist dosiert, und sie ist seit elf Jahren mit dem Unternehmer Ooi Wei Ming verheiratet.
Davor hatte sie der internationalen Presse ihren einzigen sentimentalen Ausbruch geliefert - bei den Filmfestspielen in Cannes brach Gong Li 1995 in Tränen aus, als man sie zur Trennung von ihrem langjährigen Freund, dem Regisseur Zhang Yimou, befragte. Da müssen selbst die Betonköpfe im Politbüro einen Moment geseufzt haben! Aber seitdem hat Gong Li eine private Nachrichtensperre verhängt. Ob sie sich je überlegt hat, ihre Heimatstadt Hongkong zu verlassen und in die filmische Freiheit Hollywood zu ziehen? Nein, Gong Li, lächelt, warum? "Wenn man eine schlechte Schauspielerin ist, kann man in Hollywood auch im Haus eines Produzenten wohnen. Der Karriere hilft das nicht. Wenn du eine gute Schauspielerin bist, kannst du leben, wo du willst, sie werden dich schon finden."