Benny Andersson und Björn Ulvaeus, die zwei Bs von Abba, stehen sich gerade nicht so nahe wie in ihrem Bandnamen. Sie sollen den ganzen heißen Tag über Interviews geben in einem griechischen Luxusresort, der "Mamma Mia!"-Film wurde etwas weiter entfernt gedreht. Doch Benny, grauer Vollbart, gemütlicher Bauch und Sonnenbrille, der über viele Jahre so gut wie nie mit den Medien gesprochen hatte, genießt das Ganze plötzlich so sehr, dass der asketischere Björn, seit Jahren als Abba-Botschafter unterwegs, kaum zu Wort kommt. Björn fordert: ab jetzt nur Einzelgespräche. Nach einiger Überredungskunst setzen sich die Schweden dann aber doch zusammen an einen Tisch.
Ihre Hits wie "Dancing Queen" oder "Mamma Mia" werden auf der ganzen Welt geliebt, sie wurden in ein Musical verpackt und nun in einen Hollywood-Film. Können Sie Ihre eigenen Lieder überhaupt noch hören?
Björn (lacht): Das ist ziemlich schwierig nach all dieser Zeit. Aber wenn ich höre, wie Meryl Streep "The Winner Takes It All" singt, bewegt mich das doch sehr.
Benny: Ich mag es sehr, wie Amanda, Meryls Filmtochter, "Thank You For The Music" interpretiert. Nur sie und ich am Klavier. Wir hatten das eigentlich nur zum Spaß aufgenommen. Aber logisch: Da geht man mit der gleichen alten Abba-Band in ein Tonstudio und nimmt die gleichen alten Songs noch mal auf. Die immer noch großartig klingen. Aber wir sind eben nicht mehr innovativ, da kommen keine neuen Ideen, das vermisse ich.
Björn: Dieser wunderbare Moment, wenn jemandem etwas Frisches einfällt. Oh yeah, das ist gut! Merk dir das, um Himmels willen! Dieser Kick fehlt.
Trotzdem wollten Sie bei der Filmfassung Ihres Erfolgsmusicals unbedingt an Bord sein.
Benny
: Eine Bühnenshow lebt, jeden Augenblick kann einer hinfallen und sich ein Bein brechen. Und selbst nach neun Jahren Laufzeit kann man noch Sachen ändern. Ein fertiger Film bleibt für immer, deswegen müssen alle Details so perfekt wie möglich sein. "Mamma Mia!" ist Teil des Vermächtnisses von Abba, deswegen wollten wir da niemand anderen ranlassen und haben mit dem Filmstudio um die totale künstlerische Kontrolle gerungen.
Agnetha und Anni-Frid, die Damen von Abba, wurden aber nicht gefragt?
Björn
: Nein, die haben mit "Mamma Mia!" nichts zu tun.
"Mamma Mia!"- Der Film
Meryl singt abba gut
Sophie lebt mit ihrer Mutter Donna auf einer kleinen griechischen Insel, wo Donna ein Hotel betreibt. Ihren Vater hat das Mädchen nie kennengelernt. Aus dem Tagebuch ihrer Mutter erfährt sie: Drei Männer kommen in Betracht. Zu ihrer Hochzeit lädt Sophie ohne Donnas Wissen alle drei ein, um herauszufinden, wer ihr Erzeuger ist. Mehr als 30 Millionen Menschen sahen die Musicalversion von "Mamma Mia!" bisher. Der Film setzt die Story mit Gute-Laune-Garantie fast eins zu eins um. Die singenden Meryl Streep und Pierce Brosnan sowie die neu arrangierten Abba-Hits sind allein schon das Eintrittsgeld wert. Eher schlichte Dialoge und eine überspannte Sophie-Darstellerin (Amanda Seyfried) trüben das unbeschwerte Sommervergnügen kaum. Ab 17. 7. im Kino
Angeblich haben Sie allein mit dem Musical mehr Geld verdient als mit allen Abba-Platten zusammen.
Björn: Wer hat das gezählt?
Benny: Da ist kein Ende in Sicht, das erstaunt mich immer wieder. Aber ich könnte unmöglich sagen, welche Einkünfte aus welcher Quelle kommen.
Was stellen Sie mit dem vielen Geld an?
Benny
: Wir geben nichts aus. Wir sparen alles für schlechte Zeiten (Björn lacht). Aber klar: Genug Geld erleichtert das Leben. Ich hätte zwar auch ein Boot, wenn ich arm wäre, aber jetzt kann ich mir eben ein größeres Boot leisten. Das ist der Unterschied. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre mussten wir wirklich kämpfen, um unsere Miete bezahlen zu können.
Björn
: Eine sehr unglückliche, unsichere Zeit, sowohl finanziell als auch künstlerisch. Wir traten alle vier mit einer Art Cabaret-Show in einem Restaurant auf und versuchten, witzig zu sein. Schrecklich! Gut, dass Youtube damals noch nicht existierte.
Stimmt es, dass Sie minderwertige Songs damals gleich wieder zerstört haben?
Benny: Wir haben sie erst gar nicht aufgenommen. Deswegen gibt es heute keine verloren gegangenen, unbekannten Abba- Songs. Von uns ist glücklicherweise kein Müll im Umlauf, auch wenn man mit dem vorhandenen Material leicht ein "Worst of Abba"-Album zusammenstellen könnte. Aber da sind noch ein paar Song-Embryos in meinem Kopf, die sich nie voll entwickelt haben.
Sie hätten ja für den "Mamma Mia!"-Film einen neuen Abba-Song schreiben können.
Björn
: Das hätte auch bedeutet, dass wir ihn zusammen mit den Frauen hätten aufnehmen müssen, und das wäre wohl etwas schwierig geworden, auch wenn unser Kontakt nach wie vor gut ist.
Benny
: Eine Idee allein reicht nicht, unsere Hits waren immer harte, disziplinierte Arbeit. Jeden Tag von 10 bis 17 Uhr am Klavier und an der Gitarre. Außerdem würde ich nie versuchen, mit 61 noch Popsongs zu schreiben. Das überlass ich den Kids.
Björn
: In den Siebzigern waren wir Teil des Mainstreams. Wir waren Pop. Ohren am Boden, immer am Lauschen, was die anderen gerade so machen. Wenn man kaum noch aktuelle Musik hört, kann man nicht mehr mithalten.
Zumindest haben Sie Madonna erlaubt, für Ihren Welthit "Hung Up" ein Abba-Sample zu verwenden. Was sonst niemand durfte.
Björn: Sie vergessen die Fugees. Warum wir so streng sind? Nun, die anderen sollen ihr eigenes Zeug schreiben. Ich hasse das, wenn sie eine unserer wundervollen Melodien benutzen, dazwischen rappen und dafür dann Lob einstecken. Das ist unfair!
Benny: Wir werden auch immer wieder gefragt, ob wir nicht "Dancing Queen" ins Internet stellen wollen, damit es die Leute remixen können. Wenn die glauben, sie sind besser als wir, sollen sie erst mal selbst was leisten!
Abba war in den 70er Jahren nie politisch aktiv. Trotz Vietnamkriegs, Watergate, sexueller Revolution. Warum eigentlich?
Björn
: Wir haben darüber nie nachgedacht. Und uns stattdessen ins Songschreiben reingesteigert.
Benny
: Wir wussten, dass wir gerade die Chance unseres Lebens haben. Wir mussten 100 Prozent geben, um sie zu nutzen. Deswegen sind wir auch nicht auf Tour gegangen. Wer hätte dann unsere Songs komponiert? Dazu braucht es volle Konzentration.
John McCain hat gerade "Take A Chance On Me" für seine Präsidentschaftskampagne eingesetzt.
Benny
: Nur ein- oder zweimal, dann haben wir es untersagt. Wir würden ihm das nie gestatten. Nicht einem Republikaner, der ein Freund von George Bush ist.
Früher war Abba eine der meistgehassten Bands in Schweden, nun wird nächstes Jahr ein großes, interaktives Abba-Museum in Stockholm eröffnet. Fühlen Sie sich inzwischen genug respektiert in Ihrer Heimat?
Benny
: Wir kümmerten uns damals nur um uns selbst und zogen unser Ding konsequent durch. Das galt als politisch inkorrekt. Aber später wurden wir gut behandelt. Ich hab sogar eine Medaille vom König bekommen.
Björn
: Ich auch. Ich weiß aber nicht mehr, wofür genau. Ich glaube, für künstlerische Errungenschaften.
Benny
: Die war doch eher für das Lebenswerk, oder? Mir hat man jede Menge Kram nachgeschmissen. Die mochten mich.
Björn
: Agnetha und Frida haben niemals eine Auszeichnung erhalten. Seltsam eigentlich.