Die gute Nachricht zuerst. Daniel Day-Lewis hat seine Ausstrahlung auf der Leinwand nicht verloren. Der dreifache Oscar-Gewinner (68) hatte vor acht Jahren eigentlich angekündigt, in den vermeintlichen Ruhestand zu gehen. Gut, dass er sich nicht daran gehalten hat.
Mit dem Drama "Anemone", das jetzt in den Kinos startet, feiert der britisch-irische Schauspieler ein starkes Comeback. Der Film über das erste Wiedersehen zweier Brüder nach vielen Jahren in einem düsteren Wald bildet zugleich das Regiedebüt seines Sohnes Ronan Day-Lewis (27).
Drei Oscars als bester männlicher Hauptdarsteller
Jetzt die schlechte Nachricht: Abgesehen von der herausragenden Schauspielleistung gestalten sich die rund zwei Stunden im Kinosaal eher zäh. Doch dazu später mehr.
Daniel Day-Lewis gehört zu den meist gefeierten Künstlern seiner Generation. Als bislang einziger Schauspieler wurde er dreimal mit dem Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller ausgezeichnet: für die Dramen "Mein linker Fuß" (1989) und "There Will Be Blood" (2007) sowie für die Darstellung des US-Präsidenten Abraham Lincoln im Historienfilm "Lincoln" (2012).
Daneben erhielt er zahlreiche weitere Preise. Das Magazin "Time" titelte 2012 über ihn: "The World’s Greatest Actor" ("Der beste Schauspieler der Welt"). Bekannt ist Day-Lewis zudem für "Der letzte Mohikaner", "Gangs of New York", "Der seidene Faden" und "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins".
Daniel Day-Lewis: "Hätte einfach besser meinen Mund gehalten"
Dann ein Schock für viele Fans. 2017 verkündete Day-Lewis mit damals 60 Jahren, er wolle mit der Schauspielerei aufhören. Er habe sich von manchen Seiten seines Jobs immer wieder "ausgehöhlt" gefühlt, erklärte er kürzlich rückblickend dem US-Magazin "Rolling Stone". Jetzt bereut er seine Wortwahl: "Wenn ich jetzt zurückblicke, hätte ich besser einfach meinen Mund gehalten".
Gemeinsam mit seinem Sohn Ronan hat Day-Lewis das Drehbuch zu "Anemone" geschrieben. Irgendwann entschied sich der Hollywoodstar, einen der Charaktere selbst spielen zu wollen. Vielleicht auch, weil seine Rolle in dem von Brad Pitt produzierten Film sinnbildlich zu seiner Rückkehr passt.
Worum es in "Anemone" geht
Denn in "Anemone" verkörpert der Schauspieler einen Mann, der in einer Holzhütte im nebelverhangenen Wald in Nordengland abgeschieden von seiner Familie lebt. Er wird von seinem Bruder ("Game of Thrones"-Star Sean Bean) aufgesucht, der ihn wegen einer familiären Krise dazu bringen will, nach 20 Jahren zurückzukehren.
Vielmehr als mit dem Thema Rückkehr setzt sich der Film allerdings mit Familiendynamiken, verdrängten Traumata sowie Schuld und Scham auseinander.
Langsames Erzähltempo, dröhnender Soundtrack
Bruder Jem (Bean) macht sich zu Beginn des Films auf den Weg zu Ray (Day-Lewis), einem ehemaligen Soldaten. Schnell wird klar, wie distanziert das Verhältnis der beiden zueinander ist. Die Begrüßung fällt gefühlskalt aus.
Während sich Jem um Rays Frau und dessen Sohn Brian kümmert, hat sich der wortkarge Ray nach einem mysteriösen Trauma in das selbstgewählte Exil zurückgezogen. "Anemone" setzt auf ein sehr langsames Erzähltempo mit stimmungsvoller und dröhnender Musik, um die Psyche der Brüder zu erkunden.
Die Dialoge - und das bedrückende Schweigen - der beiden nehmen viel Platz ein, was den Film teilweise wie ein Kammerspiel in der spartanisch eingerichteten Waldhütte wirken lässt. Zwischendurch streut Regisseur Ronan Day-Lewis surreale, traumartige Bilder ein, die wohl für Tiefe sorgen sollen, aber überladen wirken.
Day-Lewis glänzt mit Monologen
Besonders eindrücklich geraten zwei Monologe von Ray, etwa wie er über Missbrauch in der Kindheit und seiner dezidierten, verstörenden Rache an einem Priester spricht. Getragen wird "Anemone" letztlich vor allem von den nuancierten Darstellungen von Day-Lewis und seinem Spielpartner Bean.
Abgesehen von diesen Momenten wirkt der Film insgesamt mit zahlreichen symbolisch aufgeladenen Bildern, deren Sinn sich nicht erschließt, doch sehr konstruiert. Der Kinobesuch zieht sich daher stellenweise schleppend dahin. Doch immerhin hat Hollywood Daniel Day-Lewis zurück.