"Das ist ein verfickter Krieg", sagt Til Schweiger und lehnt sich machomäßig entspannt zurück. In Berlin standen am frühen Mittwochabend 14 Stühle im Saal des Ritz-Hotels. Darauf nahmen deutsche Schauspielgrößen Platz - von Hannah Herzsprung über Moritz Bleibtreu bis Herbert Knaup. Der Grund dafür war ungewöhnlich: eine Art Zwischenpremiere wie man sie eigentlich nur aus Hollywood kennt. Til Schweiger, der in Berlin und Umgebung gerade seinen siebten Film in der Kombination aus Regisseur und Hauptdarsteller dreht, stellte 25 Minuten aus "Schutzengel" vor, einem "emotionalen Actionthriller", in dem die sonst für Musik verbratenen 300.000 Euro für "Geballere" draufgingen. Anders als erwartet geht es mit dem insgesamt 7,5 Millionen Euro teuren "Kokowääh"-Nachfolger nämlich nicht wieder ins Küken-Hasen-Universum, sondern in die Schusslinien von Ex-Soldaten und Killerkommandos. Und es sieht so aus, als sei Schweiger mal wieder dabei, einen deutschen Nerv zu treffen.
Die Geschichte des Films - der am 27. September in die Kinos kommt, bis Ende April wird noch gedreht - erinnert an Actionklassiker wie "Der einzige Zeuge", "Léon - Der Profi" oder auch "Das Mercury Puzzle": Ein ehemaliger Elitesoldat (100 Prozent Schweiger) soll ein Waisenmädchen (beeindruckend: Schweigers 15-jährige Tochter Luna) beschützen, das die einzige Zeugin eines schrecklichen Verbrechens ist. Auf der Flucht vor Profikillern und anderen Söldnern werden der verbitterte Veteran und das Mädchen ohne Kindheit Freunde.
"Wie fühlt es sich an, wenn man im Krieg ist?"
Das hört sich nicht besonders originell an, wenn man Schweigers Oeuvre international betrachtet, den Film also irgendwo zwischen John Woo, Luc Besson und Hollywood verortet. Aber für Deutschland ist er das eben doch. Hierzulande klebt die Branche an Genre-Begriffen, was Schweiger auch mal eben wegzurotzen versucht mit dem Ausspruch: "Vergessen wir das Genre-Gequatsche. Ein Film ist'n Film. Hauptsache er unterhält." Da ist er 100 Prozent Bernd Eichinger. Doch lässt man das "Genre-Gequatsche", auf das Schweiger sich dann leider doch einlässt, tatsächlich mal weg, offenbart "Schutzenengel" vor allem ein dringliches, ganz nationales Anliegen.
Schweigers Ex-KSK-Soldat Max bekommt nicht nur Hilfe von der obligatorischen hübschen Frau (Karoline Schuch), sondern auch von seinem Ex-Waffenbruder Rudi (Moritz Bleibtreu), dem beim Einsatz in Afghanistan die Beine weggeschossen wurden. Wie der berühmte Vietnam-Veteran Ron Kovic an den Rollstuhl gefesselt sorgt Bleibtreu für hochemotionale Szenen, wenn es um Krieg, Männerfreundschaft und Soldatenehre geht. Der kaum beachtete Krieg am Hindukusch und das Schicksal deutscher Kriegskeimkehrer sind plötzlich ein Thema, das der neben Bully Herbig erfolgreichste Filmemacher Deutschlands leinwandbreit in opulenten Hochglanzbildern präsentiert. Und dann, in einer dieser emotionalen Durchatmeszenen vor dem Sturm, stellt Nina/Luna Max/Til die entscheidende Frage, die in Deutschland aus historischen Gründen keiner stellen mag: "Wie fühlt es sich an, wenn man im Krieg ist?"
"Wenn ich heule, heulen die auch"
Während er nachts in der Küche am Drehbuch schrieb, habe er geheult, erzählt Schweiger. "Und ich wusste, wenn ich heule, heulen die Leute im Kino auch." Da sei ihm auch die Geschichte von Max und Rudi eingefallen: "Ich habe "Afghanistan getippt und gedacht: Bingo, das ist mein Statement", so der Filmemacher mit dem großen Ego, das die Kinokassenzahlen immer wieder bestätigen. "Ich war so stolz, dass ich das geschrieben habe." Und dann erzählt er auch noch davon, wie er bei der Bambi-Verleihung einen Soldaten getroffen habe, der beim Einsatz in Afghanistan sein Augenlicht verloren hat, als er einem Kameraden das Leben rettete. Der habe nur eine Bitte gehabt: dass die Öffentlichkeit endlich mehr darüber erfahre, was die deutschen Soldaten für ihr Land tun, dass sie "Seelen und Gliedmaßen" da unten lassen.
Sicher, das ist pathetische Schweiger-Sprache, und der Film steht dem den 25 Minuten nach zu urteilen in nichts nach. Aber wie Schweiger schon sagte: "Das ist ein verfickter Krieg!", und vielleicht hilft ja ein Schweiger-Film in Schweiger-Sprache dabei, einen angemesseneren Umgang mit der neuen Realität in diesem Land zu finden.