"Morgens nehme ich als erstes eine kalte Dusche", sagte er stets mit einem schelmischen Lächeln, "dann weiß ich wenigstens, dass mir den Tag über nichts Schlimmeres mehr passieren kann." Solche Sätze waren typisch für Gerhard Vormwald. Immer optimistisch und freundlich, nie etwas Böses denkend, nicht rauchend oder trinkend, nie die eigene Person groß in den Vordergrund stellend - so ging er fröhlich durchs Leben und zählte bald zu den ganz Großen im deutschen Fotografie-Betrieb.
Zahllose Ausstellungen zeigten sein Werk, mehr als 60 stern-Titel hat er fotografiert, 1999 wurde er Professor für Fotografie in Düsseldorf und nach seiner Emeritierung vor drei Jahren sagten ihm Freunde und Kollegen einen glücklichen, künstlerischen Lebensabend in seiner französischen Wahlheimat voraus. Doch nun ist Gerhard Vormwald vollkommen unerwartet gestorben, in seinem Pariser Atelier, drei Tage nach seinem 68. Geburtstag. An diesem Mittwoch findet auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise die Trauerfeier statt.
Vormwald, geboren in Heidelberg, war nach einer Druckerlehre und einem Malerei-Studium jahrelang Bühnenfotograf am Schauspielhaus in Mannheim, bevor er in der Tullastraße ein eigenes Studio aufmachte. Seine erste große Reportage handelte von Friedhöfen, bald tourte der 1,96 Meter große Fotograf in abgewetzten Jeans und Cowboystiefeln durch die Redaktionen der Republik, verbreitete mit seinen blaugrün aufblitzenden Augen überall gute Laune und sammelte kräftig Aufträge ein. 1980 reiste er nach New York, entschied sich dann aber seine Zelte endgültig in Paris aufzuschlagen. Zuerst hatte er ein winziges Apartment in Clichy mit Labor in der Küche; später, als lukrative Aufträge hereinkamen, bezog er mit seiner Familie in der Rue Pernety im 14. Arrondissement, nicht weit vom Tour Montparnasse, eine Wohnung mit geräumigem Atelier. Dort entstanden, meist mit französischen Models aufwändig inszeniert, viele stern-Titelbilder sowie Fotostrecken für das "Zeit Magazin", "Pardon" oder den "Playboy".
Gerhard Vormwald ließ die Menschen schweben
Unbeirrbar entwickelte Vormwald seinen eigenen Stil - eine surreale Fotografie, lange bevor es Photoshop gab: Menschen, die schwerelos durch Räume hechten; ein Mädchen im weißen Kleid, das wie ein Engel durch ein offenes Fenster schwebt; Titelseiten der "New York Times" und der "Le Monde", die auf fliegenden Stühlen flattern. Das Geheimnis dieser Bilder erklärt sich aus Vormwalds handwerklichem Können. Binnen Stunden konnte er im Atelier mit seinen Assistenten umgekehrte Zimmer (Decke unten, Boden oben) oder überdimensionale Möbelstücke bauen, bevor er dann auf den Auslöser drückte. Einige seiner Meisterwerke befinden sich heute im Kölner Museum Ludwig, im Pariser Centre Pompidou oder im Kodak Eastman House in Rochester.
In den 90er Jahren konnte es sich der inzwischen berühmte Künstler leisten, auf Aufträge von Zeitschriften und Werbeagenturen zu verzichten. Er verkaufte seinen Porsche und zog sich immer mehr zurück, auf seinen Landsitz Le Couéche nahe Montargis, wo er malte und an neuen fotografischen Arbeiten experimentierte, auch im Bereich der inzwischen neu entstandenen digitalen Medien. Seine zuvor gefeierten Bilder, wie etwa "Der fliegende Neger" (1983), wirkten derweil plötzlich nicht mehr ganz so spektakulär, "weil", wie er einmal sagte, "man denkt, das hat er ja montiert oder hätte es zumindest montieren können."
Kurz vor der Jahrtausendwende bekam Vormwalds fotografische Vita noch einmal eine neue Wendung. Er wurde Professor für Fotografie. Fast wöchentlich pendelte er nun mit seinem Van zwischen Le Couéche und Düsseldorf. Die Arbeit mit den Studenten machte ihm enormen Spaß, und jedes Jahr präsentierte er neue Bilder in neuen Ausstellungen. "Wenn es nach den Bildern ginge, die ich noch alle umsetzen möchte", sagte er einmal, "wünschte ich mir, mindestens zweihundert Jahre alt zu werden."