Vor Sotheby's-Auktion Experten entdecken verborgenes Bild unter 40-Millionen-Dollar-Gemälde von Botticelli

Sandro Botticellis 'Man of Sorrows' soll für 40 Millionen US-Dollar bei Sotheby's in New York versteigert werden
Gemälde mit Geheimnis: Sandro Botticellis 'Man of Sorrows' soll für 40 Millionen US-Dollar bei Sotheby's in New York versteigert werden
© Tristan Fewings / Getty Images
Eines von wenigen noch existierenden Botticelli-Porträts soll Ende Januar vom Auktionshaus Sotheby's für mindestens 40 Millionen Dollar versteigert werden. Jetzt haben Experten unter den Farbschichten eine Entdeckung gemacht.

Porträts von Sandro Botticelli (1445-1510) sind auf Auktionen nur äußerst selten zu haben. Ohnehin existieren nur noch rund ein Dutzend dieser Werke des italienischen Malers und Zeichners der Frührenaissance. Im vergangenen Januar kam das Gemälde "Young Man Holding a Roundel" (auf Deutsch etwa: Junger Mann, der ein rundes Abzeichen hält) bei Sotheby's in New York online unter den Hammer. Für 80 Millionen Dollar (etwa 70 Millionen Euro) wechselte das Bild damals den Besitzer. Mit Gebühren lag der Gesamtpreis sogar bei 92,2 Millionen Dollar. So viel sei noch nie zuvor bei einer Versteigerung für ein Werk des italienischen Malers bezahlt worden, teilte Sotheby's damals mit.

Dieser Rekordverkauf inspirierte offenbar einen weiteren Sammler dazu, sich von seinem Botticelli-Gemälde zu trennen. "Der Schmerzensmann" soll am 27. Januar bei Sotheby's versteigert werden. Das Christusbild, das der Florentiner am Ende seiner Karriere malte, als er stark von dem dominikanischen Kirchenreformator Girolamo Savonarola beeinflusst war und christlicher Symbolismus und Spiritualität seinen Stil prägten, soll mindestens 40 Millionen US-Dollar einbringen.

Botticelli wollte offenbar Material sparen

Doch das Gemälde zeigt nicht nur den von den Schmerzen der Kreuzigung gepeinigten Christus, es verbirgt noch ein weiteres Bild unter seiner Oberfläche, wie die Fachzeitung "The Art Newspaper" berichtet. Bei der technischen Analyse, die Sotheby's im Vorfeld der Versteigerung durchgeführt habe, sei eine faszinierende Darstellung einer Madonna mit Kind unter den Farbschichten entdeckt worden.

Seiner Ansicht nach handele es sich um eine "Madonna der Zärtlichkeit" (ein von griechischen Ikonen abgeleiteter Typus), die den Kopf des Christuskindes innig an die eigene Wange schmiege, erklärte Chris Apostle, Chef der Abteilung für Gemälde Alter Meister bei Sotheby's in New York, der Zeitung. Apostle hatte demnach die Gelegenheit, das Bild eingehend zu untersuchen. Die Gesichtszüge, insbesondere die Nase, die Augen und der lachende Mund, die er als die des Christuskindes identifiziert habe, seien auf einem Infrarotbild gut zu erkennen, wenn man das Bild auf den Kopf drehe.

Der Kopf nehme einen Platz unter der Brust des Schmerzensmannes ein, während ein Auge und eine Augenbraue, die offenbar zu einem weiblichen Kopf gehörten, in dem Bereich nahe von Christus' rechter Hand sichtbar seien, berichtete Apostle. Im unteren Teil der Figur sei zudem eine weiße Untermalung zu erkennen, die möglicherweise aus Kadmium bestehe. Andere sichtbare Teile sähen wie Falten eines Mantels aus, mit dekorativen Bändern um die Schulter und einem Teil eines Ärmels. Und auch der pausbäckige Arm des Kindes sei zu erkennen.

Einige Linien der verborgenen Zeichnung seien dicker als andere, was darauf hindeute, dass sie möglicherweise von einem Standard-Entwurf abgepaust und dann mit einem flüssigen Pigment überarbeitet wurden, sagte Apostle. Aber der Kopf des Jesuskindes sei ein "Unikat": Es gebe nirgendwo eine Replik davon.

Extrem ungewöhnlich ist eine solche übermalte Zeichnung allerdings nicht. Er sei schon öfter auf so etwas gestoßen, erklärte Apostle. "Tafeln waren in der Renaissance ein wertvolles Gut", so der Experte, und wenn es sich um ein unvollendetes Kunstwerk handelte – in diesem Fall eine Madonna mit Kind, ein Motiv, das Botticelli und sein fleißiges Atelier regelmäßig herstellten – "dann wollte man es nicht wegwerfen." Und so habe Botticelli die Tafel einfach umgedreht und sie für ein außergewöhnliches neues Werk verwendet.

mad

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