Ihre Augen glänzen vor Begeisterung, wenn sie die Werke von Hans Peter Reuter oder Roy Lichtenstein erläutert. Wenn sie ins Schwärmen gerät, Anekdoten zu den Kunstwerken preisgibt, weckt das auch das Interesse von Laien. Kathrin Weishaupt-Theopold führt mit blumigen Beschreibungen, aber zielstrebig durch die Kunsthalle Weishaupt. Es ist ihr Reich.
Während sich die große Masse ehemaliger Kunststudenten von Praktikum zu Praktikum durchschlägt, um vielleicht einmal einen Halbtagesjob in einem Museum zu ergattern, steigt sie ganz oben ein. Mit 31 Jahren ist sie Direktorin des neuen Ulmer Wahrzeichens, der Kunsthalle Weishaupt.
Der Name Weishaupt und die Kunst - offenbar ein unzertrennliches Paar
Hinter der großzügigen Glasfassade der millionenschweren "Neuen Mitte" Ulms residiert Weishaupt in einem noch etwas karg eingerichteten Büro in der obersten Etage. Ein Einstieg ganz weit oben. Ein Glücksfall? Oder Kalkül? Zu verdanken hat sie die große Chance ihrem einflussreichen Vater Siegfried Weishaupt, dem süddeutschen Heizungsmogul. Rund 350 Millionen Euro setzt sein Unternehmen mit Heizsystemen für Privathaushalte und die Industrie jedes Jahr um. Weishaupts Brenner wurden nicht nur mehrfach mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet, sondern temperieren auch so illustre Kulturstätten wie die Sixtinische Kapelle, die Royal Albert Hall oder Schloss Neuschwanstein. Der Name Weishaupt und die Kunst - sie sind offenbar ein unzertrennliches Paar. Über 500 Originale hat Vater Siegfried Weishaupt während 40 Jahren Sammlertätigkeit angehäuft. Hinzu kommen noch eine unbekannte Zahl an Grafiken und Zeichnungen. Das Familienoberhaupt pflegt regelmäßig Kontakte in die Kunstszene, Andy Warhol und Keith Haring waren zu Lebzeiten gern gesehene Gäste auf dem Anwesen der Weishaupts in Laupheim. Wer kann sich da schon dem Bann der Kunst entziehen? Tochter Kathrin konnte es nicht. "Es ist ganz klar, dass einen die Kunst in seinem Umfeld nicht kalt lässt", sagt sie. "Wenn man damit aufwächst, ist es eine Selbstverständlichkeit, sich damit zu beschäftigen."
Pop-Art statt Pop
In der Pubertät, wenn Mädchen gewöhnlich Leinwandhelden und Musiker anhimmeln, gerade ihren ersten Alkoholrausch hinter sich haben, entflammt in ihr das Interesse für die Kunst. Sie begleitet ihre Eltern zu Kunstausstellungen, beschäftigt sich intensiv mit den Kunstwerken, die sie ständig umgeben. Diese Zeit muss es auch gewesen sein, in der Kathrin Weishaupt ihre Liebe zu den schrillen Farbkompositionen der Pop-Art entdeckt. "Ich finde diese aufständische Zeit unheimlich spannend", sagt Weishaupt heute. Die Begeisterung für den Pop-Art-Titanen Andy Warhol liegt wohl auch ein wenig in der Familie, schließlich hatte der einst ihrem Großvater, Firmengründer Max Weishaupt, ein Porträt gewidmet. Fasziniert ist Weishaupt auch von den plakativen, fotorealistischen Zeichnungen Robert Longos - selbst einmal ein Punk der Kunstszene.
In der Familie überrascht es niemanden, als Kathrin Weishaupt nach dem Abitur den Wunsch hegt, Kunstgeschichte zu studieren. Ihre beiden Brüder zieht es dagegen in die Wirtschaft. Ganz nach dem Vorbild des Vaters. Nach dem Grundstudium der Kunstgeschichte, Volkswirtschaftslehre und klassischen Archäologie in Heidelberg geht Kathrin Weishaupt nach München. An der Ludwig-Maximilians-Universität schließt sie ihre Magisterarbeit ab. Das Thema ist wenig überraschend: Andy Warhols frühe handgemalte Tafelbilder. Da taucht er wieder auf, der Pop-Art-Titan.
Was zählt, ist nur das Beste vom Besten. Große Namen eben
Ganz ohne Praktikum kommt dann aber auch eine Weishaupt nicht aus, trotz des einflussreichen Papas. Das will sie aber auch gar nicht. Was sie will: endlich praktische Erfahrung sammeln neben dem drögen Theorie-Studium. Sehen, fühlen, über das sie ständig liest. Ebenso zielstrebig, wie sie nun durch ihre Kunsthalle führt, bastelt sie an ihrer Kunst-Karriere: Praktikum bei Sotheby's in London. Andere Station: München, Pinakotheken. Was zählt, ist nur das Beste vom Besten. Große Namen eben.
Irgendwann während des Studiums seiner Tochter muss sich Siegfried Weishaupt entschieden haben, ihr die Leitung der Kunsthalle, gewissermaßen der Schatzkammer der Weishaupts, zu übertragen. Ein Glücksgriff auch für ihn. "So bleibt die Kunst in der Familie", sagt Kathrin Weishaupt. Sie und ihr Vater seien ein eingespieltes Team, versichert sie. Ein Team, in das sie ihre eigenen Vorstellungen einbringen möchte. Ein Dream-Team? "Mein Vater sammelt aus dem Bauch heraus, und ich versuche, das mit meinem kunsthistorischen Sachverstand zu ergänzen", gibt sich Kathrin Weishaupt-Theopold selbstbewusst. Und: "Es ist eine große Herausforderung für mich, aber es kommt darauf an, was ich daraus mache."
Bringt ein solches Selbstbewusstsein nicht auch Neider hervor? "Nein", glaubt Kathrin Weishaupt, "jedenfalls habe ich noch nichts davon mitbekommen", sagt sie. Wenn es welche gäbe, in Ulm würde man sie wohl nur schwer aufstöbern. Zur Eröffnung der Kunsthalle Weishaupt fiel die Stadt fast in kollektive Euphorie. Einen "Glücksfall und ein echtes Geschenk für Ulm" nennt Oberbürgermeister Ivo Gönner die Kunsthalle, schließlich gehe sie nach 66 Jahren in städtischen Besitz über. Über einen Steg ist die Kunsthalle mit dem benachbarten Ulmer Museum verbunden - auch, um erst gar keinen Neid der Nachbarn aufkommen zu lassen.
Bis spät am Abend zwischen Kunst und Schreibtisch unterwegs
Überhaupt bemüht sich die alteingesessene Ulmer Kunstszene um eine gute Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Weishaupt. Auch, weil man hofft, ein Stückchen vom Besucherstrom in die eigenen Ausstellungen leiten zu können. Denn das Ulmer Museum, die Kunsthalle Weishaupt und der Ulmer Kunstverein liegen alle in unmittelbarer Nachbarschaft, manchmal nur im Schatten des hoch aufragenden Münsters. "Die Kunsthalle ist eine enorme Bereicherung für die Stadt", sagt Monika Machnicki, Ausstellungsleiterin des Kunstverein Ulm. Augenzwinkernd versuche man, sich zu ergänzen: "Zurzeit haben wir Evelyn Hofers Fotografie des Last Supper im Programm", sagt sie, "Eine Fotografie jenes Werkes, das in der Kunsthalle hängt." Dass ihrer jungen Kollegin ein wenig die Erfahrung für eine solche große Aufgabe fehlen könnte, glaubt Machnicki nicht. "Sie hat ein Kunststudium abgeschlossen, ist also qualifiziert dafür", sagt Machnicki, "Warum sollte sie nicht eine Chance bekommen?"
In den ersten Wochen nach der feierlichen Eröffnung der Kunsthalle Weishaupt mit viel Lokal- und Landesprominenz ist Kathrin Weishaupt eine gefragte Frau, ist oft bis spät am Abend zwischen Kunst und Schreibtisch unterwegs. Dennoch nennt sie ihre Tätigkeit schon jetzt, mit 31 Jahren, ihr "Lebenswerk".
Was zunächst übertrieben klingt, ist so verkehrt nicht. Täglich pendelt sie wieder zu ihrem Ehemann, einem Unternehmensberater, nach München. Und wenn sie sich einmal ein paar Tage frei nimmt, kann man sie dennoch bei einer Ausstellung oder in einem Museum treffen. "Die Kunst fließt in das Privatleben ein", sagt Kathrin Weishaupt-Theopold. Lebenseinstellung statt Beruf also. Ganz ohne Warhol, Longo & Co. geht es eben nie.