Martin Eder Fiese Kätzchen und böse Damen im Negligé

Sie nennen ihn "Süßholzraspler" und "Meister des schlechten Geschmacks". Mit seinen niedlichen Kätzchenbildern und aufreizenden Nackten im Negligé hat der Maler Martin Eder es nun bis in die ehrwürdigen Dresdener Kunstsammlungen geschafft. Wer ganz genau hinguckt, der begreift auch warum: Hinter dem Kitsch lauert das Grauen.

Oh nein! Was ist das denn? Zwei Meter hohe Katzenbilder. Nackte Frauen in aufreizenden Posen. Blümchen, Schmetterlinge, Vögel. Sind wir denn hier in der Deko-Abteilung des Kaufhauses gelandet? Nein, im Museum. Und der das alles angerichtet hat, steht mitten drin: der Maler Martin Eder. Grade mal 40 ist er, bis vor kurzem studierte er noch an der Dresdener Kunstakademie. Jetzt darf er gleich nebenan, im Lipsiusbau, 35 seiner riesigen Bilder zeigen.

Und was für Bilder! Die abgegriffensten Motive sind ihm grade recht. Alles, was bei seriösen Malern tabu ist, sucht Martin Eder sich zielsicher aus: süße Kätzchen und traurig blickende Hunde, Clowns und Harlekine. Und immer wieder kleine Mädchen und junge Frauen, nackt und auf den ersten Blick sexy und verführerisch.

Aber irgendetwas scheint mit ihnen nicht zu stimmen. Je genauer man hinsieht, desto gruseliger kommen einem die Figuren vor. Eine hat seltsam verbogene Finger, die andere eine Beinprothese, die dritte scheußlich verbeulte Brüste, die zu allem Übel auch noch von einem Tattoo verunstaltet sind. Und ist das nicht der Maler selbst, der da sein Konterfei auf den Busen der Schönen platziert hat? Tatsächlich. Der Gipfel der Geschmacklosigkeit.

Was ist dran an den Kitschbildern?

Aber was ist eigentlich Geschmack? Wer bestimmt, was schön ist und was nicht, was erlaubt ist und was über die Grenzen des Erträglichen hinaus geht? Eders Bilder gehen für fünfstellige Summen weg, Liebhaber seiner Kunst gibt es also genug. Der Berlin-Leipziger Galerist Judy Lybke hat mal wieder einen Star gemacht. Irgendwas muss also dran sein an diesen Kitschbildern.

Sexy, schwülstig, lasziv und allzeit bereit geben sich die Damen, die Martin Eder porträtiert. Ihre Posen scheinen sie sich aus Magazinen oder TV-Model-Shows abgeguckt zu haben. Erotisch möchten sei sein und wirken doch nur erbärmlich und tragisch in ihrer gewollten Verderbtheit.

Ausstellung und Katalog

"Der dunkle Grund"
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen
Lipsiusbau, bis 26. April
Katalog im Verlag Du Mont:
320 Seiten, 29,90 Euro

Manche sehen aus, als wären sie einem Gemälde von Gustav Klimt oder von Sandro Botticelli entsprungen - so altmeisterlich perfekt und glatt. Aber dann tun sie Dinge, die nicht ganz sauber sind. Ein zartes Mädchen, blond, rein und schön, bläst hingebungsvoll die Flöte. Zwischen den Beinen einer anderen presst sich ein Vogel heraus. Eine Frau sitzt mit entblößter Brust auf dem Schoß eines Mannes, lässt sich von ihm die Brust lecken, während sich über dem Ganzen eine giftgrüne Schlange windet. Verführung, Sündenfall, Untergang der Welt. Besonders gruselig: Ein Bild, auf dem ein haariges Affenmonster eine nackte Frau von hinten umschlingt und festkrallt, während sie einen riesigen, schwarzen Käfer in den Händen hält.

Ein fetter Kater mit bösem Blick

Gemalt ist das alles virtuos: perfekt das Katzenfell, die zarte Mädchenhaut, der Schmetterlingsflügel. So scheußlich, dass es schon wieder schön ist. Pop und Trash. "Bösartig verpackt", sagt Eder. Die Kätzchen sind keine süßen kleinen Streicheltiere, sondern fiese, böse Ungeheuer, groß wie ein Mensch und mit stechenden, gemeinen Augen. Raubtiere eben, die nur darauf zu lauern scheinen, ihre Beute zu packen und aufzufressen. "Hilfe" heißt ein besonders gemeines Bild, auf dem ein riesiger, fetter Kater mit unheimlichem, verschlagenen Blick vor einem giftig gelbgrünem Wolkenhimmel lauert. Beängstigende 1,10 Meter ist er hoch und füllt fast die gesamte Leinwand aus - mit so einem Vieh möchte man nicht aneinander geraten. Manche behaupten, es sei ein Selbstbildnis des Künstlers.

Der sagt dazu gar nichts, steht inmitten seiner Bilder, ein langer Lulatsch mit blonder Wuschelfrisur, schüttelt Hände, nimmt eine weiße Rose entgegen und streichelt über sein grünes Westchen, das unter der schwarzen Jacke hervorblinzelt. Eine schlanke Frau in Grün umarmt ihn, stellt sich vor einem Bild in Pose - und alle erkennen: Sie ist es, die da Modell stand für die Frau mit den roten Stiefeln, die mit einer monströsen Kobra flirtet. Auf einem anderen Bild hält sie den Kopf des Malers in der Hand, Blut rinnt aus seinem Hals, vor ihnen kopulieren zwei große, rote Feuerkäfer.

Später, bei der Vernissagenparty im Schloss des Odol-Erfinders Karl August Lingner am Elbhang, lässt Eder sich beklatschen und bewundern und strahlt, wie er wohl schon lange nicht mehr gestrahlt hat.

"Meine Bilder sind blutrünstig"

Und weil alles so schön ist, feiert man im Anschluss an die Vernissage ein großes Fest - mit Blick über das malerisch verschneite Elbtal. Der Schnee rieselt in lockeren Flocken, die Berliner Kunstszene ist angereist. Wo vor 20 Jahren noch der "Klub der Intelligenz" tagte, eine Vereinigung von DDR-Wissenschaftlern und Kulturschaffenden, legt heute eine elegante DJane Swing und Cha Cha auf. Eder, der auch ab und zu unter dem Namen "Richard Ruin" auftritt und melancholische Lieder auf der Gitarre spielt, bleibt heute Zuhörer.

"Endlich mal wieder eine Malerei, die wirklich weh tut beim Anschauen!" freuen sich die Kritiker und sprechen beeindruckt und zugleich angeekelt von "aggressiver Unansehnlichkeit mit den Mitteln der Altmeisterlichkeit". Martin Eder gibt am Ende die beste Erklärung: "Meine Bilder sind eigentlich Schlachtenbilder. Es wird gemordet und es ist unglaublich blutrünstig."

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