Sigmar Polke ist tot "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen"

In der Nacht zum Freitag ist einer der bedeutendsten deutschen Gegenwartskünstler gestorben. Sigmar Polke ist einem Krebsleiden erlegen. Der öffentlichkeitsscheue, experimentierfreudige, ironieverliebte Maler wurde 69 Jahre alt.

Sigmar Polke sei in der Nacht zum Freitag nach längerem Krebsleiden zu Hause in Köln gestorben, gab sein Galerist Erhard Klein am Freitag bekannt. Mit Polke hat die Kunstwelt einen ihrer bedeutendsten Vertreter der Gegenwart verloren. Der ehemalige Beuys-Schüler und Weggefährte von Gerhard Richter wurde 69 Jahre alt.

Noch im vergangenen Monat hat Polke den mit umgerechnet 100.000 Euro dotierten Kunstpreis der Schweizer Roswitha-Haftmann-Stiftung gewonnen. Im Laufe seines Lebens war er mit Preisen überhäuft worden. Ruhm hat ihn allerdings nie interessiert. Auch wenn seine Bilder auf dem Kunstmarkt Millionenpreise erzielten und sein Name auf allen wichtigen Listen der internationalen Kunstszene seit Jahren einen der vorderen Plätze belegte, war der als extrem medienscheu geltende Polke am liebsten für sich: "Er lässt kaum jemanden an sich ran", sagte einst die langjährige stellvertretende Direktorin des Kölner Museums Ludwig, Evelyn Weiss.

"Er war ein kritischer, ironischer und auch selbstironischer Beobachter der Nachkriegsgeschichte und ihr künstlerischer Kommentator", gedenkt Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Künstler.

Mitbegründer des "kapitalistischen Realismus"

Polke einer Stilrichtung zuzuordnen ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Dafür hat er zu gern experimentiert. Schon als Student in den 1960er Jahren begründete er zusammen mit Gerhard Richter eine neue Stilrichtung, den "Kapitalistischen Realismus", der die Sehnsüchte der deutschen Nachkriegsgesellschaft karikierte.

Erste große Erfolge brachten Polke vor allem seine Raster- und Dekostoffbilder. Dabei setzte er Gemälde aus überdimensionalen Rasterpunkten zusammen. Statt Leinwand verwendete er mal synthetische Flauschdecken, mal Schlafanzugstoff oder auch Plastikfolien als Bildträger. Seine Motive waren Themen aus der Werbung, aus dem Kino oder der Welt der Comics.

In den 70er Jahren zog er mit Kamera bewaffnet durch Länder wie Mexiko, Australien oder Pakistan - immer auf der Suche nach neuen Motiven und Mythen. Er arbeitete mit Thermo- und Hydrofarben, die sich je nach Außenbedingungen veränderten. Seine 1986 im deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig präsentierte Austellung glich einem alchimistischen Schauspiel: Seine wärmeempfindlichen Bilder, die je nach Temperatur in anderen Farben leuchteten, brachten ihm den Goldenen Löwen für die beste künstlerische Leistung ein.

"Alchimist der Kunst"

In seinem Kölner Atelier ging es zuweilen zu wie in einem Chemielabor. Polke experimentierte mit Silbernitrat, Lacken, Kunstharz, Schellack, unterschiedlichen Pigmentträgern, Eisenglimmer, Kopiergeräten und Computertechniken. Die Fotografie spielte immer wieder eine zentrale Rolle. Bald hatte er den Beinamen "Alchimist der Kunst".

Geboren wurde Polke 1941 im niederschlesischen Oels. Seine Familie floh 1945 nach Thüringen und siedelte 1953 nach West-Berlin über, ehe sie nach Düsseldorf zog. Polke begann zunächst eine Glasmalerlehre und studierte dann von 1961 bis 1967 an der Kunstakademie. Zu seinen Lehrern zählte auch Joseph Beuys.

Je mehr Polke zum Star der internationalen Kunstszene wurde, umso mehr zog er sich zurück. Über das Privatleben des Malers war wenig bekannt. In Köln-Zollstock teilte er sich mit einem Schreiner ein ehemaliges Fabrikgebäude, das ihm als Atelier diente. Freunde und Sammler schilderten ihn als humorvollen und neugierigen Mann. Eines seiner berühmtesten Bilder trägt den Titel "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!" aus dem Jahr 1969.

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dpa/sal

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