Vor 14 Jahren wurde eine Geschichte aus dem Leben des Malers Gerhard Richter bekannt, die unglaublich erscheint, aber doch wahr ist. 1938 wurde Richters Tante Marianne Schönfelder im Zuge der Euthanasie durch NS-Ärzte zwangssterilisiert, 1945 wurde sie in der Tötungsanstalt Großschweidnitz ermordet. Mitverantwortlich war Heinrich Eufinger, SS-Obersturmbannführer und als Direktor der Städtischen Frauenklinik in Dresden maßgeblich an Hunderten von Zwangssterilisationen beteiligt.
Eufinger wurde später Richters Schwiegervater. Und als sei das nicht schon kurios genug, wurden beide vom Künstler verewigt - Täter wie Opfer. Die 1964 und 1965 entstandenen Bilder dürften auf Ausstellungen in unmittelbarer Nachbarschaft gehangen haben.
Eine so ungeheuerliche Geschichte gäbe einen exzellenten Filmstoff ab, zumal darein verschränkt auch die unterschiedlichen Wege eines Künstlers in zwei deutschen Staaten ist: Richter war bis zu seiner Flucht 1961 gefeierter Staatskünstler der DDR und dem Realismus verpflichtet, im Westen kam er mit der Avantgarde in Kontakt – ehe er mit Künstlern wie Sigmar Polke einen neuartigen Stil kreierte, den man als Kapitalistischen Realismus bezeichnet hat.
Florian Henckel von Donnersmarck und der Pathos
Welch ein Leben! Leider hat sich mit Florian Henckel von Donnersmarck der Falsche an diesen Stoff gewagt. Es hätte eines Regisseurs bedurft, der diese tonnenschwere Thematik – Euthanasie, das Leben in zwei deutschen Diktaturen und die Existenz eines Täters in der eigenen Familie – etwas entschlackt und auf ein erträgliches Maß herunterdimmt. Der etwas Leichtigkeit und, ja, stellenweise sogar Humor reinbringt, um den Zuschauer nicht unter der Last der Tragik zu erdrücken.
Florian Henckel von Donnersmarck hat jedoch den entgegengesetzten Weg gewählt. Er legt noch eine gute Schippe Pathos obendrauf und walzt den Stoff zu einem 188-minütigen Film aus, der an jeder Stelle laut "Kunst" schreit. Nicht, weil der Protagonist ein Künstler ist, sondern weil der Regisseur so gerne einer wäre. Das Werk ist auf seine Art so ernst und verkniffen, als sei es eine Parodie auf das Bild, das man in anderen Ländern lange Zeit von Deutschland hatte. Und mithin ein Beispiel dafür, wie deutsche Kunst nicht sein sollte.

So kommt das herausragend besetzte Ensemble – für kleinste Rollen wurden Stars wie Ben Becker, Lars Eidinger, Jeanette Hain, Oliver Masucci, Hinnerk Schönemann oder Jörg Schüttauf angeheuert – kaum recht zur Entfaltung. Am meisten leiden freilich die Hauptdarsteller an der überladene Inszenierung. Zwischen den Protagonisten Tom Schilling und Paula Beer, die hier nicht Gerhard Richter und Marianne (Ema) Eufinger heißen, will einfach kein Funke überspringen, die Liebesszenen sind altbacken und kitschig.
"Werk ohne Autor" wird eine Frage beantworten
Selbst der in "Das Leben der Anderen" so glänzende Sebastian Koch kann seine Fähigkeiten kaum zur Geltung bringen. Dieses Werk gewann 2007 den Oscar als bester fremdsprachiger Film, seither gilt Donnersmarck als das Genie des deutschen Kinos. Ein Ruf, den er mit dem bei der Kritik durchgefallenen "The Tourist" 2010 aufs Spiel setzte.
"Werk ohne Autor" sollte die Frage beantworten, ob Donnersmarck ein großer Regisseur ist oder nicht. Noch vor dem Kinostart hat sich German Films festgelegt, den Film als deutschen Beitrag für die Oscars einzureichen. Möglicherweise war diese Entscheidung etwas vorschnell. Denn zumindest in Donnersmarcks Heimat hat es der Film nicht geschafft, die Herzen der Zuschauer zu berühren. Auch die Oscar-Academy entschied sich letztlich dagegen.
Nun nimmt der Film einen erneuten Anlauf, die Herzen des Publikums zu gewinnen: Die ARD zeigt "Werk ohne Autor" am 28. Dezember um 20.15 Uhr als Free-TV-Premiere.
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