Dass ein Selfie aus der politischen Klasse Deutschland in Atem hält, ohne dass er selber drauf ist, das kann Markus Söder nicht gefallen. Schließlich hat der bayerische "Schaunsie, es geht ja ned um Personen, es geht um Deutschland"-Ministerpräsident bereits eine selbstreferenzielle Fotosafari hinter sich, die selbst Kai Pflaume neidisch machen dürfte.
Markus Söder hat immerhin schon einen Baum umarmt
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Söder (mit Maske!) auf der Zugspitze, Söder mit Merkel, Söder mit Hundewelpen. Und dennoch reden jetzt alle von der silbermondartigen Selbstinszenierung der grün-liberalen Schmuserei. Die Zitrus-Connection, über deren Gesprächswert man fast vergessen könnte, dass da noch eine Partei zur Koalition fehlt. SPD? CDU? Fast scheißegal, wer unter diesen Instagremlins Kanzler wird, oder?
Eigentlich eine Unverschämtheit, dieses Absaugen von Aufmerksamkeit. Dabei hat Söder immerhin schon einen Baum umarmt. Wie dieser hilflose Baum sich gefühlt haben muss, das kann am ehesten Armin Laschet ermessen. Wurde "der Armin" in der Elefantenrunde vom Markus doch noch verbal umarmt. Doch kaum wähnte er sich freundschaftlich verteidigt, musste es der begnadete Realitätsverweigerer aus Aachen zuletzt erleben, dass dieser ihn wieder einmal öffentlich unter den Bus warf, indem er Olaf Scholz zur Wahl gratulierte.
Will Söder dem Illusionisten Laschet die Hose runterreißen?
Da war es ausgesprochen. Da wurde es zur Realität. Stellt sich natürlich die Frage, weshalb der bayerische Sehnsuchtskaiser zu so einer generösen Geste fähig war – aus Gönnerhaftigkeit? Oder, um dem Illusionisten Laschet endgültig die Hose runterzureißen? Der zur Stunde immer noch zu glauben scheint, dass er als Verhandlungsführer erst Jamaika möglich machen und sich auf diesem Eiland der politischen Machbarkeit zum König krönen wird.
Derweil ist die Stimmung im Adenauerhaus so aufgeheizt, dass in der Kantine bis auf Weiteres sicherheitshalber erst einmal nur Löffel gereicht werden. Die Union in ihrer Verzweiflung mag ein dankbarer Verhandlungspartner sein, drohen sie doch alles preiszugeben, nur, um bloß Regierungspartei bleiben zu können. Allerdings: Die zweitbeliebteste Koalition, angeführt von der Union unter einem Kanzler Armin Laschet, löst in Deutschland so viel Zustimmung aus wie das W-Lan in der Deutschen Bahn. Eigentlich nicht vorstellbar.
Was aber, wenn man sich in Sachen Jamaika bereits so einig ist, dass die einzige Frage bleibt: "Wer sagt's dem Armin?" Oder anders formuliert: Wohin mit Opa? Das Prozessuale mal beiseite: Nach all dem Irrsinn der letzten Monate erscheint es mir nicht mehr unrealistisch, dass es schon in der nächsten Neujahrsansprache heißt: "Schaunsie, es wird ein besseres Jahr."
Kaum denkbar, dass sich irgendjemand dem Spitzenkandidaten noch verpflichtet fühlt
Söder stand zwar gar nicht zur Wahl, aber das tat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Europawahl ja auch nicht. Passiert ist es dennoch. Kann man eine nicht zwingend gewünschte Koalition dadurch pimpen, dass ihr ein Kanzler vorsteht, den sich selbst die linkesten Geister plötzlich sehr wohl als Regierungschef vorstellen mochten? Kann es sein, dass der Aachener sich vorne noch einen zusammenkanzlert, während Söder hintenrum mit anderen rummacht? Warum nicht.

In der CDU-Parteizentrale herrscht irgendwas zwischen nackter Angst und präapokalyptischer Klorollenhamsterstimmung – kaum denkbar, dass sich irgendjemand dem Spitzenkandidaten noch verpflichtet fühlt. Der knallpotente Franke käme zu dem Amt zwar wie die Jungfrau zum Kinde – aber in Sachen überraschenden Nachwuchses gibt es bei der CSU ohnehin eine gewisse Tradition.
Die Insel der Versuchung. Ein Franke auf Jamaika statt ein Bayer auf Rügen. Klingt vielleicht verrückt, aber ich halte es für durchaus realistisch, dass sich die bayerische Blendgranate zeitnah in den Kanzlersessel fläzt. Ein unmoralisches Angebot. Und eigentlich undenkbar. Andererseits: Ein nie gewählter Kanzler Söder wäre eigentlich der logische Schlusspunkt dieses absurden Wahljahres.