Elon Musk übernimmt Twitter. Ob für 44 Milliarden oder 40, das kann gerade niemand genau sagen. Aber das Getöse um den verlautbarten Übernahmewunsch des Milliardärs ist so laut, dass es kurzzeitig sogar das Korkenknallen in der Rüstungsindustrie übertönt hat.
"Das Ende von Twitter!", jaulten die einen. "Die Rückkehr der Meinungsfreiheit!", johlten die anderen, als gäbe es auf der Dixiklo-blauen Haltungshalde nicht bereits ein Übermaß an veröffentlichter Meinung.
Was blüht dem Netzwerk nun unter dem neuen Besitzer, der mit exzentrisch so gut beschrieben ist, als würde man Wladimir Putin als streitlustig bezeichnen? Bekannt ist, dass Musk ein Freund der "Freedom of Speech" ist, und diese wird in den USA so ausgelegt, wie die Arzneimittelgesetze es werden: Erlaubt ist zunächst einmal alles, bis mehrere Leute zu Tode kommen.
Viele nehmen an, mit dem neuen Eigner der Debattierbude würde wie bei den Ghostbusters diese ominöse Geisterfalle geöffnet und der orangefarbene Marshmallow-Man Trump wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen. Das wäre gewiss interessant anzuschauen. Aber das ist ein Atompilz auch.
Besonders im affektfreudigen linken Twitter-Milieu drohen viele lautstark mit dem Exodus zu einer anderen Plattform. Tweet-Nomaden eben. Weg vom toxischen Twitter, hin zu einem anderen Netzwerk, um dort noch einmal ganz von vorn damit anzufangen, schlecht über andere zu schreiben. Um circa drei Wochen später wieder durch die Katzenklappe zurück in die Pension Musk zu krauchen, weil 250.000 Follower eben schöner sind als, sagen wir mal, 327.
Auch ist oft zu lesen: "Nun lasst ihn doch erst mal machen!"
Bei Kritik an seiner Person wird Elon Musk xijinpingelig
Also, Elon Musk. Ja, der superschurkige Krösus mit dem Joker-Lachen ist erklärter Freund der unzensierten Rede. Natürlich nur, solange es nicht um die eigene Firma oder um kritische Berichte zur eigenen Person geht – da wird er dann schnell xijinpingelig. Wo wir gerade dabei sind: Tesla, das ist zuvorderst seine Firma. Die wiederum verkauft einen Gutteil ihrer Fahrzeuge wo? Richtig, in China. Was ist dort regierungsseitig so beliebt wie Neuinfektionen? Korrekt, die Meinungsfreiheit.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie Musk umgehen wird mit der freien Rede, wenn es tausendfach getwittert um Uiguren in Umerziehungslagern oder um 26 Millionen Eingesperrte in Shanghai geht.
Bis zum Beweis des Gegenteils allerdings nehme ich mir das Recht, mich über den flamboyanten Finanzkraftprotz zu amüsieren. Über sein erratisches Verhalten. Über diese irren Tweets, mit denen er die Anleger in die Hysterie treibt. Darüber, dass er von so manch neoliberalem Schöngeist zum Sexobjekt der Selfmademan-Kultur gemacht wird, obwohl sein Bruder und er einst als Söhne eines Smaragdminenbesitzers um die Edelsteine in ihren proppenvollen Kinderhosentaschen gerangelt haben.
Das ist nicht die klassische Tellerwäschermillionärswerdung. Und mal kurz dran denken: Der Mann will ein soziales Netzwerk erstehen, nicht etwa die globalen Wasservorräte. Es geht nicht um Nestlé.
Im schlimmsten Falle beschränkt uns Musk in unserem vermeintlichen Grundrecht, überall und stets unsere Befindlichkeit hineintippen zu können.
Dabei können wir Musk mit einer geheimen Superkraft begegnen: der schieren Power des Wegbleibens. Aber der sozialnetzwerkende Mensch ist kein Tesla. Geräuschlos kommt er nicht vom Fleck.